Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung; keine vGA bei Forderungsverzicht gegen Besserungsschein; § 181 BGB und nachträgliche Genehmigung
Leitsatz (NV)
1. Legt der Revisionskläger jeweils Revision gegen die KSt-Festsetzung und die Feststellung nach § 47 KStG ein und reicht aber nur i. S. KStG eine Revisionsbegründung ein, die sich mit dem Vorliegen einer vGA auseinandersetzt, so liegt gleichwohl auch i. S. Feststellung gemäß § 47 KStG eine ausreichende Revisionsbegründung vor.
2. Keine vGA liegt vor, wenn ein Gesellschafter auf eine gegen die Kapitalgesellschaft bestehende Forderung unter der auflösenden Bedingung verzichtet hatte, daß die Forderung im Besserungsfall wieder aufleben soll und anläßlich der Besserung die Forderung beglichen wird (Bestätigung BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588).
3. In-Sich-Geschäfte eines Alleingesellschafters können mit steuerlicher Wirkung in dem Zeitpunkt vom Gesellschafter genehmigt werden, in dem eine wirksame Befreiung von § 181 BGB vorliegt (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BFH/NV (R) 1997, 63).
Normenkette
FGO § 120; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde 1978 gegründet. Gesellschafter waren P mit 95 % und deren Ehemann mit 5 %. 1985 wurde P Alleingesellschafterin. Von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde sie erst 1990 und damit nach dem Streitjahr 1987 wirksam befreit.
Die Gesellschafter der Klägerin führten dieser zur Aufrechterhaltung des Geschäfts betriebes laufend Geldmittel zu. Dementsprechend wies die Klägerin Gesellschafterverbindlichkeiten in ihren Bilanzen aus. Mit Vereinbarung vom 16. Dezember 1983 verzichtete P auf Darlehensforderungen in Höhe von 38 000 DM mit der Maßgabe, daß "diese Forderung in dem Umfang wieder auflebt, wie die Bilanz der GmbH nach Tilgung der aufgelaufenen Verluste wieder Gewinne ausweist". Dieser Verzicht wurde in der 1983 für 1982 eingereichten Steuererklärung als Einlage behandelt und dem EK 04 zugewiesen.
In der Körperschaftsteuererklärung 1987 erhöhte die Klägerin den in der Steuerbilanz ausgewiesenen Gewinn um 38 000 DM und erklärte als "Rückzahlung Einlagen" einen entsprechenden Abgang beim EK 04.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) behandelte die 38 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und als andere Ausschüttung des Jahres 1987, was zu einer Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 7 350 DM führte (Bescheid vom 18. Februar 1991). Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit den Revisionen rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2, der §§ 27, 30 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 181 BGB und beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidungen und Abänderung der entsprechenden Steuerbescheide die Körperschaftsteuer 1987 auf 21 774 DM festzusetzen und das EK 04 zum 31. Dezember 1987 mit 0 DM festzustellen.
Die Revisionsbegründung in Sachen verwendbares Eigenkapital (vEK) ging -- auf entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des Senats -- erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Die Klägerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sie die Begründung in Sachen Feststellungsbescheid zusammen mit der Revisionsbegründung betreffend Körperschaftsteuer 1987 dem BFH zugesandt habe.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. Die Revisionen sind zulässig.
Die Revisionsbegründung betreffend Feststellungsbescheid nach § 47 KStG ist fristgerecht beim BFH eingegangen.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war die Revision beim Finanzgericht (FG) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Klägerin hat zwar entsprechend der getrennten Klageerhebung in Sachen Körperschaftsteuer 1987 und Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1987 die Revision mit zwei gesonderten Schriftsätzen eingelegt. Zur Begründung ihrer Revision hat sie allerdings innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nur einen Schriftsatz eingereicht, der im Betreff die Körperschaftsteuer 1987 ausweist. Dieser Revisionsbegründungsschriftsatz enthält aber die Rechtsüberlegungen, die gleichermaßen für die Körperschaftsteuerfestsetzung als auch für die Feststellung des vEK gelten. Dies folgt daraus, daß die Feststellung des zu versteuernden Einkommens im Körperschaftsteuerbescheid bindend für das Feststellungsverfahren ist (vgl. § 47 Abs. 2 KStG n. F.; § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG in der im Streitjahr noch geltenden Fassung, vgl. z. B. auch BFH-Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 193/84, BFHE 144, 565, BStBl II 1986, 93) und damit ein Streit über das Vorliegen einer vGA im Regelfall Auswirkungen auf die Höhe des mit Körperschaftsteuer belasteten Eigenkapitals hat. Daß auch im Streitfall die Forderung nach Abgabe einer gesonderten Revisionsbegründung betreffend § 47 KStG reiner Formalismus wäre, zeigt die nachträglich eingereichte Revisionsbegründung in Sachen § 47 KStG, die inhaltlich die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfüllt und nahezu wortgleich mit der Revisionsbegründung in Sachen Körperschaftsteuerfestsetzung ist.
B. Die Revisionen der Klägerin sind auch begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Mit Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87 (BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588) hat der Senat entschieden, daß weder eine vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) noch eine andere Ausschüttung (§ 27 Abs. 3 Satz 2 KStG) vorliegt, wenn ein Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine Kapitalgesellschaft unter der auflösenden Bedingung verzichtet, daß im Besserungsfall die Forderung wieder aufleben soll und nach Bedingungseintritt die Forderung erfüllt wird. Voraussetzung ist allerdings, daß das Entstehen der Darlehensforderung durch betriebliche Umstände veranlaßt war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in der bezeichneten Entscheidung Bezug genommen.
Der Streitfall stimmt mit der Sachlage des vorbezeichneten Urteils überein. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurden die Darlehen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes gewährt und sind daher betrieblich veranlaßt.
P verzichtete auf Darlehen in Höhe von 38 000 DM mit der Maßgabe, daß diese Forderung in dem Umfang wieder aufleben sollte, wie die Bilanz der Klägerin nach Tilgung der aufgelaufenen Verluste wieder Gewinne auswies. Da die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Darlehensforderung dem Grunde nach zum 31. Dezember 1987 unstreitig vorliegen, kann in der Erfüllung dieser Forderung oder in der entsprechenden Gutschrift keine (verdeckte oder andere) Ausschüttung liegen. Auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte gegenüber einem Gesellschaftsfremden die vertraglich wieder aufgelebte Forderung infolge der bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtung erfüllt.
2. Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob -- wie das FG meint -- ein von einem beherrschenden Gesellschafter der Kapitalgesellschaft aufgrund unwirksamen Vertrages gewährtes Darlehen trotz bestehender zivilrechtlicher Rückzahlungspflicht als verdeckte Einlage und folglich die Rückzahlung der Darlehensvaluta als vGA beurteilt werden kann. Die o. g. Rechtsgrundsätze gelten im Streitfall schon deswegen, weil P -- wenn auch erst 1990 -- vom Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB befreit wurde.
Mit Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95 hat der Senat entschieden, daß der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH auch dann rechtswirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, wenn die Befreiung nach Abschluß von In- sich-Geschäften in der Satzung geregelt und im Handelsregister eingetragen wird. Die In-sich-Geschäfte sind dann als nachträglich genehmigt anzusehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil Bezug genommen (BFH/NV (R) 1997, 63). Daraus folgt für den Streitfall, daß eine verdeckte Einlage nicht schon deswegen angenommen werden kann, weil P bei Abschluß des Darlehensvertrages (noch) nicht vom § 181 BGB befreit war.
3. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, weil dieses bislang nicht festgestellt hat, in welchem Umfang die Darlehen zum 31. Dezember 1987 wieder auflebten. Da nach den Feststellungen des FG die Forderungen vereinbarungsgemäß nur in dem Umfang wieder auflebten, als die Bilanz der Klägerin nach Tilgung der aufgelaufenen Verlust wieder Gewinne auswies, besteht insoweit noch Klärungsbedarf. Gegebenenfalls wären dann auch noch Feststellungen zum Zeitpunkt der anderen Ausschüttung zu treffen (vgl. Schriftsatz des FA vom 16. Februar 1996).
Fundstellen
Haufe-Index 421956 |
BFH/NV 1997, 265 |