Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei Eintritt von bisher gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in die Steuerpflicht
Leitsatz (NV)
Schüttet eine bis zum Veranlagungszeitraum 1990 einschließlich gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1984 steuerbefreite Körperschaft ihren Gewinn 1990 nach dem 31. Dezember 1990 an steuerbefreite Körperschaften oder an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts aus, so ist die Ausschüttungsbelastung herzustellen.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 1, § 40 S. 1 Nr. 2; EStG § 44a Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Einziger Gesellschafter ist die Stadt A. Für den Veranlagungszeitraum 1990 beantragte die Klägerin gemäß § 54 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. d. F. des Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1984. Dem Antrag wurde entsprochen. Der von der Klägerin in 1990 erzielte Gewinn wurde steuerfrei gestellt und gliederungsrechtlich dem EK 02 zugeführt.
Die Klägerin nahm in 1991 eine Gewinnausschüttung für 1990 in Höhe von ... DM vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte im Körperschaftsteuerbescheid 1990 vom 3. Januar 1992 für diese Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1984 die sog. Ausschüttungsbelastung her, was zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer 1990 um ... DM führte.
Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 27, 40 Satz 1 Nr. 2 KStG in der für die Veranlagungszeiträume 1990 und 1991 geltenden Fassung.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 14. April 1994, des Körperschaftsteuerbescheides 1990 vom 3. Januar 1992 und der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 1993 die Körperschaftsteuer 1990 um ... DM niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Nach § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG 1984 (heute: § 40 Satz 1 Nr. 3 KStG) wird die Körperschaftsteuer nach § 27 KStG u. a. dann nicht erhöht, wenn eine von der Körperschaftsteuer befreite Kapitalgesellschaft Gewinnausschüttungen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts vornimmt. Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin nur bis zum Veranlagungszeitraum 1990 einschließlich gemäß §§ 54 Abs. 3 KStG i. d. F. des StRG 1990, 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1984 von der Körperschaftsteuer befreit war, daß ihr alleiniger Anteilseigner eine juristische Person des öffentlichen Rechts war und daß die Klägerin in 1991 für 1990 eine Dividende in Höhe von ... DM an ihren Anteilseigner ausschüttete. Bei dieser Sachlage hängt die Entscheidung über den Rechtsstreit von der Antwort auf die Rechtsfrage ab, auf welchen Zeitpunkt bzw. Zeitraum sich die in § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG genannte Steuerbefreiung bezieht. Insoweit sind drei Antworten denkbar. Es könnte
a) auf den Zeitpunkt der Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses oder des Abflusses der Dividende bei der Kapital gesellschaft oder aber des Zuflusses der Dividende bei dem Anteilseigner oder
b) auf den Zeitraum, für den das mit der Ausschüttung verrechnete verwendbare Eigenkapital (vEK) als steuerfreier Gewinn erzielt wurde oder
c) auf den Zeitraum ankommen, für den sich die Körperschaftsteuer durch Herstellung der Ausschüttungsbelastung erhöht oder mindert.
Der Senat hält die unter a) genannte Auffassung für diejenige, die allein mit dem Sinn und Zweck des § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG in Einklang steht. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Abflusses des Gewinnanteils bei der ausschüttenden Körperschaft abzustellen.
2. a) § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG ist gegenüber § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG vorrangig (vgl. Dötsch in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 40 KStG Rz. 9; Frotscher in: Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 40 Rz. 15). Ist eine Körperschaft gemäß § 5 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, so erstreckt sich die Befreiung grundsätzlich nicht auf die Steuer, die sich aus der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ergibt. Zwar bezieht sich § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG auch auf Ausschüttungen, die nach Wegfall einer Steuerbefreiung i. S. des § 5 Abs. 1 KStG vorgenommen werden. Dies folgt jedoch schon aus dem Schluß vom mehr zum weniger, weshalb sich letztlich aus dem Verhältnis zwischen §§ 5 Abs. 2 Nr. 2 und 40 Satz 1 Nr. 2 KStG keine Rückschlüsse auf die zu entscheidende Rechtsfrage ziehen lassen.
b) Abzustellen ist einmal auf den Wortlaut des § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG. Die Vorschrift stellt auf die Steuerbefreiung im Zeitpunkt der Vornahme einer Gewinnausschüttung ab. Sie steht im ersten Kapitel des vierten Teils des KStG. Unter Gewinnausschüttung im Sinne des vierten Teils des KStG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der vermögensmindernde Abfluß einer ordentlich beschlossenen oder verdeckten Ausschüttung zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Deshalb spricht der Wortlaut der Vorschrift dafür, daß es auf die Steuerbefreiung der Klägerin im Zeitpunkt der Ausschüttung, d. h. im Veranlagungszeitraum 1991 ankommt.
c) Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck des § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG. Die Vorschrift bezweckt den Ausschluß der Körperschaftsteuererhöhung bei der Ausschüttung von Gewinnen, die den steuerfreien Raum nicht verlassen (vgl. Maenner in: Kläschen, Körperschaftsteuergesetz, § 40 Rz. 43; Dötsch, a. a. O., Rz. 9; Frotscher, a. a. O., Rz. 15). Sie ist deshalb nur anwendbar, wenn die Dividende bei dem Anteilseigner nicht steuerpflichtig ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der Anteilseigner i. S. des § 2 Nr. 2 KStG beschränkt steuerpflichtig ist und auf den Gewinnanteil eine Abzugsteuer (Kapitalertragssteuer) zu erheben ist. Deshalb ist § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG aus seinem Zusammenhang mit § 44 a Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Veranlagungszeiträume 1990 und 1991 geltenden Fassung (heute: § 44 a Abs. 4 Satz 2 EStG) auszulegen (vgl. Dötsch, a. a. O., Rz. 9). Auf die Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 27 Abs. 1 KStG wird aber nur dann verzichtet, wenn der Kapitalertragssteuerabzug von Gewinnanteilen gemäß § 44 a Abs. 4. Satz 2 EStG nicht vorzunehmen ist.
d) Nach § 44 a Abs. 4 Satz 2 EStG wird von dem Kapitalertragssteuerabzug u. a. dann abgesehen, wenn eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts Gewinnanteile von einer von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft erzielt. Da einem Gewinnanteil i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG äußerlich nicht anzusehen ist, ob er aus einem steuerbefreiten oder steuerpflichtigen Gewinn stammt, kann sich § 44 a Abs. 4 Satz 2 EStG nur auf eine Steuerbefreiung der ausschüttenden Körperschaft im Zeitpunkt des Bezuges des Gewinnanteils beziehen. Entsprechend muß sich die in § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG genannte Steuerbefreiung auf den Zeitpunkt der Vornahme der Ausschüttung beziehen. Dies ist der Zeitpunkt des Abflusses bei der ausschüttenden Körperschaft i. S. des § 27 Abs. 1 KStG (vgl. BFH in BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Entsprechend ist Kapitalertragssteuerpflicht auf seiten des Anteilseigners dann gegeben, wenn die ausschüttende Körperschaft im Zeitpunkt des Zuflusses des Gewinnanteils keine sachliche Steuerbefreiung mehr genießt. Dem steht nicht entgegen, daß die in 1991 vollzogene Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG auf die Körperschaftsteuer 1990 "zurückwirkt". §§ 40 Satz 1 Nr. 2 KStG und 44 a Abs. 4 Satz 2 EStG nehmen auf diese "Rückwirkung" keinen Bezug.
e) Für die vom Senat vertretene Auffassung sprechen auch Gründe der praktikablen Gesetzesanwendung. Sollte darauf abzustellen sein, ob die Gewinnausschüttung aus einem steuerfrei erzielten Gewinn "stammt", so hätte das entsprechende verwendbare Eigenkapital nicht nur zum 31. Dezember 1990 festgestellt werden müssen. Der Gesetzgeber hätte dann auch regeln müssen, in welcher Reihenfolge die aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991 stammenden Gewinne in den Folgejahren als ausgeschüttet gelten. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung deutet darauf hin, daß § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG in den Jahren nach 1990 keine Anwendung mehr finden soll.
f) Bei dieser Rechtslage ist es letztlich entscheidend, daß der alleinige Anteilseigner der Klägerin im Jahre 1991 eine gemäß § 2 Nr. 2 KStG beschränkt steuerpflichtige inländische juristische Person des öffentlichen Rechts war, die inländische Einkünfte (Gewinnanteile) erzielte, von denen ein Kapitalertragssteuerabzug vorzunehmen war. Damit verließen die Gewinne der Klägerin den "steuerfreien Raum" mit der Folge, daß § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG nicht mehr die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG abschirmt. Es greift der allgemeine Grundsatz ein, daß sich die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG nicht auch auf die Herstellung der Ausschüttungsbelastung erstreckt.
3. Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis diesen Rechtsüberlegungen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend ist die Revision unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 420683 |
BFH/NV 1996, 177 |