Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für Pensions- und Tantiemeverpflichtungen
Leitsatz (NV)
Für Pensions- und Tantiemenverpflichtungen gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft auf Aktien kann auch dann keine Rückstellung gebildet werden, wenn diese Gesellschafter im Innenverhältnis Angestellte der Gesellschaft sind. An der Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides, der diese Rückstellung verwehrt, gibt es keine ernstlichen Zweifel.
Normenkette
BewG § 103 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin, eine KG, hatte seit ihrer Umwandlung aus einer AG in den Jahren 1971 bis 1981 die Rechtsform einer KGaA. Die früheren Vorstandsmitglieder der AG waren 1971 persönlich haftende Gesellschafter der KGaA geworden, durften sich aber nicht mit einer Vermögenseinlage an der Gesellschaft beteiligen. Eine weitere persönlich haftende Gesellschafterin war umgekehrt mit einer Vermögenseinlage beteiligt, jedoch von der Geschäftsführung ausgeschlossen.
Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1979, 1980 und 1981 erkannte das beklagte FA Rückstellungen für Pensions- und Tantiemeverpflichtungen gegenüber den geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschaftern der damaligen KGaA sowie Rückstellungen für Jahresabschlüsse nicht an; außerdem verweigerte es die Schachtelvergünstigung des § 102 Abs. 1 BewG insoweit, als die von der Geschäftsführung ausgeschlossene persönlich haftende Gesellschafterin mit Vermögenseinlage an dem Betriebsvermögen beteiligt war.
Die Klagen gegen diese Veranlagungen sind beim FG anhängig.
2. Den Antrag der Klägerin, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide hinsichtlich der vorgenannten Streitpunkte auszusetzen, lehnte das FA ab. Der Beschwerde gab die OFD insoweit statt, als die Rückstellungen für die Jahresabschlußkosten streitig sind.
Die Klage wies das FG ab (EFG 1984, 443).
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des Urteils des FG das FA zu verpflichten, die Vollziehung der Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1979, auf den 1. Januar 1980 und auf den 1. Januar 1981 in Höhe der streitigen Pensions- und Tantieme-Rückstellungen auszusetzen, hilfsweise, die Vollziehung der Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1979, auf den 1. Januar 1980 und auf den 1. Januar 1981 in Höhe des Teils der streitigen Pensions- und Tantieme-Rückstellungen, der auf den kapitalistischen Anteil der Klägerin entfällt, auszusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Nach Ansicht des FG gibt es keine ernsthaften Zweifel i. S. des § 361 Abs. 2 AO 1977 an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einheitswertbescheide. Diese Entscheidung läßt keine Rechtsfehler erkennen.
1. Grundsätzlich können bei der Bewertung des Betriebsvermögens einer KGaA keine Rückstellungen für künftig zu erwartende Pensions- und Tantiemeansprüche der persönlich haftenden Gesellschafter gebildet werden, weil keine Betriebsschulden i. S. des § 103 Abs. 1 BewG vorliegen; denn diese Pensions- und Tantiemeverpflichtungen haben ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis und nicht im Betrieb des Unternehmens.
Die Klägerin sieht die Besonderheit des vorliegenden Falles darin, daß hier die geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter nach ihrem Vortrag im Innenverhältnis eine Stellung hatten, die derjenigen von Vorstandsmitgliedern einer AG vergleichbar war. Sie seien durch - auf fünf Jahre befristete - Verträge angestellt worden und hätten als persönlich haftende Gesellschafter ausscheiden müssen, falls die Verträge vom Aufsichtsrat nicht verlängert worden wären. Am Vermögen und am Gewinn der Gesellschaft seien sie nicht beteiligt gewesen und im Innenverhältnis von jeglicher Haftung freigestellt worden. Auch ihr Stimmrecht sei nur symbolisch gewesen. Gegenüber den . . . Stimmen der nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafterin hätten sie nur . . . Stimmen gehabt.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Berufsgenossenschaft hätten die geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter nach Kenntnis der vorgenannten Umstände als Arbeitnehmer der Gesellschaft angesehen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete gleiches für das Bewertungsrecht. Demnach müßten hier die Rücklagen so behandelt werden, als seien sie für zu erwartende Verbindlichkeiten gegenüber angestellten Vorstandsmitgliedern einer AG gebildet worden. Damit seien sie Betriebsschulden i. S. des § 103 Abs. 1 BewG.
Dieser Ansicht der Klägerin schließt sich der Senat nicht an.
§ 103 Abs. 1 BewG gebietet zwar ausdrücklich insofern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, als die betreffende Schuld in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs stehen muß. Eine rechtliche Verknüpfung ist demnach nicht erforderlich. Voraussetzung ist jedoch, daß sie überhaupt in einem Zusammenhang mit dem Betrieb steht. Das ist aber bei einer Schuld, die ihren Ursprung im Gesellschaftsverhältnis hat, nicht möglich. Die Frage wiederum, ob eine Schuld im Gesellschaftsverhältnis entstanden ist, läßt sich nur nach rechtlichen Gesichtspunkten beantworten. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind hier unbrauchbar; denn das Gesellschaftsrecht stellt nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit eine Fülle von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, durch welche die verschiedenartigsten wirtschaftlichen Tatbestände abgedeckt werden. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis der Alleinherrscher der Gesellschaft sein; er kann aber auch lediglich die Stellung eines Arbeitnehmers haben. Das ändert nichts an seiner Gesellschaftereigenschaft, solange der Gesellschaftsvertrag ernsthaft gewollt ist. Wirtschaftliche Gesichtspunkte würden unzulässig die Grenzen zwischen betrieblichem und gesellschaftsrechtlichem Bereich und damit des Tatbestandes des § 103 Abs. 1 BewG verschieben.
Gleiches gilt für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA. Notwendig ist nur seine persönliche Haftung. Im übrigen können seine vermögensrechtlichen Verhältnisse zur Gesellschaft frei gestaltet werden (vgl. dazu Barz in Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 1973, § 278 Anm. 7 und 8). Das verbietet jede abweichende Grenzziehung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, und zwar auch im vorliegenden Fall; denn hier hatten die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter nichts vereinbart, was zu ihrem Gesellschaftsverhältnis im Widerspruch stünde und dessen Wirksamkeit daher in Frage stellen könnte. Sie hafteten nach außen unbeschränkt, mochten sie auch im Innenverhältnis von dieser Haftung freigestellt sein.
Ob die geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter als Mitunternehmer i. S. des § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG anzusehen waren, ist wegen der speziellen Vorschrift des § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG unerheblich. Die von der Klägerin erwähnten, zu § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG ergangenen Urteile des BFH vom 9. Oktober 1969 IV 294/64 (BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320) und vom 22. Januar 1970 IV R 178/68 (BFHE 98, 405, BStBl II 1970, 416) sind daher hier ohne Bedeutung.
2. Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist unbegründet.
Sie begehrt mit diesem Antrag, ihr die Rückstellungen wenigstens insoweit zu gewähren, als diese auf den ,,kapitalistischen Anteil der Klägerin", also die Beteiligung der Kommanditaktionäre, entfallen.
Die künftigen Ansprüche der geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter gegen die Klägerin haben - wie vorstehend ausgeführt worden ist - ihre Wurzel im Gesellschaftsverhältnis. Dieses Gesellschaftsverhältnis umfaßt sämtliche Gesellschafter der Klägerin, also die persönlich haftenden Gesellschafter und die Kommanditaktionäre. Der Anspruch eines persönlich haftenden Gesellschafters aus diesem Gesellschaftsverhältnis ist einheitlich gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft in diesem Verhältnis begründet, also auch gegenüber den Kommanditaktionären. Er kann daher für diese keine Betriebsschuld i. S. des § 103 Abs. 1 BewG begründen.
Die Klägerin sieht einen Widerspruch darin, daß das FA ihr zwar einerseits die Schachtelvergünstigung des § 102 Abs. 1 BewG insoweit gewährt hat, als die Kommanditaktionäre ihre Anteilseigner sind, während ihr die Rückstellungen insoweit verweigert werden. Dieser Einwand der Klägerin ist nach Ansicht des Senats schon im Ansatz nicht richtig. Auch die Klägerin ist - soweit ersichtlich - nicht der Meinung, daß jeder Gewinnanspruch des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA für den Kommanditaktionär eine Betriebsschuld i. S. des § 103 Abs. 1 BewG begründet, sondern nur die hier zu beurteilenden und nach Ansicht der Klägerin wirtschaftlich einem Angestelltengehalt gleichzustellenden Tätigkeitsvergütungen. Steht aber diese Vergütung - wie oben ausgeführt - bewertungsrechtlich nicht einem Angestelltengehalt gleich, so kann sie aus der Sicht der Klägerin auch beim Kommanditaktionär keine Betriebsschuld i. S. des § 103 Abs. 1 BewG sein.
Fundstellen
Haufe-Index 414437 |
BFH/NV 1987, 633 |