Entscheidungsstichwort (Thema)
Wert- und Artfortschreibung (Einfamilienhaus statt Zweifamilienhaus)
Leitsatz (NV)
Das Vorhandensein zweier Wohnungen braucht weder durch die ,,zweckentfremdete" Benutzung je eines Raumes in jeder der beiden Wohnungen (für freiberufliche Zwecke) noch dadurch beeinträchtigt zu werden, daß die Erwerber das ganze Haus nutzen.
Normenkette
BewG §§ 22, 75
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kl. sind Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das sie im Jahre 1976 erwarben. Für das Grundstück war anläßlich der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 die Grundstücksart Zweifamilienhaus und der Einheitswert auf . . . DM festgestellt worden. Das Wohnhaus besteht aus zwei Geschossen. Im Erdgeschoß befindet sich hinter dem Hauseingang eine Diele, von der ein kombiniertes Wohn-/Eßzimmer, ein Bad mit Dusche/WC und die Treppe zum Obergeschoß abgehen. Vom Wohn-/Eßzimmer führt je eine Tür zu einer Küche und zu einem weiteren Raum, der seit dem Grunderwerb für die freiberufliche Tätigkeit des Kl. zu 1 genutzt wird. Im Obergeschoß, das man über eine unmittelbar hinter dem Hauseingang von der Diele des Erdgeschosses ausgehende Treppe erreicht und das zur Treppe hin keinen Abschluß besitzt, gehen von der dortigen Diele ein kleiner Raum für eine eingerichtete Kochküche, ein Badezimmer mit WC, das Elternschlafzimmer und zwei Kinderzimmer ab, von denen eines unstreitig ebenfalls für die freiberufliche Tätigkeit genutzt wird. Nachdem dem FA anläßlich einer Ortsbesichtigung im Jahre 1981 diese Nutzung des Hauses bekanntgeworden war, nahm es mit Bescheid vom 25. März 1981 eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1977 vor. Es stellte nunmehr die Grundstücksart Einfamilienhaus und den Einheitswert auf . . . DM fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kl. zu 1 Einspruch eingelegt und dessen ersatzlose Aufhebung begehrt. Die den Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung wurde beiden Kl. zugestellt. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, die tatsächliche Nutzung des Dachgeschosses als Schlafraum zu den Wohnräumen im Erdgeschoß bzw. die freiberufliche Nutzung ermöglichten im Dachgeschoß nicht mehr die Führung eines selbständigen Haushalts, weil für diesen nur Küche und Bad mit WC zur Verfügung ständen. Die tatsächliche Nutzung zeige, daß beide Geschosse zu einer Einheit zusammengefaßt seien.
Die Klage, mit der die Kl. die ersatzlose Aufhebung des Wert- und Artfortschreibungsbescheids und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung begehren, hat das FG abgewiesen. Seine Entscheidung ist in EFG 1982, 552 veröffentlicht.
Mit der Revision verfolgen die Kl. ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen Verletzung von § 75 und § 22 BewG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kl. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung vom 6. November 1981 sowie des Wert- und Artfortschreibungsbescheids vom 25. März 1981.
Das angefochtene Urteil, das die Rechtmäßigkeit der Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1977 bejaht, verletzt § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG und ist deshalb aufzuheben.
Nach § 22 Abs. 2 BewG wird im Wege der Artfortschreibung eine neue Feststellung getroffen, wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist. Eine Wertfortschreibung findet beim Grundbesitz nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG statt. Wert- und Artfortschreibungen sind nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung durchzuführen. Der Fortschreibungszeitpunkt differiert je nachdem, ob die Fortschreibung auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse beruht oder ob sie zur Beseitigung eines Fehlers erfolgt: im erstgenannten Fall ist nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt, im zweitgenannten Fall ist Fortschreibungszeitpunkt grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem FA bekannt wird, bei einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fortschreibungsbescheid erteilt wird. Das FG hat keine Ausführungen zum Fortschreibungszeitpunkt gemacht. Es muß bei seiner Entscheidung stillschweigend von einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor dem Fortschreibungsstichtag (dem 1. Januar 1977) ausgegangen sein. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse war jedoch nicht eingetreten. Sie liegt insbesondere nicht in der durch die Kl. vorgenommenen tatsächlichen Nutzung des Wohngrundstücks.
Während Einfamilienhäuser dadurch gekennzeichnet sind, daß sie nur eine Wohnung enthalten (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG), sind Zweifamilienhäuser dadurch gekennzeichnet, daß sie nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Unter einer Wohnung ist für vor dem Kalenderjahr 1973 bezugsfertig errichtete, aus- oder umgebaute Wohngrundstücke die Zusammenfassung von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sind, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen, also insbesondere die notwendigen Sanitärräume und eine Küche oder einen Raum mit Kochgelegenheit enthalten (vgl. die BFH-Urteile vom 24. November 1978 III R 81/76, BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255 einerseits und vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 andererseits). Um den Begriff der Wohnung zu erfüllen, müssen die nach ihrer Lage zusammengefaßten Räume auch Wohnzwecken dienen.
Die zwei Wohnungen im Wohngrundstück der Kl. erfüllen die an eine Wohnung zu stellenden Anforderungen auch noch im Hinblick darauf, daß das gesamte Gebäude von den Kl. genutzt wird. In beiden Geschossen sind Küchen bzw. Kochgelegenheiten sowie Bad und WC. Der Umstand, daß je ein Raum in den beiden Geschossen für die beruflichen Zwecke des Kl. ,,zweckentfremdet" genutzt wird, beeinträchtigt den Wohnungscharakter der beiden Wohnungen nicht.
Auch die Nutzung des gesamten Hauses durch die Kl. stellt keine das Vorhandensein von zwei Wohnungen beeinträchtigende Änderung tatsächlicher Art dar. Ob Räume zu einer Einheit im Sinne des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs zusammengefaßt sind, ergibt sich bei überwiegend wohnlicher Nutzung in erster Linie aus ihrer Lage zueinander und der baulichen Zuordnung und nicht aus der Person des Nutzenden.
Da somit eine Artfortschreibung auf den 1. Januar 1977 durch § 22 BewG nicht gedeckt war, kann auch die Wertfortschreibung mangels Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die den Wert begründen, keinen Bestand haben.
Fundstellen
Haufe-Index 414439 |
BFH/NV 1987, 423 |