Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Steuerberaterprüfung - Dozenten an der Bundesfinanzakademie
Leitsatz (NV)
Die Regelung über die Befreiung von der Steuerberaterprüfung für Professoren an wissenschaftlichen Hochschulen oder Fachhochschulen (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) findet auf Dozenten der Bundesfinanzakademie in Siegburg keine Anwendung.
Normenkette
StBerG § 38 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger, ein ehemaliger Dozent an der Bundesfinanzakademie in Siegburg, beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (. . . Minister der Finanzen - MdF -) die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Zur Begründung trug er vor, er erfülle die Voraussetzungen dieser Vorschrift, weil die Tätigkeit als Dozent an der Bundesfinanzakademie jedenfalls der eines Professors an einer Fachhochschule gleichzustellen sei.
Der Zulassungsausschuß für Steuerberater beim MdF lehnte den Antrag ab.
Die gegen den ablehnenden Bescheid erhobene Klage des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der Kläger erfülle nicht die Tatbestandsmerkmale des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Während seiner Tätigkeit an der Bundesfinanzakademie habe er weder den Status eines Professors gehabt noch an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule gelehrt. Der Wortlaut der Vorschrift lasse eine erweiternde Auslegung nicht zu. Diese verbiete sich auch deshalb, weil es sich bei den Vorschriften über die prüfungsfreie Zulassung zum Beruf des Steuerberaters um Ausnahmevorschriften handele, die einer extensiven Auslegung nicht zugängig seien.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Er macht geltend, die Bundesfinanzakademie sei zumindest einer Fachhochschule gleichzustellen. Das ergebe sich aus der verfassungskonformen erweiternden Auslegung des Gesetzes, jedenfalls aber aus der hier gebotenen entsprechenden Anwendung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Die Auffassung des FG, daß eine sinngemäße Anwendung der Befreiungsvorschrift nicht auf Dozenten verwaltungsinterner Aus- und Fortbildungsstätten möglich sei, stimme zwar mit dem Willen des Gesetzgebers im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StBerG überein. Dieser geschichtliche Wille könne aber heute nicht mehr für eine Entscheidung herangezogen werden, da sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten.
Nach dem Inkrafttreten des StBerG seien in Hamburg, Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen die Ausbildungsstätten für den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung in Fachhochschulen umgewandelt und den dort Lehrenden sei der Professorentitel verliehen worden. Ebenso sei die Ausbildungsstätte für Zollinspektoren in Sigmaringen als Fachhochschule aus dem Bundesministerium der Finanzen ausgegliedert worden. Die Planstellen der dortigen Dozenten, die ebenfalls den Professorentitel führten, würden weiterhin beim Bundesminister für Finanzen (BMF) als H- bzw. C-Stellen geführt. Da der Gesetzgeber damit den durch § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG begünstigten Personenkreis erweitert habe, sei es geboten, auch die mit der Aus- und Fortbildung der Steuerbeamten des höheren Dienstes betrauten Dozenten der Bundesfinanzakademie in die Begünstigungsvorschrift einzubeziehen.
Wenn der entsprechende Organisationsakt der Ausgliederung der Bundesfinanzakademie aus dem Ressort des BMF bisher aus übergeordneten Gesichtspunkten (Besoldungsrecht, ministerielle Informationen und Kontakte) unterblieben sei, könne das nicht zur Versagung der von ihm, dem Kläger, begehrten Befreiung von der Steuerberaterprüfung führen. Denn das Tätigkeitsfeld der Bundesfinanzakademie sei mindestens ebenso anspruchsvoll wie das einer Fachhochschule und der von ihm geführte Titel ,,Dozent an der Bundesfinanzakademie" dem eines Professors gleichwertig.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheids den MdF zu verpflichten, ihn von der Steuerberaterprüfung zu befreien.
Der MdF beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, der Wortlaut des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG lasse eine Anwendung der Befreiungsvorschrift auf den Fall des Klägers nicht zu. Denn die Bundesfinanzakademie sei als verwaltungsinterne, beim BMF ressortierende Einrichtung des Bundes mangels entsprechender Rechtsgrundlagen keine wissenschaftliche Hochschule oder Fachhochschule, und der Kläger sei nicht Professor gewesen.
Der dem Verfahren beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt. Er schließt sich der Rechtsauffassung des MdF an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung.
1. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG sind von der Steuerberaterprüfung zu befreien Professoren, die an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule mindestens fünf Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens gelehrt haben. Die gegenwärtige Fassung dieser Befreiungsvorschrift beruht auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes 1961 i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401), wodurch der früher für ,,Hochschullehrer, die auf dem Gebiet des Steuerrechts lehren oder gelehrt haben" geltende Befreiungstatbestand (vgl. Steuerberatungsgesetz vom 16. August 1961, BGBl I 1961, 1301) personell eingeengt wurde (vgl. Mittelsteiner/Gehre, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., § 38 Anm. 2). Mit der Neufassung sollte dem damaligen Stand der Entwicklung im Bildungsbereich Rechnung getragen und eine eindeutige Abgrenzung des begünstigten Personenkreises erreicht werden (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks VI/3456 S. 5).
Bereits für die frühere Fassung des Gesetzes wurde die Auffassung vertreten, daß von der Steuerberaterprüfung nur die Hochschullehrer im engeren Sinne, d. h. die Professoren (ordentliche, außerordentliche, außerplanmäßige und Honorar-Professoren) und die Privatdozenten - nicht aber die Lehrbeauftragten - befreit werden könnten (Urteil des FG München vom 15. Juli 1971 IV 42/71, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1971, 617; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. Januar 1974 1 BvR 183/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1974, 170). Die Neufassung der Befreiungsvorschrift erfaßt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur solche Hochschullehrer, die zu Professoren ernannt (berufen oder bestellt) worden sind und die an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule gelehrt haben. Nach den mit der Revision nicht angefochtenen Feststellungen des FG ist der Kläger als Dozent an der Bundesfinanzakademie nicht zum Professor ernannt worden. Er hat auch nicht an einer wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule gelehrt, so daß der von ihm in Anspruch genommene Befreiungstatbestand nicht gegeben ist.
Was als wissenschaftliche Hochschule oder Fachhochschule anzusehen ist, bestimmt sich nach den Hochschul- (Universitäts-) und Fachhochschulgesetzen, für die die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt (Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -); der Bund hat das Recht, über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens Rahmenvorschriften zu erlassen (Art. 75 Nr. 1 Buchst. a GG; zum Begriff der Hochschulen vgl. §§ 1, 2 Abs. 8 des Hochschulrahmengesetzes - HRG -). Danach sind alle Hochschulen - auch die Fachhochschulen - Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen. Sie haben das Recht zur Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze (vgl. z. B. § 58 Abs. 1 HRG, § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 und 2 des Hessischen Hochschulgesetzes vom 6. Juni 1978, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen - GVBl HE - I 1978, 319).
Nach § 73 Abs. 2 HRG können zwar für Hochschulen, deren Ausbildungsgänge ausschließlich auf den öffentlichen Dienst ausgerichtet sind, von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende - landesrechtliche - Regelungen getroffen werden, soweit die besondere Struktur und Aufgabenstellung dieser Hochschulen es erfordert. Die für derartige Ausbildungsgänge eingerichteten Fachhochschulen der Verwaltung sind aber ebenfalls als besondere staatliche Einrichtungen - nichtrechtsfähige Körperschaften oder Anstalten -, denen in bestimmtem Umfang Satzungsrecht eingeräumt worden ist, mit einer gewissen organisatorischen Selbständigkeit ausgestattet (vgl. § 1 Abs. 1, § 6 des Hessischen Gesetzes über die Fachhochschulausbildung für Verwaltung und Rechtspflege vom 12. Juni 1979, GVBl HE I 1979, 95, 97; § 2 des Gesetzes über die Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 1984, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - 1984, 303, und § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Vorläufigen Erlasses über die Errichtung einer Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - zu der die vom Kläger erwähnte Ausbildungsstätte für Zollinspektoren in Sigmaringen als Fachbereich Finanzen gehört -, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - O 3005-1, O 3005-2 und O 3005-3).
Mit diesen Hochschulen und Fachhochschulen ist die Bundesfinanzakademie nicht zu vergleichen. Sie ist eine aufgrund eines Bund-Länder-Abkommens gegründete verwaltungsinterne Einrichtung des Bundes, die beim BMF ressortiert, keine organisatorische Selbständigkeit besitzt und der Ausbildung (ergänzenden Studien) sowie der Fortbildung der Beamten des höheren Dienstes der Steuerverwaltungen der Länder dient (vgl. § 7 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes i.d.F. vom 14. September 1976, BGBl I 1976, 2793, BStBl I 1976, 510). Die Bundesfinanzakademie ist damit keine Einrichtung, die auf hochschulrechtlichen Regelungen beruht, an die die Befreiungsvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG anknüpft. Die an ihr lehrenden Dozenten sind, wie der BMF in seiner Stellungnahme ausführt, Beamte dieses Ministeriums. Daraus folgt, daß sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der historischen Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift der Kläger nicht von der Steuerberaterprüfung befreit werden kann.
2. Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, daß im Wege erweiternder Auslegung oder sinngemäßer Anwendung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG die Befreiungsvorschrift auf ihn angewendet werden müsse. Der Wortsinn der Vorschrift, der als Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung zugleich deren Grenze bestimmt (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., 1983, S. 329), läßt - wie vorstehend ausgeführt - eine Auslegung in dem vom Kläger vertretenen Sinne nicht zu. Das FG hat ferner zutreffend ausgeführt, daß die Regelungen über die Befreiung von der Steuerberaterprüfung (§ 38 StBerG) Ausnahmevorschriften für einen von vornherein begrenzten Personenkreis darstellen (vgl. Beschluß des BVerfG vom 18. November 1980 1 BvR 228/73, 1 BvR 311/73, BStBl II 1981, 235, 239), die grundsätzlich nicht extensiv ausgelegt werden dürfen. Es ist auch weder eine von den Vorstellungen und dem Willen des historischen Gesetzgebers abweichende Normsituation noch eine Gesetzeslücke ersichtlich, die eine erweiternde Auslegung oder eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift geboten erscheinen ließen.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf die zwischenzeitlich eingetretene Entwicklung im Bildungsbereich, nach der in mehreren Bundesländern bisher verwaltungsintern geführte Ausbildungsstätten für den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung in Fachhochschulen umgewandelt worden sind und den dortigen Dozenten der Titel und die Rechtsstellung von Professoren verliehen worden ist. Wenn hierdurch der von der Steuerberaterprüfung zu befreiende Personenkreis erweitert worden ist, so handelt es sich um eine Entwicklung, die der Gesetzgeber voraussehen konnte. Denn er hat jedenfalls seit 1972 die Professoren an Fachhochschulen in die Befreiungsvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ausdrücklich einbezogen. Die künftige Ausbildung der Beamten des gehobenen Dienstes an Fachhochschulen (vgl. § 4 Abs. 3 des Steuerbeamtenausbildungsgesetzes i.d.F. seit 1976) war im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Neufassung bereits in der Diskussion. Daraus folgt aber nicht, daß im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Notwendigkeit einer Gleichstellung der Dozenten der Bundesfinanzakademie mit den Professoren an Fachhochschulen, diese ebenfalls von der Steuerberaterprüfung freizustellen sind.
Der Kläger hat seine dahingehende Ansicht mit der fachlichen und wissenschaftlichen Qualifikation der Dozenten der Bundesfinanzakademie begründet, die, wie er meint, der Qualifikation der Fachhochschul-Professoren mindestens gleichstehe. Der Senat zieht die Qualifikation der Dozenten an der Bundesfinanzakademie nicht in Zweifel. Er ist aber der Auffassung, daß es bei der Befreiungsvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG auf die fachliche und wissenschaftliche Qualifikation nicht entscheidend ankommt. Das Gesetz stellt vielmehr, wie der BMF in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt, in dieser Vorschrift auf formale berufliche Kategorien - Professor an einer wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule - ab. Dabei muß sich der Gesetzgeber bewußt gewesen sein, daß auch die fünfjährige Ausübung sonstiger Lehrtätigkeiten höheren Niveaus auf dem Gebiet des Steuerwesens - so die der Dozenten an der Bundesfinanzakademie - von der fachlichen Qualifikation her die Befreiung von der Steuerberaterprüfung hätte rechtfertigen können. Er hat aber in bewußter Typisierung die Begünstigung nur auf bestimmte Berufsträger beschränkt.
Daß es sich bei § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG um eine allein auf Professoren abgestellte Sonderregelung handelt, ergibt sich daraus, daß deren Befreiung von der Steuerberaterprüfung nur eine fünfjährige Lehrtätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens voraussetzt, während die für ehemalige Finanzrichter und ehemalige Beamte und Angestellte des höheren Dienstes geltenden Befreiungsvorschriften (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StBerG) eine mindestens zehnjährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens verlangen. Bei einer allein auf die fachliche Qualifikation abstellenden Betrachtungsweise erscheint zumindest zweifelhaft, ob die unterschiedliche Mindestdauer der für die Prüfungsfreistellung vorausgesetzten fachbezogenen Berufstätigkeiten gerechtfertigt wäre.
3. Die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG kann auch von ihrem Sinn und Zweck her auf die Dozenten der Bundesfinanzakademie keine Anwendung finden. Im Gegensatz zu den Befreiungsregelungen, die für ,,ehemalige" Finanzrichter und ,,ehemalige" Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung und bestimmter anderer Körperschaften und Behörden gelten (§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 StBerG), setzt die für Professoren geltende Vorschrift nicht voraus, daß diese im Zeitpunkt der Befreiung von der Prüfung ihre Lehrtätigkeit eingestellt haben und aus ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Hochschule ausgeschieden sind (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 2 StBerG; Meggendorfer in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 38 StBerG, Kommentar, B 444; Charlier/Peter, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 38 Anm. 4). Das ergibt sich daraus, daß in § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG - anders als in den nachfolgenden Ziffern - den von der Prüfung zu befreienden Professoren das Attribut ,,ehemalige" nicht beigefügt ist und die Regelung in § 38 Abs. 2 Satz 2 StBerG - Erfordernis des Ausscheidens aus dem Dienst - sich nicht auf § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erstreckt. Die Professoren müssen zwar mindestens fünf Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens ,,gelehrt haben". Diese Lehrtätigkeit muß aber im Zeitpunkt der Befreiung von der Prüfung nicht beendet sein. Das folgt auch aus der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 StBerG i.d.F. von 1961 (,,. . . lehren und gelehrt haben"), die insoweit durch die Neufassung aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Jahre 1972 keine inhaltliche Veränderung erfahren sollte. Ferner ist nach § 57 Abs. 3 Nr. 4 StBerG die Tätigkeit eines Lehrers an wissenschaftlichen Hochschulen und Instituten sowie Fachhochschulen mit dem Beruf eines Steuerberaters vereinbar. Daraus folgt, wie der dem Verfahren beigetretene BMF zu Recht ausführt, daß die Befreiungsvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 (i.V.m. § 57 Abs. 3 Nr. 4) StBerG zumindest auch den Zweck verfolgt, den dort genannten Professoren im Interesse von Forschung und Lehre zu ermöglichen, mit der steuerberatenden Tätigkeit praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerwesens zu sammeln.
Dieser Zweck des Gesetzes schließt die Anwendung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG auf die Dozenten der Bundesfinanzakademie aus. Im Falle einer Anwendung der Vorschrift könnte zudem, wie oben ausgeführt, die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nicht auf die Dozenten beschränkt werden, die - wie der Kläger - aus dem Dienst der Bundesfinanzverwaltung ausgeschieden sind. Eine Befreiung der noch an der Bundesfinanzakademie lehrenden Dozenten von der Prüfung wäre aber sinnlos, weil diese neben ihrer Tätigkeit als Bundesbeamte den Beruf des Steuerberaters nicht ausüben dürften (vgl. §§ 57 bis 59 StBerG, § 65 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -). Die Ausübung des Berufs des Steuerberaters neben dem eines Beamten beim BMF wäre sowohl mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unbefangenheit des Beamten (§ 52 Abs. 1, § 65 Abs. 2 BBG) als auch mit der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 StBerG) unvereinbar. Eine besondere Behandlung der aus dem Staatsdienst ausgeschiedenen ehemaligen Dozenten an der Bundesfinanzakademie läßt § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nach dem oben dargelegten Gesetzesverständnis nicht zu.
4. Die vorstehende Auslegung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Durch die Vorschrift wird der Zugang zum Beruf des Steuerberaters für ehemalige Dozenten an der Bundesfinanzakademie nicht unter Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. Auch eine Verletzung des Grundrechts der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Das Gesetz geht davon aus, daß im Regelfall die Befähigung zur Ausübung des Steuerberaterberufs durch die Steuerberaterprüfung nachgewiesen wird (§ 35 Abs. 1 StBerG). Diese Prüfung steht ebenso wie anderen Bewerbern auch dem Kläger offen, da er die Zulassungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erfüllt. Darüber hinaus können ehemalige Dozenten an der Bundesfinanzakademie als frühere Beamte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung ihre Bestellung zum Steuerberater über die Ausnahmeregelung der Befreiung von der Prüfung erwirken, wenn sie mindestens 10 Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder mindestens in vergleichbarer Stellung - wozu ihre Lehrtätigkeit zweifelsfrei zählt - tätig gewesen sind (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StBerG). Der Kläger kann diese Begünstigung allerdings nicht in Anspruch nehmen, weil er die für die Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens vorgeschriebene Mindestzeitdauer nicht erfüllt. Der Gesetzgeber handelte bei der Statuierung der Zehnjahresfrist in § 38 Abs. 1 Nr. 3 StBerG ebenso wie bei der Mindesttätigkeitsdauer von 15 Jahren in Nr. 4 dieser Vorschrift in Ausübung der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit. Wie das BVerfG in BStBl II 1981, 235, 239, 240 entschieden hat, war er hierbei im Hinblick auf den Ausnahmecharakter dieser Regelungen weder an die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG gebunden noch hat er damit den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Daß für die an eine kürzere Mindestdauer der Lehrtätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens gebundene Befreiung von der Steuerberaterprüfung für Professoren gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG andere gesetzgeberische Zielvorstellungen zumindest mitgespielt haben, wurde bereits ausgeführt. Da sich die Dozenten an der Bundesfinanzakademie sowohl nach ihrer dienstrechtlichen Stellung als auch nach der Rechtsstellung und Organisation der Bildungseinrichtung, an der sie lehren, von den in § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG genannten Professoren an wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen unterscheiden, verstößt ihr Ausschluß von der vorgenannten Befreiungsvorschrift nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Fundstellen
Haufe-Index 414840 |
BFH/NV 1987, 125 |