Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Aufgabegewinns durch spätere Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft
Leitsatz (NV)
1. Aufgabekosten sind entsprechend § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG alle Aufwendungen (Betriebsausgaben), die durch die Betriebsaufgabe veranlasst sind.
2. Die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft gehört zu den Aufgabekosten wenn die Übernahme der Bürgschaft durch die Betriebsaufgabe veranlasst ist.
3. Die nachträgliche Veränderung der Aufgabekosten durch die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft ist zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zu berücksichtigen. Hierzu sind bestandskräftige Feststellungsbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 S. 1; EStG 1992 § 4 Abs. 4, § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 2-3; FGO § 11 Abs. 3, § 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten. Sie waren die alleinigen Kommanditisten der N-KG. Ihre Kommanditeinlage betrug jeweils 500 000 DM. Komplementärin der KG war die N-GmbH (GmbH). Die GmbH war am Vermögen der KG nicht beteiligt. Alleingesellschafter der GmbH mit einem Geschäftsanteil von 50 000 DM war der Kläger.
Die KG betrieb seit Januar 1983 in X einen Baumarkt. Eigentümer des Betriebsgrundstücks war der Kläger. Die KG finanzierte die von ihr bezogenen Waren durch Wechselkredite, die ihr von der E-AG mit Sitz in der Schweiz bis zu einem Höchstbetrag von 1 300 000 DM gewährt wurden. Die Rückzahlung der Wechselkredite war mit einer Frist von drei Monaten fällig. Die Wechselkreditierung wurde laufend fortgesetzt. Die Kläger übernahmen für die Ansprüche der E-AG gegen die KG aus den Wechselkrediten bis zu einem Höchstbetrag von 1 300 000 DM die selbstschuldnerische Bürgschaft.
Der Kläger verkaufte und übertrug durch notariell beurkundeten Vertrag vom 5. Juni 1992 mit Wirkung zum 1. Juli 1992 seinen Geschäftsanteil an der GmbH zu einem Kaufpreis von 50 000 DM an Y.
Bereits zuvor hatte die KG mit Y durch Vertrag vom 22. Mai 1992 vereinbart, dass Y als (zukünftiger) Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH die "wesentlichen Geschäftsgrundlagen" der KG zum 1. Juli 1992 übernehmen sollte. Als (vorläufiger) Kaufpreis war ein Betrag von 1 800 000 DM vereinbart. Hiervon entfielen ca. 400 000 DM auf Anlagevermögen, ca. 849 000 DM auf sog. Lager- und Geschäftsbestände, 151 000 DM auf eine Beteiligung und 400 000 DM auf den Geschäftswert. Die genauen Werte sollten durch eine Inventur ermittelt werden. Forderungen und Verbindlichkeiten der KG sollten nicht auf Y übertragen werden. Der Kläger verpflichtete sich, die bisher von der KG genutzten Betriebs- und Geschäftsräume in X an Y zu vermieten.
Die GmbH schloss mit der E-AG unter dem 10. Juni 1992 eine Vereinbarung zur Durchführung des Abrechnungs- und Zahlungsverkehrs. Darin verpflichtete sich die E-AG, zukünftig Lieferantenverbindlichkeiten der GmbH bis zu einem Höchstbetrag von 1 300 000 DM durch Wechselkredite zu finanzieren. Ebenfalls unter dem 10. Juni 1992 übernahmen die Kläger gegenüber der E-AG für Schulden der GmbH eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 1 300 000 DM. Diese Bürgschaftserklärung gaben die Kläger ab, weil die E-AG der GmbH den Wechselkredit nur zur Verfügung stellen wollte, wenn sich die Kläger weiterhin persönlich verbürgten. Ohne die Absicherung des Wechselkredits durch die Bürgschaft der Kläger hätte die E-AG der GmbH den Kredit nicht zur Verfügung gestellt und die Veräußerung der Betriebsgrundlagen der KG an Y wäre nicht zustande gekommen.
Die GmbH führte ab dem 1. Juli 1992 den zuvor von der KG betriebenen Baumarkt fort. Die KG wurde liquidiert und anschließend im Handelsregister gelöscht. Der Kläger übernahm das zum Betrieb des Baumarkts vermietete Betriebsgrundstück und -gebäude in X in sein Privatvermögen.
Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen leitete die E-AG verschiedene Geschäfte, darunter auch die Vergabe der Wechselkredite an die GmbH, auf die L-AG über. Auf Verlangen der L-AG schloss die GmbH mit der L-AG eine neue Vereinbarung über die Gewährung der Wechselkredite in Höhe von wiederum 1 300 000 DM. Die Kläger übernahmen mit Bürgschaftserklärung vom 20. Juni 1995 erneut die selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 1 300 000 DM für die Schulden der GmbH. Diese Bürgschaft löste die zugunsten der E-AG übernommene Bürgschaft ab. Die L-AG wurde später in M-AG umfirmiert.
Wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der GmbH kündigte die M-AG mit Schreiben vom 17. Januar 1997 das Wechselkreditverhältnis fristlos. Nachdem die GmbH der Aufforderung der M-AG zur Rückzahlung des Kredits nicht nachgekommen war, nahm die M-AG die Kläger mit Schreiben vom 7. Februar 1997 aus der Bürgschaft in voller Höhe in Anspruch. Die Kläger zahlten daraufhin an die M-AG den Betrag von 1 300 000 DM. Die M-AG bestätigte mit Schreiben vom 6. März 1997 den Zahlungseingang und teilte den Klägern zugleich mit, dass sämtliche Ansprüche, Rechte und Sicherheiten aus der Sicherungsübereignung des Warenlagers der GmbH auf sie, die Kläger, übergegangen seien.
Die Kläger bemühten sich in der Folgezeit vergeblich, bei der GmbH Regress zu nehmen und Sicherheiten zu verwerten. Über das Vermögen der GmbH wurde noch im Jahr 1997 das Konkursverfahren eröffnet. Die GmbH wurde nach Abwicklung des Verfahrens im Handelsregister gelöscht.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte die gewerblichen Einkünfte der Kläger aus der Beteiligung an der KG für das Streitjahr (1992) zunächst erklärungsgemäß gesondert und einheitlich fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA einen Änderungsbescheid vom 26. November 1996, mit dem es den Klägern neben den --hier nicht streitigen-- laufenden Verlusten einen Aufgabegewinn in Höhe von jeweils 236 935 DM zurechnete. Der Änderungsbescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem die Kläger von der M-AG aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden waren, beantragten sie, den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (erneut) gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und bei der Ermittlung des Aufgabegewinns die Zahlung der 1 300 000 DM gewinnmindernd zu berücksichtigen. Das FA lehnte den Antrag ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 957 veröffentlichten Gründen statt. Die Aufwendungen aus der Bürgschaftsinanspruchnahme seien bei der Ermittlung des Aufgabegewinns gemäß § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Auslösendes Element für die Eingehung der Bürgschaft und damit auch für die spätere Inanspruchnahme sei die Betriebsaufgabe gewesen. Y sei nach dem vom FA nicht bestrittenen Vortrag der Kläger zur Fortführung des Betriebs darauf angewiesen gewesen, dass die E-AG der GmbH den Wechselkredit einräumte. Hierzu sei die E-AG jedoch nur bereit gewesen, wenn sich die Kläger weiterhin für diesen Betrag verbürgten. Mit der Übernahme der Bürgschaft zu Gunsten der L-AG sei kein neuer, den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernder wirtschaftlicher Zusammenhang entstanden. Die Kläger hätten --wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei-- diese Erklärung lediglich "zur Bereinigung der Papierform" auf Wunsch der L-AG als Kreditgeber abgegeben. Die nachträgliche Entstehung der Aufgabekosten wirke materiell-rechtlich auf den Aufgabezeitpunkt zurück und sei verfahrensrechtlich als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Zahlungen der Kläger auf die Bürgschaftsverpflichtung zutreffend als Minderung des Aufgabegewinns im Streitjahr berücksichtigt.
1. Das FG hat zu Recht davon abgesehen, die GmbH als ehemalige persönlich haftende Gesellschafterin der vollbeendeten KG nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen. Klagen nach Beendigung einer Personengesellschaft einzelne Gesellschafter, kann eine Beiladung der nicht klagenden Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO ausnahmsweise unterbleiben, wenn die nicht klagenden Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juni 1994 VIII R 20/93, BFH/NV 1995, 318, unter II.1.b der Gründe, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall. Denn die Zuordnung der von den Klägern geltend gemachten (Sonder-)Betriebsausgaben zum Aufgabegewinn des Streitjahres (1992) betrifft ausschließlich die Besteuerung der Kläger.
2. Im Streitfall steht aufgrund des bestandskräftigen Feststellungsbescheids vom 26. November 1996 aus verfahrensrechtlichen Gründen fest, dass im Streitjahr eine begünstigte Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG stattgefunden hat (vgl. zur verfahrensrechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Besteuerungsgrundlagen im Falle ihrer gesonderten Feststellung z.B. BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509). Auch das vorliegende Verfahren betrifft nicht die Frage, ob im Streitjahr ein Aufgabegewinn erzielt wurde, sondern nur, in welcher Höhe dieser festzustellen ist und ob die bestandskräftige Feststellung insoweit noch geändert werden kann.
3. Der Aufgabegewinn ist um die von den Klägern zur Tilgung der Bürgschaftsverpflichtung geleisteten Zahlungen zu mindern.
a) Aufgabegewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 (heute Satz 6) und Satz 3 (heute Satz 7) i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung der Betrag, um den die Summe aus dem Veräußerungspreis für die im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, aus dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und aus den in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufgabe angefallenen sonstigen Erträgen oder Aufwendungen nach Abzug der Aufgabekosten den (Buch-)Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Aufgabe übersteigt (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 212).
Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist --ebenso wie sonst im Einkommensteuerrecht-- auch bei der Abgrenzung, ob Aufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) bei der Ermittlung des laufenden Gewinns zu berücksichtigen oder Veräußerungs- bzw. Aufgabekosten i.S. von § 16 EStG sind, auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97, BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458, und vom 20. Januar 2005 IV R 22/03, BFHE 209, 108, BStBl II 2005, 559). Aufgabekosten sind entsprechend § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG somit alle Aufwendungen (Betriebsausgaben), die durch die Betriebsaufgabe veranlasst sind (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 305; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz 487).
Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit der Betriebsaufgabe zusammenhängen und subjektiv der Betriebsaufgabe zu dienen bestimmt sind (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, unter C.I.2.a aa der Gründe, und vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160). Die Aufwendungen müssen demnach in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe stehen. Maßgebend dafür, ob ein derartiger (Veranlassungs-)Zusammenhang besteht, ist zum einen die (wertende) Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2. der Gründe).
Die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen durch eine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit (hier: die Betriebsaufgabe) veranlasst sind, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Wesentlichen eine Frage der Feststellung und der Würdigung des Sachverhalts, die in erster Linie dem FG obliegt und in der Regel für den BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend ist, es sei denn, dass vom Revisionsgericht zu berücksichtigende Verfahrensverstöße bei der Feststellung des Sachverhalts vorgekommen sind oder die Würdigung einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze enthält (vgl. BFH-Urteile vom 10. April 1969 IV R 187/68, BFHE 96, 24, BStBl II 1969, 522; vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522; vom 25. Oktober 1985 III R 173/80, BFH/NV 1986, 281; vom 26. Januar 2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349, und vom 22. Juni 2006 VI R 61/02, BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782). Die Gesamtwürdigung des FG erzeugt darüber hinaus dann keine Bindungswirkung gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn das FG die maßgeblichen Umstände nicht vollständig in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 63/01, BFH/NV 2006, 728, unter II.2. der Gründe).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Auffassung der Vorinstanz, die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gehöre zu den in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe angefallenen Aufwendungen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das FG konnte sich davon überzeugen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass Y zur Fortführung des Betriebs der KG durch die vom Kläger erworbene GmbH und damit auch zum Erwerb der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter der KG darauf angewiesen war, dass die E-AG weiterhin den Wechselkredit zur Verfügung stellte. Hierzu war die E-AG nach den tatsächlichen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen des FG indessen nur bereit, wenn sich die Kläger für die Verbindlichkeiten der GmbH verbürgten. So ist in der Vereinbarung zwischen der E-AG und der GmbH zur Durchführung des Abrechnungs- und Zahlungsverkehrs die Übernahme der Bürgschaft durch die Kläger zur Absicherung der E-AG ausdrücklich vorgesehen.
Hiernach wäre die Veräußerung der Wirtschaftsgüter der KG an Y ohne die Eingehung der Bürgschaft nicht möglich gewesen. Bei Y handelte es sich nach den Feststellungen des FG um den einzigen Interessenten. Das bedeutet, dass die Kläger die Bürgschaft für die (künftigen) Darlehensschulden der GmbH nur übernommen haben, weil sie sonst die für sie günstige Veräußerung der Wirtschaftsgüter der KG an Y nebst dem daraus zu erzielenden Veräußerungsgewinn zu den Bedingungen des Vertrags vom 22. Mai 1992 nicht hätten realisieren können. Auslösendes Moment für die Übernahme der Bürgschaft war damit das im Zuge der Betriebsaufgabe vorgenommene Veräußerungsgeschäft.
Dieser Bestimmungsgrund ist auch der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzurechnen. Denn die Veräußerung der Wirtschaftsgüter der KG im Rahmen der Betriebsaufgabe gehört gemäß § 16 EStG zum einkommensteuerbaren Bereich.
bb) Das FG hat darüber hinaus erwogen, ob die Übernahme der Bürgschaft auch durch die Vermietung des Geschäftsgrundstücks (mit-)veranlasst war. Das FG hat einer solchen (Mit-)Veranlassung indessen nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen und sie dementsprechend steuerrechtlich als unbeachtlich angesehen. Diese Würdigung des FG hält revisionsrechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand, da sie zumindest möglich ist und weder gegen die Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstößt.
cc) Der Veranlassungszusammenhang wurde nicht dadurch gelöst, dass die Kläger im Jahr 1995 gegenüber der L-AG (erneut) eine Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der GmbH aus den Wechselkrediten übernahmen, die an die Stelle der zugunsten der E-AG eingegangenen Bürgschaft trat. Zwar handelte es sich zivilrechtlich insoweit um eine neue Verpflichtung der Kläger. Dies steht der Fortwirkung des einmal begründeten Veranlassungszusammenhangs aber nicht entgegen. Denn es ist anerkannt, dass auch eine neu begründete Verbindlichkeit betrieblich veranlasst sein kann, wenn und soweit sie eine Betriebsschuld ersetzt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.3.d der Gründe, m.w.N.).
Hiervon ist im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG auszugehen. Die Kläger übernahmen die Bürgschaft zugunsten der L-AG für deren Forderungen gegenüber der GmbH aus den Wechselkrediten. Die Bürgschaft zugunsten der L-AG entsprach sowohl inhaltlich als auch der Höhe nach der bereits zugunsten der E-AG übernommenen Bürgschaft. Die neue Bürgschaft trat an die Stelle der zuvor zugunsten der E-AG übernommenen Bürgschaft; nach den Feststellungen des FG war die Bürgschaftserklärung nur "zur Bereinigung der Papierform" abgegeben worden. Die neue Bürgschaft war damit in gleichem Maße durch die Betriebsaufgabe veranlasst wie die ursprüngliche Bürgschaft. Auch das FA hat für die Übernahme der Bürgschaft zugunsten der L-AG kein anderes auslösendes Moment dargelegt.
c) War hiernach die Abgabe des maßgebenden Bürgschaftsversprechens durch die Betriebsaufgabe veranlasst, so sind auch die Zahlungen der Kläger auf die Bürgschaft als betrieblich veranlasste Aufgabekosten (Sonderbetriebsausgaben) zu berücksichtigen und mindern entsprechend den Aufgabegewinn. Ersatzansprüche gegen die GmbH (§§ 670, 774 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) konnten die Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz nicht realisieren.
d) Da es für die steuerrechtliche Einordnung der Bürgschaftsaufwendungen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Bürgschaftsversprechens ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 IV R 42/96, BFH/NV 1997, 837), ist es für die Veranlassung der Aufwendungen durch die Betriebsaufgabe --entgegen der Ansicht des FA-- ferner unerheblich, ob die spätere Inanspruchnahme der Kläger aus der Bürgschaft im Wesentlichen auf der folgenden schlechten Geschäftsentwicklung der GmbH beruhte.
4. Der erkennende Senat ist mit dem FG des Weiteren der Auffassung, dass der bestandskräftig gewordene Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 26. November 1996 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch geändert werden konnte. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gilt nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für gesonderte Feststellungen entsprechend.
Aus den Beschlüssen des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) und GrS 1/92 (BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894) ergibt sich, dass nachträgliche Minderungen oder Erhöhungen der Veräußerungskosten zum Zeitpunkt der Veräußerung berücksichtigt werden müssen. Diese Ereignisse wirken gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Veräußerungszeitpunkt zurück.
Die vom Großen Senat des BFH in den beiden genannten Entscheidungen entwickelten Rechtsgrundsätze sind auf die Besteuerung des Gewinns aus der Aufgabe eines Betriebs (§ 16 Abs. 3 EStG) --wie sie im Streitfall vorliegt-- ebenfalls anzuwenden (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564, und vom 8. Oktober 1997 XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701). Hiernach ist eine nachträgliche Veränderung der Aufgabekosten zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zu berücksichtigen. Das gilt auch für den Fall, dass ein (Mit-)Unternehmer später aus einer von ihm aus Anlass der Betriebsaufgabe bestellten Bürgschaft in Anspruch genommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 36/95, BFH/NV 1997, 216; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 362). Die entsprechende Steuerfestsetzung bzw. gesonderte Feststellung ist dann gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Dem steht --anders als das FA meint-- nicht entgegen, dass die verbürgten Verbindlichkeiten und die Aufwendungen aus der Bürgschaftsinanspruchnahme erst nach der Betriebsaufgabe entstanden sind. Da die Aufgabekosten nur durch den sachlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe, nicht aber durch eine zeitliche Zuordnung bestimmt werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92, BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287), sind sämtliche Aufgabekosten ohne Rücksicht auf ihre zeitliche Entstehung bei der Ermittlung des Aufgabegewinns im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe abzusetzen. Ohne Bedeutung ist insoweit ferner, dass die Bürgschaft nicht für Schulden der "aufgegebenen Gesellschaft" eingegangen wurde, sofern --wie im Streitfall-- ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Übernahme der Bürgschaft und der Betriebsaufgabe vorliegt.
5. Eine Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 FGO beim VIII. Senat des BFH ist im Streitfall nicht erforderlich.
Zwar hatte der VIII. Senat des BFH in dem Urteil vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83 (BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563) die Auffassung vertreten, eine nachträgliche Minderung von Aufwendungen, die bei der Gewinnermittlung nach § 16 Abs. 2 EStG als Veräußerungskosten zu behandeln sind, sei erst in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Minderung eingetreten ist. Für eine nachträgliche Erhöhung der Aufgabekosten kann insoweit nichts anderes gelten.
Das BFH-Urteil in BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563 ist indessen durch die Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 und in BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894 überholt. Im Übrigen ist dem oben bereits genannten Urteil des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 1997, 216 zu entnehmen, dass der VIII. Senat nunmehr ebenfalls die Auffassung vertritt, dass die Minderung des Aufgabegewinns durch die spätere Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zurückwirkt (s. dort unter 3.b bb der Gründe).
Fundstellen
Haufe-Index 2005668 |
BFH/NV 2008, 1311 |
DStRE 2008, 1031 |
HFR 2008, 1015 |