Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
überträgt der Vater auf den Sohn unentgeltlich seinen Anteil am Betrieb der bisher mit dem Sohn gebildeten Personengesellschaft und behält er ein Betriebsgrundstück zurück, das ihm wirtschaftlich und bürgerlich-rechtlich gehört, so kann eine unentgeltliche übertragung des Betriebes im Sinne des § 5 Abs. 1 EStDV 1953 mit einem tarifbegünstigten Aufgabegewinn in Höhe der im Betriebsgrundstück steckenden aufgelösten stillen Reserven zusammenfallen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 34 Abs. 2 Ziff. 1; EStDV §§ 5, 7
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1954, ob und bei wem durch die Entnahme von drei Mietwohngrundstücken aus dem Betriebsvermögen ein nach § 34 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn entstand.
Vater und Sohn, die Bf., betrieben bis zum 30. Dezember 1954 ein Baugeschäft in der Form einer offenen Handelsgesellschaft. Zum Betriebsvermögen der OHG gehörten die drei Mietwohngrundstücke, deren bürgerlich-rechtlicher Eigentümer allein der Vater war. Am 30. Dezember 1954 wandelten die Bf. die OHG mit Wirkung vom 1. Januar 1955 in eine KG um, die die Buchwerte der OHG fortführte. Soweit das in eine Kommanditeinlage umgewandelte Kapitalkonto des Vaters mehr als 10.000 DM betrug, sollte der übersteigende Anteil im Wege der Schenkung auf den Sohn übergehen. Der Vater erhielt von seinem Sohn eine lebenslängliche monatliche Rente und war am Verlust und Gewinn der KG nicht mehr beteiligt. Die zum Betriebsvermögen der OHG gehörenden drei Mietwohngrundstücke schieden aus dem Betriebsvermögen aus und sollten Privateigentum des Vaters werden. Das Finanzamt erkannte den Vater nicht als Mitunternehmer der KG an und behandelte deshalb den Sohn als Einzelkaufmann. Diese rechtliche Würdigung ist nicht mehr streitig.
Das Finanzamt ließ bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der OHG für 1954 die Entnahme der drei Mietwohngrundstücke nur zu ihrem Teilwert zu und erhöhte den Gewinn um den Unterschied zwischen den Buchwerten und den ermittelten Teilwerten in Höhe von 71.685 DM. In der Berufung wandten sich die Bf. einmal gegen die Höhe der Entnahmen und zudem dagegen, daß der Entnahmegewinn in der streitigen einheitlichen Gewinnfeststellung nicht als ein nach § 34 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn bezeichnet wurde.
Das Finanzgericht billigte die Ermittlung der Entnahmewerte und sah den Entnahmegewinn als einen laufenden Gewinn und nicht als einen Veräußerungsgewinn an. Der Gewinn wäre so begründete das Finanzgericht seine Auffassung, auch entstanden, wenn die Mietwohngrundstücke schon vorher und nicht erst bei Umwandlung der OHG aus dem Betriebsvermögen entnommen worden wären. Ein Veräußerungsgewinn könne nur dann vorliegen, wenn der Entnahmegewinn von dem Wert des Anteils des Vaters am Betriebsvermögen abhängig gewesen wäre. Das Finanzgericht halte es für billig, daß der durch die Entnahme der Mietwohngrundstücke entstandene Gewinn auf beide Gesellschafter gleichmäßig verteilt werde.
Mit der von den Bf. eingelegten Rb. wird beantragt, den sich aus der Entnahme der Grundstücke ergebenden, bei der einheitlichen Gewinnfeststellung berücksichtigten Entnahmegewinn von 71.685 DM als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn (ß 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG) anzusehen und diesen Teil des Gewinns in voller Höhe dem Vater zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bf. ist begründet.
Zu den nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG tariflich begünstigten Veräußerungsgewinnen gehören unter anderen Gewinne, die durch die Veräußerung oder Aufgabe eines Anteils eines Mitunternehmers erzielt werden (ß 16 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3 EStG). Im Gegensatz zur Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb führt die unentgeltliche übertragung des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb zu keiner Auflösung der stillen Reserven und damit zu keiner Gewinnrealisierung, weil der übertragende Betriebsinhaber in seiner Schlußbilanz die bisherigen Buchwerte ansetzt und der Rechtsnachfolger an diese Werte gebunden ist (ß 5 Abs. 1 EStDV 1953). Die Betriebsveräußerung (ß 16 Abs. 1 EStG) unterscheidet sich von der unentgeltlichen übertragung des Betriebs (ß 5 EStDV) begrifflich dadurch, daß nur bei der Betriebsveräußerung ein Entgelt gezahlt wird und dadurch die im Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven aufgelöst werden. Eine solche entgeltliche oder unentgeltliche Betriebsübertragung liegt nur dann vor, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebs, besonders die Betriebsorganisation, die Kundschaft und die sonstigen immateriellen Werte des Unternehmers, in der Weise auf einen anderen als den bisherigen Betriebsinhaber übergehen, daß der Betrieb als lebender Organismus des Wirtschaftslebens von dem anderen fortgeführt werden kann. Behält der bisherige Betriebsinhaber bei der Betriebsübertragung Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zurück, um sie entweder dem anderen pachtweise zur Verfügung zu stellen, sie in sein Privatvermögen zu überführen oder sie bei sich bietender Gelegenheit zu veräußern, so kommt es auf die Umstände des Falles an, ob dadurch die entgeltliche oder unentgeltliche Betriebsübertragung zu einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter oder zu einer Betriebsaufgabe wird. Die Rechtsprechung hat in mehreren Fällen auch bei der Zurückbehaltung des Betriebsgrundstücks eine steuerlich begünstigte Betriebsveräußerung dann angenommen, wenn der Erwerber trotz der Zurückbehaltung den Betrieb als lebenden Organismus fortsetzen konnte und nicht in einem Umfang zu Neuanschaffungen oder sonstigen betrieblichen Maßnahmen gezwungen war, daß in der Hand des Erwerbers ein neuer wirtschaftlicher Organismus entstand und damit eine Betriebsneugründung vorlag (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 321/32 vom 19. Mai 1932, RStBl 1932 S. 1021; VI 588/37 vom 24. November 1937, RStBl 1938 S. 95; VI 180/41 vom 18. Februar 1942, RStBl 1942 S. 682, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 368/55 U vom 7. März 1957, BStBl 1947 III S. 209, Slg. Bd. 64 S. 556). Die Zurückbehaltung von Betriebsgrundstücken schließt deshalb nicht die Annahme einer Betriebsveräußerung oder unentgeltlichen Betriebsübertragung aus. Diesen Ausführen steht das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 295/60 U vom 27. Juni 1961, BStBl 1961 III S. 514, nicht entgegen. Denn der Bundesfinanzhof ging in dieser Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß der Vater durch die übereignung der Holzvorräte, der Maschinen, der Werkzeuge und des Kraftwagens auf den Sohn nicht den lebenden Organismus des Betriebs übertrug, weil er nicht nur das Grundstück, sondern auch nicht unerhebliche Aktiva und Passiva zurückbehielt.
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die unentgeltliche Betriebsübertragung durch einen Einzelkaufmann, sondern auch für die unentgeltliche übertragung eines Anteils am Betrieb. Der Senat trägt im vorliegenden Fall in übereinstimmung mit den Vorinstanzen schon deshalb keine Bedenken, eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Sinne des § 5 EStDV 1953 an den Sohn anzunehmen, weil die von der übertragung an den Sohn ausgenommenen Grundstücke schon bisher bürgerlichrechtlich im Alleineigentum des Vaters standen und dem Betrieb vom Vater zur Verfügung gestellt waren. Da sich durch das Ausscheiden des Vaters daran, daß die Grundstücke dem Betrieb zur Nutzung zur Verfügung standen, nichts änderte und nur die steuerliche Betrachtung, auf Grund deren die dem Vater allein gehörenden Grundstücke als Betriebsvermögen der Personengesellschaft erschienen, infolge des Ausscheidens des Vaters aus dem Betrieb zur Annahme eines übergangs der Grundstücke vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen des Vaters zwingt, kann unbedenklich der übergang des bisherigen Betriebs des Vaters auf den Sohn bejaht werden.
Daß das Ausscheiden des Vaters aus dem Betrieb der Personengesellschaft zu einem Gewinn in Höhe des Unterschieds zwischen den Buchwerten und den gemeinen Werten der Grundstücke führte, ist in der Rb. nicht mehr streitig. Eine tarifliche Begünstigung dieses Gewinns nach § 34 EStG ist, da eine Betriebsveräußerung im engeren Sinne nicht in Betracht kommt, nur dann möglich, wenn eine der Veräußerung gleichstehende Betriebsaufgabe im Sinn des § 16 Abs. 3 EStG vorlag. Veräußert der Steuerpflichtige seinen Betrieb und hält er einzelne Wirtschaftsgüter zurück, um sie in sein Privatvermögen zu nehmen und durch Vermietung oder Verpachtung zu nutzen, so besteht keine Veranlassung, diesen Vorgang steuerlich anders zu würdigen als die in einem Akt erfolgte Einstellung des Betriebs unter Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter. Daß im zweiten Fall eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 und § 34 EStG vorliegt, kann nicht zweifelhaft sein. Ebenso wie demnach eine Betriebsaufgabe vorliegt, wenn gleichzeitig in einem einheitlichen Vorgang und nicht nach und nach die zum bisherigen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter ganz oder wenigstens in der Hauptsache veräußert werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV 181/40 vom 13. November 1940, RStBl 1940 S. 1066), so wird eine Betriebsaufgabe nicht dadurch ausgeschlossen, daß die die Grundlage des Betriebs als eines einheitlichen Organismus bildenden Wirtschaftsgüter im Wege der Betriebsveräußerung auf einen anderen übergehen und einzelne Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen übernommen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 368/55 U vom 7. März 1957, BStBl 1957 III S. 209, Slg. Bd. 64 S. 556). In diesen Fällen schließt die Betriebsveräußerung die gleichzeitige Aufgabe des Betriebs nicht aus. Das hat zur Folge, daß die im gleichen Kalenderjahr durch die Betriebsveräußerung und die überführung ins Privatvermögen insgesamt aufgelösten stillen Reserven nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG versteuert werden. Voraussetzung ist allerdings, daß die von der Veräußerung ausgenommenen Wirtschaftsgüter nicht nur deshalb zurückbehalten werden, um sie so bald als möglich zu veräußern. Denn dann liegen nachträgliche, steuerlich nicht begünstigte gewerbliche Einnahmen vor. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zweck der Tarifbegünstigung des § 34 EStG wäre es jedoch nicht gerechtfertigt, die aufgelösten stillen Reserven in den zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern dann dem vollen Steuersatz zu unterwerfen, wenn an die Stelle der Betriebsveräußerung die unentgeltliche Betriebsübertragung tritt und damit insoweit die stillen Reserven in dem übertragenen Betrieb nicht aufgelöst werden. Voraussetzung ist allerdings auch hier, daß die Betriebsübertragung und die Auflösung der stillen Reserven in den zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern einen einheitlichen Vorgang darstellen.
Das Verlangen der Bf., daß der sich ergebende Aufgabe- oder Entnahmegewinn allein dem Vater zugerechnet werde, ist begründet. Denn diese Gewinne sind, wenn sich aus den Umständen des Falles nichts anderes ergibt, dem Gesellschafter zuzurechnen, der bürgerlichrechtlich und wirtschaftlich Eigentümer der übertragenen oder entnommenen Wirtschaftsgüter ist. Von dieser Regel abzuweichen, besteht hier um so weniger Anlaß, als beide Mitunternehmer der früheren OHG diese Verteilung verlangen.
Fundstellen
Haufe-Index 410374 |
BStBl III 1962, 190 |
BFHE 1962, 506 |
BFHE 74, 506 |