Entscheidungsstichwort (Thema)
Bausachverständiger des FA ist Privatgutachter
Leitsatz (NV)
Das Gutachten des Bausachverständigen eines FA darf als Privatgutachten vom FG nicht als Sachverständigenbeweis gewürdigt werden, wenn einer der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen seine Richtigkeit erhebt.
Normenkette
FGO § 76
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewinnermittlung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Jahr 1971, insbesondere über die Höhe ihrer Anschaffungskosten für Bauland, das die Klägerin von den Ehemännern der ehemaligen Kommanditistinnen und dem Komplementär X erworben hat.
Die Klägerin ist eine KG, die im Jahre 1964 gegründete wurde. Komplementär war der Beigeladene zu 1, ein Immobilienkaufmann, Kommanditisten die Architekten und Diplomingenieure H, M und S.
In den Jahren 1965 und 1966 erwarben die damaligen Gesellschafter der Klägerin (im folgenden Vierergruppe) in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung Bauland in einer Größenordnung von 22000 qm zum Preis von rd. 916000 DM. Im gleichen Gebiet erwarb auch die Klägerin Grundbesitz.
In der Folgezeit kam es unter Mitwirkung der damaligen Kommanditisten der Klägerin zu einer Änderung der bestehenden Bauleitplanung, durch die die Geschoßhöhe der vorgesehenen Gebäude erhöht wurde.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1969 übertrugen die Kommanditisten der Klägerin ihre Anteile auf ihre Ehefrauen. Außerdem erlangte auch der Beigeladene zu 1 über eine Treuhand-GmbH einen Kommanditanteil an der Klägerin.Nach der Verabschiedung eines neuen Bebauunsplans schlossen die Klägerin und die Vierergruppe am 27. April 1971 einen als Bodenordnungsvereinbarung bezeichneten notariellen Vertrag, in dem sie festlegten, welche Parzellen in einem Bodenordnungsverfahren neu zu verteilen seien. Nach dieser Festlegung vereinbarten die Klägerin und die Vierergruppe in derselben notariellen Urkunde einen Kaufvertrag, in dem die Mitglieder der Vierergruppe den auf sie entfallenden Grundbesitz (21000 qm Grundfläche und mindestens 20000 qm Geschoßfläche) zum Mindestkaufpreis von 6 Mio. DM an die Klägerin verkauften. Der Kaufpreis für den qm Geschoßfläche wurde auf 300 DM festgelegt.
Die Klägerin stellte den mit Vertrag vom 27. April 1971 erworbenen Grundbesitz in ihre Bilanz zum 31. Dezember 1971 mit 6 Mio. DM und in der Bilanz zum 31. Dezember 1972 nach einer vermuteten Werterhöhung mit 12 Mio. DM ein.
Ab 1974 geriet die Klägerin in Vermögensverfall. Die daraufhin eingeleiteten Sanierungsbemühungen führten zu einer Reihe weiterer gesellschaftsvertraglicher Änderungen, denen das Finanzgericht (FG) durch die Beiladung der ausgeschiedenen Gesellschafter Rechnung getragen hat.
Die Klägerin war, nachdem ihre Gesellschafter S und M sie durch Hingabe beträchtlicher Geldmittel vor dem Konkurs bewahrt hatten, zunächst noch auf dem Immobiliensektor tätig. Eine Bebauung des 1971 von der Vierergruppe erworbenen Areals hat sie nicht in Angriff genommen. Inzwischen befindet sie sich in Liquidation.
Im Jahre 1976 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1969 bis 1974 statt. Im Verlauf dieser Prüfung griff der Prüfer u.a. den Grundstückskaufvertrag zwischen der Vierergruppe und der Klägerin vom 27. April 1971 mit der späteren Kaufpreisänderung auf 12 Mio. DM auf. Unter Bezugnahme auf eine Grundstückswertermittlung des Bausachverständigen des Finanzamts (FA) F kam er zu der Auffassung, daß für die von der Klägerin im April 1971 erworbenen Grundstücke ein Kaufpreis von allenfalls 2 Mio. DM angemessen gewesen sei. Die Klägerin habe den höheren Kaufpreis von zunächst 6 Mio. DM, später 12 Mio. DM, nur deshalb akzeptiert, weil ihre Gesellschafter mit der Vierergruppe verwandtschaftlich verbunden gewesen seien. Nachdem die Klägerin im Verlauf der Betriebsprüfung der Rücknahme der Kaufpreiserhöhung auf 12 Mio. DM zugestimmt hatte und fortan einen Kaufpreis von 6 Mio. DM für angemessen hielt, vertrat der Prüfer die Ansicht, in Höhe von 4 Mio. DM lägen Entnahmen der Gesellschafter vor, wobei jedem Gesellschafter für das Jahr 1971 eine Entnahme von 1 Mio. DM zuzurechnen sei.
Der Auffassung des Prüfers schloß sich bei Auswertung des Prüfungsberichts auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) an und erließ am 16. Januar 1978 für die Jahre 1969 bis 1972 einen zusammengefaßten geänderten Feststellungsbescheid. Im Verlauf des Rechtsstreits ergingen verschiedene Änderungsbescheide, die jeweils zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden. Im Änderungsbescheid vom 15. Februar 1982 wurden erstmals Entnahmen der einzelnen Gesellschafter ausgewiesen, die in Höhe von je 1 Mio. DM auf der teilweisen Nichtanerkennung des Kaufpreises von 6 Mio. DM beruhten.
Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie habe für die mit Vertrag vom 27. April 1971 erworbenen Grundstücke einen marktangemessenen Kaufpreis gezahlt. Das ergebe sich u.a. aus den Wertgutachten der Grundstückssachverständigen W und M. Der Sachverständige W habe den Wert der erworbenen Grundstücke im Jahr 1971 auf 6 Mio. DM geschätzt, während der Sachverständige M im Jahre 1973, also nach Rechtskraft des Bebauungsplans Nr.67, einen Wert von über 12 Mio. DM ermittelt habe. Dieser Wert sei auf die veränderte Rechtslage im Veräußerungszeitpunkt umzurechnen, unterschreite aber auch dann keinesfalls den Wertansatz von 6 Mio. DM. Dieser Wert werde auch bestätigt durch die Kreditzusage der Z-Landesbank vom 7. Dezember 1971 über 5 Mio. DM für die der Vierergruppe und der Klägerin gehörenden Grundstücke. Die Wertermittlung des Bausachverständigen des FA F sei unzutreffend, weil sie sich über wirksame zivilrechtliche Absprachen hinwegsetze und die Bebaubarkeit der erworbenen Grundstücke nicht hinreichend berücksichtige. Die Unrichtigkeit der Wertermittlung des Bausachverständigen auf der Grundlage der Richtwertkartei des Gutachterausschusses des Y-Kreises sei bei dem Verkauf der streitigen Grundstücke im Jahre 1989 zum Preis von 23 Mio. DM offenkundig geworden. Dieser Verkaufspreis habe um etwa 400 v.H. über dem Wert der Grundstücke im Jahre 1971 gelegen. Eine Anfrage beim Gutachterausschuß habe ergeben, daß auch deren Werte sich um etwa 400 v.H. erhöht hätten, nämlich auf 380 DM pro qm. Den absoluten Wertunterschied habe der Vorsitzende des Gutachterausschusses auf eine unzureichend differenzierte Richtwertkartei zurückgeführt und die Einholung eines neuen Gutachtens beim Gutachterausschuß empfohlen.
Die Klägerin beantragte die Einholung eines entsprechenden Gutachtens durch das Gericht. Zur Begründung führte sie aus, der Bausachverständige habe seinem Gutachten auch unzutreffenderweise das Basisjahr 1969 zugrunde gelegt und die bis 1971 eingetretenen Preiserhöhungen auf dem Grundstücksmarkt nur mit jährlich 8 v.H. erfaßt. Tatsächlich seien die Grundstückspreise im Zeitraum von 1969 bis 1971 wesentlich stärker gestiegen.
Das FG wies die Klage zum überwiegenden Teil als unbegründet ab. Es schloß sich der Wertermittlung des FA für den streitigen Grundbesitz an und hielt eine erneute Befragung des Gutachterausschusses für entbehrlich. Es ging jedoch im Unterschied zum FA von einer veräußerten Grundstücksfläche von 21000 qm statt von 20000 qm und damit von um 100000 DM höheren betrieblich veranlaßten Anschaffungskosten aus. Das FG stellte fest, daß sich deswegen der Verlust der Klägerin um 100000 DM erhöhe und die Entnahmen sich um 25000 DM je Gesellschafter verringerten.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf Verfahrensmängel und unzutreffende Beweiswürdigung gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Dem FG ist ein Verfahrensfehler unterlaufen, indem es davon abgesehen hat, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob der mit dem Bodenordnungs- und Kaufvertrag vom 27. April 1971 vereinbarte Kaufpreis dem entsprach, was fremde Dritte miteinander vereinbart hätten.
Die Klägerin hatte die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Schriftsatz vom 9. März 1990 beantragt. Sie hat diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich wiederholt und Vertagung beantragt. Daher kann ihr nicht entgegengehalten werden, sie habe die Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme nicht gerügt.
Allerdings steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Dezember 1988 VII R 43/86, BFH/NV 1989, 475). Das Gericht darf indessen nicht entscheiden, ohne sich die nötige Sachkunde verschafft zu haben. Soweit es die nötige Sachkunde nicht selbst besitzt, muß es ein Sachverständigengutachten einholen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1976 VIII R 76/75, BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 471).
Im Streitfall hat das FG nicht angenommen, daß es die nötige Sachkunde besitze. Es hat sich vielmehr auf ein Gutachten des Bausachverständigen des FA F gestützt, das der Revisionsbeklagte im Laufe der Betriebsprüfung eingeholt hatte.
Diese Verfahrensweise verstieß gegen § 76 FGO.
Das Gutachten des FA F war nicht vom FG eingeholt worden. Es handelte sich mithin um ein Privatgutachten (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 51. Aufl., Übers. § 402 Rdnr.21), das als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 27. Mai 1982 III ZR 201/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 2874).
Das Privatgutachten darf jedoch nicht als Sachverständigenbeweis gewürdigt werden, wenn einer der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen seine Richtigkeit erhebt (BGH-Urteile vom 14. April 1981 VI ZR 264/79, Versicherungsrecht - VersR - 1981, 576; vom 19. Mai 1987 VI ZR 147/86, NJW 1987, 2300; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.). Es gelten demnach dieselben Grundsätze wie sie für die Verwertung von Feststellungen aus einem anderen Gerichtsverfahren Anwendung finden (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311, und vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841).
Die Klägerin hat bereits während der Betriebsprüfung der Richtigkeit des Gutachtens des Bausachverständigen widersprochen. Sie hat zwei eigene Privatgutachten vorgelegt. Außerdem hat sie sich auf die Kreditzusage der Z-Landesbank gestützt, die nach ihrem Vortrag auf einen Grundstückswert von 7,6 Mio. DM schließen ließ.
Im Schriftsatz vom 9. März 1990 hat sie insbesondere geltend gemacht, die vom Bausachverständigen benutzte Richtwertkartei des Y-Kreises sei unbrauchbar, da auch im gegenwärtigen Zeitpunkt um 400 v.H. höhere Kaufpreise für Grund und Boden erzielt würden, als die Kartei sie ausweise.
Der Schriftsatz vom 9. März 1990 ging zwar so spät ein, daß er dem Gericht praktisch erst am Tag der mündlichen Verhandlung vorlag. Das Vorbringen war jedoch nicht verspätet, zumal das FG keinerlei Fristen nach dem Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) gesetzt hatte. Es war auch nicht - wie das FG meint - unsubstantiiert. Das FG vermißt die Vorlage des Kaufvertrages, mit dem die fraglichen Grundstücke im Jahre 1989 für 23 Mio. DM veräußert worden sein sollen, sowie des mit dem Vorsitzenden des Gutachterausschusses geführten Schriftverkehrs oder entsprechender Gesprächsnotizen. Die Vorlage derartiger Urkunden geht jedoch über das Erfordernis der Substantiierung hinaus. Das FG durfte auch nicht den Schluß ziehen, es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß in der Richtsatzkartei nicht alle für den Streitfall maßgeblichen Kaufverträge enthalten gewesen seien. Gerade das war sinngemäß von der Klägerin vorgetragen worden. Als Substantiierung genügte der Hinweis auf die derzeitige Unrichtigkeit der Richtsatzkartei.
Zudem hatte die Klägerin schon zu Beginn des Prozesses die Auffassung vertreten, der Bausachverständige habe seinem Gutachten Verkäufe aus dem Jahre 1969 zugrunde gelegt und die Preissteigerung für die Zeit bis 1971 zu niedrig bemessen. Auch der Zuschlag für die Bebaubarkeit des Grundstücks mit Hochhäusern sei zu niedrig ausgefallen. Diese Einwendungen durfte das FG nicht mit der Begründung unbeachtet lassen, daß die Klägerin selbst weder die ihrer Ansicht nach zutreffende Preissteigerungsrate noch den richtigen Zuschlag angegeben habe. Als Substantiierung reichte es aus, wenn sich die Klägerin auf die beiden von ihr vorgelegten Privatgutachten, auf die Höhe des Kredits seitens der Z-Landesbank sowie auf die Verträge über den späteren Verkauf einiger Eigentumswohnungen berief. Dieses Vorbringen insgesamt hätte das FG veranlassen müssen, den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen durch das Gutachten eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen nachzugehen. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, daß das Statistische Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland nicht geeignet war, die vom Bausachverständigen gerade für das in Rede stehende Areal geschätzte Preissteigerung für die Jahre 1970 und 1971 zu bestätigen.
Angesichts dieser Umstände ist der Streitfall nicht zu vergleichen mit dem, der dem BFH-Urteil vom 11.Januar 1977 VII R 4/74 (BFHE 121, 152, BStBl II 1977, 310) zugrunde gelegen hat. In jenem Fall hatte es der BFH für ermessensgerecht gehalten, daß das FG sich mit einem Zeugnis der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) über die Beschaffenheit einer Warenprobe begnügt und kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hatte. Derartige Zeugnisse lassen im Gegensatz zu Verkehrswertgutachten keinen Spielraum für Schätzungen (z.B. von Wertsteigerungen gegenüber den zugrunde gelegten Vergleichsverkäufen, Zuschläge für Bebauung mit Hochhäusern), so daß Einwendungen naturgemäß nur dann als substantiiert angesehen werden können, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß dem Untersuchenden Fehler unterlaufen sind.
Die Klägerin hat auch vorgetragen, daß das beantragte Sachverständigengutachten zur Annahme eines höheren Wertes des streitigen Grundbesitzes geführt hätte. Sie hat hierzu die schriftliche Bestätigung des Vorsitzenden des Gutachterausschusses des Y-Kreises vorgelegt. Wie sich aus diesem Schreiben ergibt, trifft es entgegen der Auffassung des FG auch nicht zu, daß eine Korrektur der vom Bausachverständigen vorgenommenen Bewertung mangels sicherer Anhaltspunkte von vornherein ausscheidet. Allerdings wird die Verkehrswertermittlung aus Vergleichswerten bei unbebauten Grundstücken in der Regel die einzig plausible Möglichkeit darstellen (Vogels, Grundstücks- und Gebäudebewer- tung - marktgerecht -, 4. Aufl., S. 214). Voraussetzung ist jedoch, daß verläßliche Vergleichswerte zur Verfügung stehen. Der BFH hat bei der Bewertung von Grundbesitz nach dem Bewertungsgesetz (BewG) darauf hingewiesen, daß der gemeine Wert unbebauter Grundstücke (§ 9 i.V.m. § 17 Abs. 3 BewG) nicht nur durch den unmittelbaren Vergleich mit anderen Kaufpreisen oder auf der Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten), sondern in Ausnahmefällen auch durch Einzelgutachten ermittelt werden könne (BFH-Urteil vom 26. September 1980 III R 21/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Bewertungsgesetz 1965, § 9, Rechtsspruch 11). Im Schrifttum wird, wenn auch nur beiläufig, bei der Bewertung unbebauten Grundbesitzes eine Wertermittlung über den voraussichtlichen Ertrag für möglich gehalten (Stöckel, Bewertungsgesetz, § 72 Rdnr.14). Der Senat möchte jedenfalls für den Fall, daß wie hier die Angemessenheit des Kaufpreises anhand eines Fremdvergleichs überprüft werden soll, nicht von vornherein ausschließen, daß sich im Wege einer Rückrechnung aus den für möglich gehaltenen Verkaufspreisen für Eigentumswohnungen ein marktgerechter Kaufpreis für den Grund und Boden ableiten läßt.
Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß eine solche Kalkulationsmethode Unsicherheiten aufweist, die darin begründet sind, daß etwa die Gewinnmarge geschätzt werden muß. Sie kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Vergleichswertmethode - etwa wegen Fehlens einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen oder Fehlerhaftigkeit der Richtsatzsammlung - versagt. Zudem müssen die Verkaufspreise, von denen zurückgerechnet werden soll, in nachvollziehbarer Weise ermittelt worden sein.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitert die Behandlung eines möglicherweise gegebenen Überpreises als Entnahmen der Ehefrauen der Grundstücksveräußerer S, M und H nicht an den im BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 263/81 (BFHE 154, 129, BStBl II 1986, 359) aufgestellten Grundsätzen. In jenem Fall ging es um die Frage, ob Gesellschaftsanteile von Ehegatten zusammengerechnet werden dürfen, wenn die personelle Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu beurteilen ist. Sie hat mit der hier streitigen Frage, ob die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen von einem Fremdvergleich abhängig gemacht werden darf, nichts zu tun.
Kaufpreise in Verträgen zwischen nahen Angehörigen hat die Rechtsprechung schon immer einer Angemessenheitsprüfung unterzogen (z.B. BFH-Entscheidung vom 24. Oktober 1978 VIII R 172/75, BFHE 126, 282, BStBl II 1979, 135 zu einer Betriebsübertragung gegen wiederkehrende Bezüge). Der Senat hat im Urteil vom 18. Januar 1990 IV R 50/88 (BFH/NV 1990, 693) ausdrücklich entschieden, daß auch Kaufverträge zwischen Ehegatten einem Fremdvergleich zu unterziehen sind. Dasselbe muß für Kaufverträge zwischen einer KG und den Ehegatten der Gesellschafter gelten.
b) Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß der Antrag der Klägerin, die im angefochtenen Bescheid aufgeführten Entnahmen herabzusetzen, ohne den vom FA festgestellten Gewinn zu ändern, keinen Erfolg haben kann. Allerdings hat der BFH mehrfach ausgesprochen, daß auch Entnahmen und Einlagen einheitlich und gesondert festgestellt werden können (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1955 IV 442/54 U, BFHE 62, 180, BStBl III 1956, 67; vom 29. Mai 1956 I 299/55, BFHE 62, 504, BStBl III 1956, 188; vom 16. Januar 1958 IV 246/56 U, BFHE 67, 141, BStBl III 1958, 327). Es handelte sich hierbei jedoch durchweg um Fälle, in denen die Feststellung der Einlagen und Entnahmen Bedeutung für die Steuerfestsetzung hatte - etwa wegen der Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns. Haben jedoch die Entnahmen keinen Einfluß auf die Höhe des Gewinns oder die individuelle Steuer der Feststellungsbeteiligten, so sind sie nicht in die Gewinnfeststellung aufzunehmen. Nach § 179 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) werden in Feststellungsbescheiden die ,,Besteuerungsgrundlagen" festgestellt. Das sind nach der Definition in § 199 Abs. 1 AO 1977 die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer maßgeblich sind.
Im Streitfall spricht vieles dafür, daß die Annahme des FA, die Anschaffungskosten für den von der Vierergruppe erworbenen Grundbesitz seien in Höhe von 4 Mio. DM nicht anzuerkennen und die entsprechenden Beträge als Entnahmen der Gesellschafter zu behandeln, im Streitjahr nicht zu einer steuerlichen Auswirkung führte. Denn die Anschaffungskosten waren nach § 247 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu aktivieren, wirkten sich demnach zunächst nicht als Betriebsausgabe aus. Deshalb ist es auch nicht zutreffend, wenn das FG aufgrund des von ihm festgestellten höheren Kaufpreises den Verlust der Klägerin um 100000 DM erhöht hat.
Sollte sich im zweiten Rechtszug herausstellen, daß die Streitfrage, ob die anläßlich des streitigen Grunderwerbs begründete Verbindlichkeit in voller Höhe betrieblich veranlaßt war, auch sonst im Streitjahr keinen Einfluß auf den Gewinn der Klägerin oder die Einkommensteuer ihrer Gesellschafter hat, wäre die Klage nur mit dem Antrag zulässig, die in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Feststellungen der Entnahmen und Einlagen zu streichen, um klarzustellen, daß mangels einer Gewinnauswirkung auch keine Bindung an die entsprechenden Bilanzpositionen eintritt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1966 I 84/63, BFHE 85, 161, BStBl III 1966, 270). Eine solche Bindung träte vielmehr nur dann ein, wenn die vom Steuerpflichtigen für richtig gehaltene bilanzielle Behandlung eine Änderung des Gewinnfeststellungs- oder Steuerbescheides ermöglichen würde - und sei es auch eine Änderung, die sich im Streitjahr zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Tz.13; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr.1401/3, jeweils m.w.N.). Demgemäß wäre bei Fehlen einer gewinnmäßigen oder steuerlichen Auswirkung im Streitjahr über die Frage der Angemessenheit der Anschaffungskosten erst in dem Jahr zu entscheiden, in dem eine solche Auswirkung eintritt - bei unbebauten Grundstücken demnach regelmäßig erst im Jahr der Veräußerung. Auch das wäre nur dann der Fall, wenn das FG nicht zu dem Schluß kommen sollte, daß es sich bei dem Kaufvertrag vom 27. April 1971 nicht um ein Scheingeschäft oder einen Mißbrauch von Gestaltungsrechten gehandelt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 419075 |
BFH/NV 1993, 739 |