Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernisse der Revisionsbegründung und der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts
Leitsatz (NV)
1. Das Revisionsgericht hat auch ohne Rüge zu überprüfen, ob die Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens vorliegen.
2. Hat der Kläger den angefochtenen Verwaltungsakt eindeutig bezeichnet und ist nicht erkennbar, daß die Klage einen weiteren Anfechtungsgegenstand haben könnte, so kann nach Ablauf der Klagefrist kein anderer oder weiterer Verwaltungsakt bezeichnet werden.
3. Zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 1, § 120 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Transport- und Speditionsunternehmen in N mit Zweigniederlassung in Berlin (West). Dort waren auf ihn mehrere Kraftfahrzeuganhänger zum Verkehr zugelassen - darunter der Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen B-. . ., für deren Halten das Finanzamt (FA) zunächst Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gemäß der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950 - DVO - vom 8. Februar 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin 1978, 745) gewährt hatte. Nach einer Außenprüfung anhand der Kontrollbücher gelangte das FA zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen der Steuerbefreiung mangels überwiegenden Einsatzes der Anhänger in Berlin oder im Berlin-Verkehr nicht erfüllt worden seien, und setzte gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer fest (bestätigt durch zusammengefaßte Einspruchsentscheidung vom . . .). Hiergegen richtete sich die Klage, mit der beantragt wurde, die Kraftfahrzeugsteuerbescheide ,,. . . für die Fahrzeuge . . ." - Kennzeichen der hier in Rede stehenden Anhänger ohne B-. . . und Kennzeichen eines dritten Fahrzeugs - in der Fassung der gemeinsamen Einspruchsentscheidung aufzuheben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht - FG - beantragte der Kläger die Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuerbescheide (auch) hinsichtlich aller hier in Betracht kommenden Anhänger, also unter Einschluß von B-. . .
Das FG wies die Klage ab (Urteil vom 16. Oktober 1986 I 420/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 426). Sie sei hinsichtlich des zuletzt bezeichneten Anhängers unzulässig, weil insoweit nicht rechtzeitig Klage erhoben worden sei. Der Umstand, daß das Kennzeichen dieses Anhängers Bestandteil des Aktenzeichens der angefochtenen Einspruchsentscheidung sei, reiche nicht aus, denn der (Klage-)Antrag hätte nicht anders lauten können, wenn der Kläger nur die die übrigen - vier - Anhänger betreffenden Bescheide und insoweit auch die Einspruchsentscheidung hätte aufgehoben haben wollen. Auch in einem späteren Schriftsatz sei bei der Berechnung des Streitwerts nicht der Anhänger B-. . ., sondern das dritte Fahrzeug angegeben worden. Insbesondere dieser Umstand spreche gegen die Annahme, daß wegen B-. . . Klage erhoben und dieses Kennzeichen (Steuernummer) lediglich aufgrund eines - durch Auslegung behebbaren - Büroversehens nicht aufgeführt worden sei. Hinsichtlich der übrigen vier Anhänger sei die Klage unbegründet.
Mit der Revision rügt der Kläger Nichterhebung der angebotenen und fallrelevanten Beweise und Verletzung materiellen Rechts. Er hält die Klage auch für das Fahrzeug B-. . . für zulässig, wie schon das Aktenzeichen zeige; bei der Kennzeichenangabe in dem späteren Schriftsatz habe es sich um eine offensichtliche Verwechslung gehandelt. Wenn das FG trotz der vorliegenden Tatsachen Zweifel an der Zugehörigkeit der Fahrzeuge zur Betriebsstätte in Berlin gehabt habe, hätte es bei Entscheidungsrelevanz die angebotenen Beweise erheben müssen. Die Vorinstanz habe im übrigen die Voraussetzungen, unter denen der Einsatz der Fahrzeuge im Berlin-Verkehr nachgewiesen werden könne, zu hoch angesetzt. Die strengen Nachweisvoraussetzungen müßten dazu führen, daß er - Kläger - wie andere westdeutsche Spediteure von der Steuervergünstigung praktisch keinen Gebrauch machen könne. Im übrigen werde, wie in der Vorinstanz, die Ungleichbehandlung gegenüber Berliner Spediteuren gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Sie ist, soweit über den Kraftfahrzeugsteuerbescheid zu B-. . . gestritten wird, zwar zulässig, aber nicht begründet, im übrigen unzulässig.
1. Hinsichtlich des vorbezeichneten Steuerbescheides rügt der Kläger, wie seiner Revision zu entnehmen ist, das FG habe das Vorliegen einer Sachentscheidungsvoraussetzung zu Unrecht verneint; dieser Bescheid müsse - auch - als angefochten angesehen werden. Ob die Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens vorliegen, hat das Revisionsgericht auch ohne Rüge zu prüfen (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 2. Aufl. 1987, § 118 Anm. 49, 34). Zu diesen Voraussetzungen gehört auch die Einhaltung der Klagefrist, unabhängig davon, ob sie vom FG als gewahrt angesehen wurde oder nicht (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268). In der Sache selbst hat die Vorinstanz zutreffend entschieden - zu dem vorbezeichneten Steuerbescheid -, daß die Anfechtungsklage, da nicht rechtzeitig erhoben, unzulässig ist. Eine solche Klage muß - auch - die angefochtene Entscheidung bezeichnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar mag der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit haben, die in der Klageschrift fehlende Angabe später, durch Präzisierung des bisherigen Klageinhalts, nachzuholen; hat er aber den angefochtenen Verwaltungsakt eindeutig bezeichnet und läßt das bisherige Klagevorbringen nicht erkennen, daß die Klage weitere Anfechtungsgegenstände haben könnte, so ist es dem Kläger nach Ablauf der Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) nicht gestattet, an die Stelle des bezeichneten Verwaltungsakts oder neben diesen einen anderen Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtung zu setzen (BFH, Urteil vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, 154, BStBl II 1981, 532; Kühn / Kutter / Hofmann, AO/FGO, 15. Aufl. 1987, § 65 FGO Anm. 1 a. E.; strenger Ziemer/Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 6746/7 und 8).
Im Streitfall ist der Steuerbescheid zu B-. . . erst in der mündlichen Verhandlung als Anfechtungsgegenstand bezeichnet worden. Aus dem Umstand, daß die auch diesen Bescheid betreffende Einspruchsentscheidung - mit dem Aktenzeichen ,,. . . B-. . . . . . u. a." - in der Klageschrift angeführt ist, ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung des Klägers nicht, daß der Bescheid zu B-. . . mitangefochten ist. Auch bei einer - möglichen - Anfechtung nur der anderen Bescheide wäre, wie das FG richtig entschieden hat, keine andere Art der Bezeichnung der Einspruchsentscheidung (Sammelverfügung) in Betracht gekommen. Insoweit hätte es einer zusätzlichen Angabe zur Bezeichnung des Bescheides zu B-. . . als Anfechtungsgegenstand bedurft (vgl. Ziemer / Haarmann /Lohse / Beermann, a. a. O., Tz. 7190).
Auf den Inhalt des nach Ablauf der Klagefrist eingereichten Schriftsatzes (mit Angaben zur Streitwertberechnung für andere Fahrzeuge betreffende Kraftfahrzeugsteuerverfahren) kommt es nicht an. Es ist somit unerheblich, aus welchen Gründen selbst in diesem Schriftsatz die Angabe des Steuerbescheides zu B-. . . unterblieben ist. Anhaltspunkte dafür, daß es sich auch insoweit um eine ,,offensichtliche Verwechslung" gehandelt hat, sind im übrigen nicht erkennbar.
2. Hinsichtlich der übrigen Kraftfahrzeugsteuerbescheide entspricht die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Erfordernissen (§ 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO). Der Revisionskläger muß dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des angefochtenen Urteils für änderungsbedürftig angesehen werden und aus welchen Gründen im einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird (ständige Rechtsprechung; z. B. BFH-Beschluß vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Die Revisionsbegründung muß auf den Streitfall zugeschnitten sein (BFH, Urteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, 42, BStBl II 1985, 523) und erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des erstinstanzlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat.
Eine derartige Begründung läßt die Revision vermissen. Soweit sie rügt, das FG habe zur Frage der Zugehörigkeit der Anhänger zur Berliner Betriebsstätte des Klägers den Sachverhalt unzutreffend berücksichtigt und angebotene Beweise außer acht gelassen, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Streitpunkten. Die Vorentscheidung läßt zwar Zweifel in dieser Hinsicht erkennen, stellt aber letztlich allein darauf ab, daß der Kläger den Verbleibensnachweis - weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung nach der DVO - nicht in der vorgeschriebenen Weise geführt habe. Im übrigen ist die Verfahrensrüge mangels jeglicher Substantiierung auch nicht ordnungsgemäß erhoben (vgl. zu den Anforderungen Klein/Ruban, Der Zugang zum BFH, 1986, Rdnr. 216, 168, 170, 172).
Die Sachrüge des Klägers enthält nicht die gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen der Vorentscheidung. Das gilt sowohl hinsichtlich der von der Vorinstanz entschiedenen Frage des Verbleibensnachweises als auch für die gerügte ,,Ungleichbehandlung gegenüber Berliner Spediteuren", für die der Kläger sich lediglich auf sein - überdies nicht näher spezifiziertes - Vorbringen in der ersten Instanz beruft.
Ob die Frage, deretwegen das FG die Revision zugelassen hat - Auslegung von Landesrecht (§ 1 DVO) -, revisibel wäre (vgl. hierzu Gräber / Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 13), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 416621 |
BFH/NV 1990, 580 |