Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenlose Arbeitnehmerbeförderung umsatzsteuerpflichtig
Leitsatz (NV)
1. Kostenlose Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unterliegen der Umsatzsteuer zum vollen Steuersatz.
2. Haben die Arbeitnehmer für die Beförderung zwar ein Entgelt zu bezahlen, deckt dieses aber nicht die Kosten, sind die gesamten Kosten Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ in den Streitjahren 1980 und 1981 ihre Arbeitnehmer durch Busunternehmen im genehmigten Linienverkehr von der Wohnung zur Arbeitsstätte und wieder zurück befördern. Für die Beförderung berechnete sie ihren Arbeitnehmern Fahrtkosten, die nur einen Teil der ihr entstandenen Kosten deckten.
In den Umsatzsteuererklärungen 1980 und 1981 unterwarf die Klägerin die Beförderungsleistungen mit den von ihren Arbeitnehmern vereinnahmten Fahrtkosten der Umsatzsteuer, und zwar zum ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980, soweit die Beförderung im Nahverkehr erfolgt war. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte die Auffassung der Klägerin, daß die Differenz zwischen den von den Arbeitnehmern gezahlten Fahrtkosten und den insgesamt entstandenen Kosten nichtsteuerbar sei, nicht und bezog die Differenzbeträge in die Berechnung der Umsatzsteuer ein, zum Teil nach dem ermäßigten Steuersatz. Die der Klägerin zustehende Umsatzsteuervergütung verminderte sich dadurch für 1980 um . . . DM auf . . . DM und für 1981 um . . . DM auf . . . DM. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Während des Klageverfahrens erließ das FA am . . . einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1980, mit dem es die Umsatzsteuer auf . . . DM festsetzte und die streitige Umsatzsteuer für den unentgeltlichen Teil der Beförderungsleistungen auf . . . DM erhöhte.
Die Klägerin beantragte, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) sind nur die der Klägerin von ihren Arbeitnehmern erstatteten Fahrtkosten umsatzsteuerpflichtig.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 2 und § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG 1980. Nach seiner Auffassung unterliegen die gesamten von der Klägerin für die Beförderung aufgewandten Kosten der Umsatzsteuer.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Bemessungsgrundlage für die Beförderungsleistungen der Klägerin sind die von ihr dafür aufgewendeten Kosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980).
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1980 gilt § 10 Abs. 4 UStG 1980 entsprechend für Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an seine Arbeitnehmer oder deren Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt, wenn die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG 1980 das Entgelt gemäß § 10 Abs. 1 UStG 1980 übersteigt. Entsprechend anwendbar ist im Streitfall § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980. Nach dieser Vorschrift wird der Umsatz u. a. bei sonstigen Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG 1980 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten bemessen.
Soweit das FG § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1980 einschränkend ausgelegt hat, weil es meinte, daß unentgeltliche Arbeitnehmerbeförderung nichtsteuerbar sei, steht dem die zwischenzeitliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen. Wie der Senat im Urteil vom 11. März 1988 V R 30/84 (BFHE 153, 155, BStBl II 1988, 643) entschieden hat, unterliegen ,,kostenlose" Beförderungen der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG 1980 der Umsatzsteuer. Auf das Urteil wird Bezug genommen. Das Urteil des FG war danach aufzuheben.
2. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die der Klägerin entstandenen Kosten für die Beförderung der Arbeitnehmer sind nicht streitig. Daß der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG 1980 nicht hätte angewendet werden dürfen, weil die Klägerin selbständige Unternehmer mit der Beförderung der Arbeitnehmer beauftragt hat (Senatsurteil in BFHE 153, 155, BStBl II 1988, 643), ist für die Revisionsentscheidung ohne Bedeutung. Die angefochtenen Steuerbescheide dürfen im Klageverfahren nicht zu Lasten der Klägerin geändert werden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102, 202, BStBl II 1971, 591; ständige Rechtsprechung).
Fundstellen