Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei dem gegenwärtigen Stand der Motorisierung und dem gehobenen Lebensstandard sind die mit der Haltung eines PKW verbundenen Kosten auch bei einem erheblich gehbehinderten, um 40 v. H. in der Erwerbsfähigkeit geminderten verheirateten Beamten mit einem Kind und einem Monatsgehalt von etwa 1.500 DM keine außergewöhnliche Belastung.
Normenkette
EStG § 33; LStDV § 25
Tatbestand
Der Bf. ist durch Verkürzung des rechten Beins um 4 cm und Verformung des Hüftgelenks um 40 v. H. in der Erwerbsfähigkeit gemindert. Ihm wurde auf der Lohnsteuerkarte für 1962 antragsgemäß der pauschale Freibetrag nach § 26 LStDV 1962 von 480 DM eingetragen. Am 29. August 1962 kaufte er einen PKW für 6.516 DM. Die festen Kosten machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Sie setzen sich zusammen aus 1.303 DM Absetzung für Abnutzung (20 v. H. von 6.516 DM), 216 DM Kraftfahrzeugsteuer, 236 DM Haftpflichtversicherung, 250 DM Kaskoversicherung, 36 DM Autoinsassenversicherung und 480 DM für Garagenmiete; von den danach sich ergebenden 2.521 DM kürzte er die zumutbare Eigenbelastung. Es blieben danach Jahresaufwendungen von 1.800 DM übrig, von denen er für vier Monate einen Freibetrag von 600 DM nach § 33 EStG begehrte. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.
Die Sprungberufung des Bf. hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Der Bf. könne über die Steuerermäßigung nach § 33 a EStG hinaus einen Lohnsteuerfreibetrag nur beanspruchen, wenn die Voraussetzungen des § 33 EStG vorlägen. Die Körperbehinderung des Bf. sei jedoch nicht so schwer, daß er einen PKW benötige. Der Bf. könne sich nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 344/58 U vom 23. November 1961 (BStBl 1962 III S. 123, Slg. Bd. 74 S. 321) berufen, da es sich in jenem Fall um einen Kriegsbeschädigten gehandelt habe, der beide Beine verloren hatte. Eine so schwere Gehbehinderung liege bei dem Bf. nicht vor. Der Bf. könne sich, wenn auch behindert, doch ohne Fahrzeug fortbewegen.
Der Bf. rügt mit seiner Rb. unrichtige Anwendung des § 33 EStG. Er trügt vor, es sei bei Steuerpflichtigen seiner Einkommensverhältnisse nicht allgemein üblich, einen PKW zu halten. Er sei zur Anschaffung des Wagens durch eine im Frühjahr 1961 eingetretene erhebliche Verschlimmerung seiner Kriegsverletzung veranlaßt worden, die schließlich zu einer auf den 1. August 1961 vorgenommenen rückwirkenden Erhöhung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit auf 50 v. H. geführt habe. Aus der Art der Verschlechterung, die ausschließlich auf arthritische Verformungen des Hüftgelenks des durch Kriegseinwirkung verkürzten Beines zurückzuführen sei, habe er sich auf ärztliches Anraten zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs entschlossen, da selbst kurze Wege zu Fuß ihm unerträgliche Schmerzen bereiteten. Das Finanzgericht habe die ihm vorgelegten gutachtlichen Feststellungen der "Chirurgischen Klinik der berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten X." überhaupt nicht erwähnt, obgleich auch darin die dauernden Schmerzzustände bestätigt seien. Wenn es sich auch in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil um einen Doppelbeinamputierten gehandelt habe, so sei er doch nicht nur wie ein Beinamputierter gehbehindert, sondern jede Beinbelastung sei für ihn sehr schmerzhaft. Daß heute immer mehr Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug benutzten, spreche nicht gegen eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nach § 33 EStG; denn für den überwiegenden Teil der Steuerpflichtigen seiner Einkommensverhältnisse treffe das nicht zu. Er habe ursprünglich nur die festen Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Nachdem das Finanzamt diese nicht anerkannt habe, habe er während des Verfahrens vor dem Finanzgericht seine Betriebskosten und seine Aufwendungen für die Erlangung des Führerscheins in seinen Antrag einbezogen und einen Freibetrag von 729 DM beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG abgelehnt, weil es die mit der Haltung des PKW zusammenhängenden festen Kosten nicht für zwangsläufig gehalten hat. Es ist der Auffassung, der Bf. stehe einem Beinamputierten nicht gleich, so daß aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 344/58 U (a. a. O.) keine Folgerungen zu seinen Gunsten zu ziehen seien. Für diese Beurteilung spricht viel. Ob die Einwendungen des Bf. dagegen begründet sind, braucht jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil der Senat der Auffassung ist, daß es im Streitfall an der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen fehlt. Das Monatsgehalt des Bf., dem ein Freibetrag für ein Kind zustand, betrug zur Zeit der Anschaffung des PKW etwa 1.500 DM. Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften in dieser Höhe ist die Anschaffung eines Kraftwagens angesichts der Motorisierung im Lauf der letzten Jahre und bei dem gegenwärtig allgemein gehobenen Lebensstandard nicht außergewöhnlich. Daß der Bf. durch seine Gehbehinderung mit zur Anschaffung des PKW veranlaßt wurde, ändert hieran nichts. Nahezu alle Steuerpflichtigen, die bei ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ein Kraftfahrzeug halten können, werden durch irgendwelche Gründe dazu angeregt. Da letzten Endes aber ihre wirtschaftlichen Verhältnisse für die Anschaffung ausschlaggebend sind, haben diese anderen Erwägungen in der Regel nur eine untergeordnete Bedeutung.
Sowohl der ursprüngliche wie auch der Antrag beim Finanzgericht sind daher nicht begründet. Das Urteil des Finanzgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 411174 |
BStBl III 1964, 307 |
BFHE 1964, 208 |
BFHE 79, 208 |