Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei §17 EStG
Leitsatz (NV)
Fällt der Gesellschafter einer GmbH mit einem vor der Krise der Gesellschaft gewährten Darlehen aus, das er in der Krise stehenließ, obwohl er es hätte abziehen können, sind die Anschaffungskosten der Beteiligung um den Wert des Darlehens zu erhöhen, den es im Zeitpunkt des Eintritts der Krise hatte.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1-2, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1985 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Sprengmeister selbständig gewerblich tätig. Außerdem war er beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH (Stammkapial 50 000 DM). Gegenstand des Unternehmens der GmbH war die Durchführung von Bohr- und Sprengarbeiten sowie pyrotechnischen Arbeiten.
Der Kläger hatte der GmbH 1982 ein mit 10 v. H. verzinsliches und jährlich mit 6 000 DM zu tilgendes Darlehen in Höhe von 39 862 DM gewährt, das er der GmbH in zwei Raten von 34 862 DM (im Dezember 1982) und von 5 000 DM (im September 1983) ausbezahlt hat. In der Bilanz seines Einzelunternehmens zum 31. Dezember 1982 hat er weder das Darlehen noch die Beteiligung an der GmbH ausgewiesen. Nach seinem Vortrag ist dies versehentlich unterblieben; er holte den Ausweis deshalb in der Bilanz zum 31. Dezember 1983 nach.
Im Juli 1985 wurde die GmbH von Amts wegen aufgelöst (§60 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --; §144 a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Der Kläger buchte deshalb sowohl die Beteiligung an der GmbH (Buchwert 49 500 DM) als auch das Darlehen (in Höhe von 39 862 DM) und die rückständigen Zinsen (in Höhe von 1 153,15 DM) gewinnmindernd aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) vertrat demgegenüber die Ansicht, daß die Beteiligung an der GmbH zum Privatvermögen des Klägers gehört habe und berücksichtigte deshalb zwar gemäß §17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Verlust der Beteiligung, nicht aber den Verlust des Darlehens und der Zinsen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts (§76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; §17 Abs. 2 und Abs. 4 EStG).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob dem Kläger im Zusammenhang mit der Auflösung der GmbH nachträgliche Anschaffungskosten aus dem Verlust der Darlehen entstanden sind (§17 Abs. 2 EStG) und 1985 zu einem Auflösungsverlust geführt haben.
1. Nach §17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162, und vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, BFH/NV 1994, 459).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung der GmbH von Amts wegen (§60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) im Juli 1985 erfüllt.
2. Die Entstehung eines 1985 nach §17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt weiter voraus, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des §17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (BFH-Urteile in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom 3. Juni 1993 VIII R 46/91, BFH/NV 1994, 364, und in BFH/NV 1994, 459). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die die Höhe des Verlustes bestimmenden Umstände standen bereits im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH fest. Der Kläger fiel mit seinem Darlehen aus. Es kommt deshalb für die Entscheidung im Streitfall ausschließlich darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe der Ausfall der Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führte.
3. Die Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Beurteilung der Frage nach Grund und Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung nicht aus.
a) Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören -- wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340, und in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162) -- auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Unter diesen Umständen zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen (vgl. dazu die Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340).
b) Ein Darlehen ist durch das Gesellschaftsverhältnis u. a. dann veranlaßt, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn die Konkursreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, daß ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Der Senat hat dies -- im Anschluß an die zu kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -- BGH -- (zu dieser u. a. Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., §32 a/b Rdnrn. 7 f., 21 f., m. w. N., und BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333 unter 2. b aa der Gründe; aus neuerer Zeit vgl. u. a. BGH-Urteile vom 28. November 1994 II ZR 77/93, Betriebs- Berater -- BB -- 1995, 60; vom 6. Februar 1995 II ZR 41/94, GmbH-Rundschau 1995, 381; vom 4. Dezember 1995 II ZR 281/94, BB 1996, 1185; vom 15. Februar 1996 IX ZR 245/94, BB 1996, 708) -- hinsichtlich des Umqualifizierungsgrundes der Kreditunwürdigkeit danach beurteilt, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte (BFH-Urteile in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 unter 3. der Gründe; vom 16. April 1991 VIII R 224/85, BFH/NV 1992, 94 unter 3. b der Gründe; vom 18. August 1992 VIII R 13/90, BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34; vom 18. August 1992 VIII R 90/89, BFH/NV 1993, 158; in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333). Hinsichtlich des Umqualifizierungsgrundes der Konkursreife -- Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit -- gelten ebenfalls die im Zivilrecht hierfür entwickelten Grundsätze (zu diesen u. a. BGH-Urteil in BB 1996, 1185).
Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gilt, gilt auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehenläßt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, daß die Rückzahlung gefährdet sein wird (BFH-Urteile in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333 unter 2. b aa der Gründe; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; in BFH/NV 1994, 459, und in BFH/NV 1994, 364).
Maßgeblich für die Höhe der Anschaffungskosten ist im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise dessen Nennwert (BFH-Urteile in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; in BFH/NV 1992, 94; in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, und in BFH/NV 1993, 158), im Falle eines stehengelassenen Darlehens grundsätzlich der Wert in dem Zeitpunkt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht (vgl. -- für den Fall eines als verdeckte Einlage zu behandelnden Darlehensverzichtes -- BFH-Urteil in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 unter 1. c und d der Gründe, m. w. N., und Beschluß vom 27. Juli 1994 I R 23/93, I R 58/93, I R 103/93, BFHE 175, 264, BStBl II 1995, 27 unter II. 2. c der Gründe, m. w. N.; Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 8. Oktober 1990 S 2244 A -- St 11 H --, Der Betrieb -- DB -- 1990, 2298, und -- für den Fall des schlichten Stehenlassens eines Darlehens -- BFH- Urteil in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333 unter 2. b der Gründe; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen in BStBl I 1994, 257). Diese Beurteilung beruht auf der Erwägung, daß Wertverluste bis zu diesem Zeitpunkt die Privatsphäre des Gesellschafters belasten.
c) Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, kann verzichtet werden, wenn der Gesellschafter schon in einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern zu erkennen gegeben hat, daß er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde (BFH-Urteil in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333 unter 2. b aa der Gründe). Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht auch Gesellschafter ist, mit Rücksicht auf das ihm bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs regelmäßig zustehende außerordentliche Kündigungsrecht im allgemeinen nicht bereit (zur Kündigungsmöglichkeit in entsprechender Anwendung der §§609 Abs. 2, 610, 626, 554 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs; vgl. u. a. Staudinger/Hopt- Mülbert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., §609 Rdnrn. 34 f.; Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., §610 Rdnrn. 13, 15; Lutter/Hommelhoff, a.a.O., §§32 a/b Rdnr. 47, m. w. N.). Dementsprechend geht auch der BGH davon aus, daß Darlehen oder andere Finanzierungsmaßnahmen stets als kapitalersetzend anzusehen sind, wenn sie von vornherein (auch) als Krisenfinanzierung angelegt sind (vgl. u. a. BGH-Urteile vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, DB 1987, 159; vom 21. März 1988 II ZR 238/87, BGHZ 104, 33 f., 38, m. w. N., und vom 9. März 1992 II ZR 168/91, DB 1992, 981). Zu diesen Finanzierungsmaßnahmen zählen z. B. die Gewährung einer Bürgschaft für den Fall einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft (BGH-Urteil vom 18. November 1991 II ZR 258/90, DB 1992, 366; BFH-Urteil in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340), ein Garantieversprechen (BFH-Urteil in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340) oder eine Erklärung der Gesellschafter, daß die Darlehensforderung im Range hinter die Forderungen der übrigen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten solle (BFH-Urteil in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; zum Rangrücktritt allgemein BFH-Urteil vom 30. März 1993 IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502, m. w. N.).
Die nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung sind im Falle des Verlustes eines in dieser Weise krisenbestimmten Darlehens mit dessen Nennwert anzusetzen (vgl. dazu das Senatsurteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402).
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Es hat den im Urteil des Senats in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333 (dort unter 2. b aa der Gründe) enthaltenen Satz, daß "im allgemeinen vom Nennwert auszugehen sei, wenn der Gesellschafter über die Entwicklung des Unternehmens unterrichtet sei (vgl. oben) und von vornherein keine Anzeichen dafür sprächen, daß er beabsichtige, das Darlehen abzuziehen" auf alle in der Krise stehengelassenen Gesellschafterdarlehen bezogen. Der Satz ist jedoch im Zusammenhang mit den vorausgehenden Ausführungen zu lesen und bezieht sich nur auf Darlehen, die von vornherein auf eine Krisenfinanzierung hin angelegt waren oder von denen das aufgrund der besonderen Umstände des Falles anzunehmen war. Die Entscheidung des FG war deshalb aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht selbst in der Sache entscheiden. Die Feststellung des FG, das Unternehmen der GmbH sei erst 1985 in die Krise geraten, läßt sich anhand des mitgeteilten Sachverhalts nicht nachvollziehen. Sollte die Krise erst kurz vor Beginn des Liquidationsverfahrens eingetreten sein, wären angesichts des Ausgangs dieses Verfahrens die Darlehensforderungen mit 0 DM zu bewerten und die Klage abzuweisen. Ist die Krise früher eingetreten, muß der Wert des Darlehens in diesem Zeitpunkt geschätzt werden. Es ist Aufgabe des FG, die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen. Zu diesem Zweck ist die Sache an das FG zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 67525 |
BFH/NV 1998, 1076 |
HFR 1998, 822 |