Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitskräfte anderer Firmen; Zahlungen an diese Firma; nichtabgeführte Lohnsteuer; Arbeitnehmerüberlassungsverträge
Normenkette
EStG § 42d; AO 1977 § 41 Abs. 1 S. 1; AÜG Art. 1 § 9 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Tief- und Straßenbauunternehmen. Im Jahre 1977 nahm sie Geschäftsbeziehungen zu der Firma B in X (Firma B) auf. Arbeitnehmer dieser Firma wurden bei von der Klägerin zu erbringenden Tief- und Straßenbauarbeiten eingesetzt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) vertrat aufgrund der Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, daß wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung durch die Firma B gemäß Art.1 § 10 Abs.1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin als Entleiherin und den von der Firma B geliehenen Arbeitnehmern zustande gekommen sei und die Klägerin daher für die Lohnsteuer hafte, die für die bei ihr eingesetzten Arbeitnehmer der Firma B nicht abgeführt worden sei.
Das FA kam aufgrund der Feststellungen des Lohnsteuer-Außenprüfers ferner zu dem Ergebnis, daß die Klägerin im Jahre 1977 auch von der Firma R in Y (Firma R) Arbeitskräfte entliehen habe und daß auch insofern eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliege. In beiden Fällen leistete die Klägerin Zahlungen nur an die Firmen B bzw. R und nicht an die bei ihr eingesetzten Arbeitnehmer dieser Firmen.
Wegen beider Sachverhalte erließ das FA gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über … DM Lohnsteuer, … DM evangelische Kirchensteuer und … DM römisch-katholische Kirchensteuer.
Die gegen den Haftungsbescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den Haftungsbescheid aufgehoben.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, daß die Klägerin Arbeitgeberin i.S. des § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) der in ihrem Betrieb eingesetzten Arbeitskräfte der Firmen B und R gewesen sei, weil die in Art.1 § 9 AÜG angeordnete Unwirksamkeit eines Arbeitsverhältnisses zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer auch für das Steuerrecht gelte.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin haftet nicht für die Lohnsteuer, die von den Arbeitslöhnen der bei ihr eingesetzten Arbeitskräfte der Firmen B und R einzubehalten und abzuführen gewesen wäre; denn die Klägerin war nicht Arbeitgeberin dieser Arbeitskräfte i.S. des § 42d EStG.
Das FG hat es zu Recht dahingestellt sein lassen, ob die Firmen B und R für die Klägerin als Subunternehmer tätig geworden sind oder ob zwischen diesen Firmen und der Klägerin Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen wurden; denn in beiden Fällen wäre die Klägerin nicht Arbeitgeberin der Arbeitskräfte der Firmen B und R.
Daß die Klägerin nicht Arbeitgeberin der vorbezeichneten Arbeitskräfte war, wenn die Firmen B und R für sie als Subunternehmer aufgetreten wären, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Daß die Klägerin aber auch dann nicht die Stellung einer Arbeitgeberin i.S. des § 42d EStG erlangte, wenn zwischen ihr und den Firmen B und R Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen worden sind, die nach Art.1 § 9 Nr.1 AÜG unwirksam waren, ergibt sich aus der Entscheidung des Senats vom 2.April 1982 VI R 34/79 (BFHE 135, 501, BStBl II 1982, 502). Ausgehend von der Fiktion des Art.1 § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG, wonach im arbeitsrechtlichen Sinn ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert wird, wenn der zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer abgeschlossene Dienstvertrag und der zwischen dem Verleiher und Entleiher vereinbarte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nach Art.1 § 9 Nr.1 AÜG unwirksam sind, hat der Senat in dem vorerwähnten Urteil entschieden, daß diese arbeitsrechtliche Fiktion für das Steuerrecht insoweit und so lange nicht gilt, wie die Beteiligten den wirtschaftlichen Erfolg eines unerlaubten und damit nach Art.1 § 9 Nr.1 AÜG unwirksamen Arbeitsverhältnisses zwischen einem illegalen Verleiher und einem Leiharbeitnehmer eintreten und bestehen lassen (§ 41 Abs.1 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Dabei hat der Senat die vom Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme und in der Literatur zum Teil vertretene Meinung, daß in den Fällen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung auf die zwischen Entleiher und Verleiher sowie zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer abgeschlossenen Rechtsgeschäfte § 41 Abs.1 AO 1977 keine Anwendung fänden, abgelehnt.
Schließlich hat der Senat in dem vorbezeichneten Urteil auch die vom FA vorgetragene Ansicht verworfen, der Klägerin müßten wegen der arbeitsrechtlichen Unwirksamkeit der Rechtsverhältnisse zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer sowie zwischen Verleiher und Entleiher die von den Firmen B und R an die Leiharbeitnehmer gezahlten Löhne als eigene Leistungen an die Leiharbeitnehmer zugerechnet werden.
Fundstellen