Leitsatz (amtlich)

Soweit das Ergebnis der Untersuchung von im Rahmen der Zollbeschau gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ZG entnommener Proben wegen fehlerhafter Entnahme nicht verwertet werden kann, ist es nicht ausgeschlossen, vom Steuerpflichtigen beigebrachte Untersuchungsergebnisse zu verwenden.

 

Normenkette

ZG §§ 16-17

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ am 9. Juli 1962 beim Zollamt (ZA) 600 Sack türkische Weizenkleie zum freien Verkehr abfertigen. In der Zollanmeldung gab sie an, der Gehalt an Stärke liege unter 25 v. H. Das ZA wies die Kleie der Tarifstelle 23.02 – A – II des Deutschen Zolltarifs (DZT) 1962/11 zu (Zollsatz 6,3 v. H., Ausgleichsteuer 1,5 v. H.) und forderte mit vorläufigem Steuerbescheid vom 20. Juli 1962 593,02 DM Abgaben (473.24 DM Zoll und 119,78 DM Ausgleichsteuer). Bei der Abfertigung entnahm es zwei gemischte Proben der Kleie, die der Zollehranstalt X zur Untersuchung zugeleitet wurden. Diese stellte einen Stärkegehalt von mehr als 25 v. H., bezogen auf den wasserfreien Stoff, fest. Auf Grund dieses Untersuchungsergebnisses hob das ZA den vorläufigen Abgabenbescheid auf und ersetzte ihn durch den endgültigen Abgabenbescheid vom 20. September 1962. in welchem es nunmehr die Kleie als ein Erzeugnis der Tarifstelle 23.02 A – III – b ansprach (Zollsatz 21 v. H., Ausgleichsteuersatz 1,5 v. H.) und 1 120,70 DM Abgaben nachforderte (1 104,20 DM Zoll und 16,50 DM Ausgleichsteuer). Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Hauptzollamt – HZA – (Beklagter und Revisionsbeklagter) bestätigte die Tarifauffassung des ZA und bezog einen Preisnachlaß nachträglich in den Zollwert ein. Es setzte die Abgaben auf 1 756,24 DM lest (1 616,53 DM Zoll und 139,71 DM Ausgleichssteuer) und forderte nochmals 42,44 DM nach (39,06 DM Zoll und 3,38 DM Ausgleichsteuer).

Die Klage führte zur Aufhebung der zusätzlichen Nachforderung in der Einspruchsentscheidung und Festsetzung der Abgaben auf 1 713,80 DM, im übrigen wurde die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Änderung der Vorentscheidung die Einspruchsentscheidung des HZA vom 15. November 1968 und den Nachforderungsbescheid des ZA über 1 120,70 DM Eingangsabgaben aufzuheben und das HZA zu verurteilen, ihr 1 120,70 DM Eingangsabgaben zu erstatten.

Die Klägerin macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe § 76 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 FGO verletzt, indem es das Vorbringen der Klägerin falsch gewürdigt habe. Darüber hinaus werde gerügt, daß der Grundsatz von Treu und Glauben nicht berücksichtigt worden sei.

Die Vorentscheidung gebe fälschlicherweise davon aus, daß die gezogenen und untersuchten Proben, auf deren Untersuchungsergebnis der angefochtene Bescheid basiere, aus denjenigen 600 Säcken Weizenkleie stammten, die die Klägerin übernommen habe. Hierbei habe das FG nicht richtig gewertet, daß die ganze Sendung Weizenkleie auf einen Stapel gelöscht und gelagert worden sei und daß aus diesem Gesamtstapel die Proben genommen worden seien, so daß offenbleibe, aus welchen Säcken die maßgeblichen Proben gezogen worden seien.

Das HZA könne die zu wenig erhobenen Eingangsabgaben nur dann nachfordern, wenn feststehe, daß die Angaben der Klägerin in der Zollanmeldung tatsächlich falsch gewesen seien und gerade diese von der Klägerin eingeführte Ware über 25 v. H. Stärke aufgewiesen habe.

Der Streitfall sei somit so zu behandeln, als ob keine Proben gezogen worden seien. Die Vermutung des § 17 ZG greife also zugunsten der Klägerin dahin gehend ein, daß die Angaben in der Zollanmeldung als richtig gälten. Die Zuweisung der Kleie zu der Tarifstelle 23.02 – A – II DZT 1962/II sei somit richtig gewesen. Der Nachzahlungsbescheid sei deshalb rechtswidrig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Das FG hat seiner Entscheidung das Ergebnis der Untersuchung einer Probe durch das Laboratorium Y zugrunde gelegt, weil aus der Zollanmeldung nicht zu erkennen sei, ob bei den von der Zollverwaltung gezogenen Proben den Anforderungen der Technischen Vorschriften (TV) zur Tarifnr. 23.02 genügt sei. Nach dem Untersuchungsattest des vorbezeichneten Laboratoriums vom 11. Juli 1962 ist für die hier strittige Sendung ein Stärkegehalt von 24,89 v. H. bei einem Wassergehalt von 11,32 v. H. ermittelt worden. Das bedeutet, daß der Stärkegehalt, bezogen auf den wasserfreien Stoff, höher liegt als 25 v. H.

Das FG hat sich die Ausführungen in dem Schreiben der Spedition Z vom 25. Januar 1963 zu eigen gemacht, daß eine genaue und gewissenhafte Probeentnahme für die Partie vorgenommen worden ist, die mindestens 10 v. H. der Ware umfaßt. Es hat daraus und aus den übrigen Angaben des Schreibens gefolgert, daß aus der gesamten Sendung, auf die sich die Zollanmeldung bezieht, mehrere Proben des gleichen Gewichts entsprechend den TV entnommen worden sind. Diese Feststellungen des FG sind für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend, da insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgetragen worden und Verstöße gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht erkennbar sind. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das FG diese private Probe einer zollamtlichen Probe im Sinne der TV gleichgeachtet hat, zumal sich die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren selbst auf das Untersuchungsattest des Laboratoriums Y berufen hat. Wenn in dem Urteil des BFH vom 21. März 1972 VII R 54/69 (BFHE 105, 536, BZBl 1972, 980, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1972 S. 501 – HFR 1972, 501 –) gesagt ist, daß nur die vom ZA im Rahmen der Zollbeschau gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ZG entnommenen Proben Grundlage für die dem ZA zustehende Feststellung der Beschaffenheit der Ware sein können, so bedeutet das nicht, daß im Falle des Fehlens oder Ausfallens amtlicher Proben im Wege der freien Beweiswürdigung nicht auch andere Untersuchungsergebnisse, also auch solche, denen vom Zollbeteiligten entnommene Proben zugrunde liegen, berücksichtigt werden könnten.

Das FG hat aus dem Schreiben der Spedition Z vom 25. Januar 1963 weiter gefolgert, daß die Proben, die das Laboratorium Y zum Zollpapier Ue I 624 untersucht hat, aus den 600 Säcken stammen, die von der Klägerin zur Abfertigung gestellt worden waren. Auch diese Feststellung ist für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Der Einwand der Klägerin, daß die 600 Säcke, aus denen die Proben gezogen worden sind, nicht identisch seien mit den 600 Säcken, die an die Klägerin ausgeliefert worden sind, kann als Angriff auf die Beweiswürdigung des FG demnach nicht durchgreifen.

Da das FG seine Feststellung über die Beschaffenheit der Ware auf ein privates Untersuchungsergebnis gründet, kann im Streitfalle die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG, daß der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, sofern in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist, nicht Platz greifen. Richtig hat das FG ausgeführt, daß es nicht darauf ankommen kann, daß die 600 Säcke der Klägerin aus einer größeren Gesamtpartie von 3 400 Säcken stammen, da im Streitfalle nur die von der Klägerin übernommenen 600 Säcke zollrechtlich zu beurteilen und zu behandeln sind. Wenn das FG aus dem Schreiben der Spedition Z vom 25. Januar 1963, wonach wegen nicht ganz einheitlicher Qualität der Ware besonderer Anlaß zu einer sorgfältigen, genauen und gewissenhaften Entnahme der Proben bestand, geschlossen hat, daß das Untersuchungsergebnis auf die gesamten 600 Sack Kleie der von der Klägerin übernommenen Partie zutrifft, so können dagegen rechtliche Bedenken nicht erhoben werden. Das FG konnte im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zu dieser Überzeugung gelangen. Es ist nicht ersichtlich, daß insoweit Verstöße gegen die Denkgesetze und die Erfahrungssätze vorlägen.

Die Klägerin kann sich sonach nicht darauf berufen, der BFH habe in seinem Beschluß vom 18. Juli 1968 VII B 137–139/67 (BFHE 93, 256, BZBl 1968, 1174, HFR 1968, 620) die Berücksichtigung von Untersuchungsbefunden anderer Partien zuungunsten der Klägerin gebilligt, weshalb auch Untersuchungsbefunde anderer Partien aus dem gleichen Schiff zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden müßten.

Mit Recht hat das FG auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darin gesehen, daß das ZA bei der Abfertigung der 600 Säcke Weizenkleie die Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif (ErlDZT) I (5) zu 23.02 zugrunde gelegt hat, d. h. von einer oberen Grenze des Stärkegehalts von 25 v. H. ausgegangen ist, denn am Abfertigungstage (9. Juli 1962) war diese später gestrichene Erläuterung noch in Kraft. Wenn später im EWG-Recht die obere Grenze für Weizenkleie auf 28 v. H. festgesetzt wurde, so kann das nicht bedeuten, daß die vorerwähnten ErlDZT I (5) zu 23.02 nicht Rechtens gewesen wären, denn der BdF war auf Grund des § 78 (2) ZG ermächtigt, Durchführungsvorschriften zur Auslegung und Anwendung des Zolltarifs, besonders zur Abgrenzung der Tarifnummern und Tarifstellen, zu erlassen. Wenn im DZT eine untere Grenze für Weizenkleie festgesetzt war und in den besagten Erläuterungen eine obere Grenze gegeben wurde, so sollte damit nur gesagt sein, was nach dem Zolltarif als Kleie anzusehen ist, es sollte damit aber nicht eine allgemeingültige Definition für den Begriff Kleie gegeben werden, nämlich, daß eine Ware nur dann eine Kleie darstellt, wenn sich der Stärkegehalt in den genannten Grenzen bewegt. Wenn also die obere Grenze für den Stärkegehalt später auf Grund von EWG-Vorschriften im Abschöpfungstarif auf 26 v. H. erhöht wurde, etwa auf Grund neuer Erkenntnisse oder zufolge von Wünschen der einschlägigen Handelskreise, so kann die frühere Grenze von 25 v. H. nicht als willkürlich bezeichnet werden. Aus der Fassung der Nr. 23.02 des Abschöpfungstarifs muß nämlich geschlossen werden, daß es auch Weizenkleie mit einem Gehalt an Stärke von mehr als 28 Gewichtshundertteilen gibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514706

BFHE 1973, 488

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