Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen zur Vorsorge für künftige Pflegeheimunterbringung keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Aufwendungen, mit welchen sich ein Steuerpflichtiger gegen die Kosten einer künftigen Pflegeheimunterbringung absichert, sind auch dann nicht außergewöhnlich, wenn wegen einer bereits bestehenden Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aufnahme in ein Pflegeheim zu erwarten ist.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die im Jahre 1920 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) leidet seit längerer Zeit an Multipler Sklerose. Sie wohnte im Streitjahr 1983 in einem Wohnstift der X-GmbH. Wegen des zu erwartenden Krankheitsverlaufs schloß sie 1980, beim Einzug in das Altenheim, mit der X-GmbH einen Vertrag, um ,,sich für den Fall des Eintritts der Pflegebedürftigkeit . . . gegen die durch eine Aufnahme in die Pflegestation entstehenden Mehrkosten abzusichern". Durch diese Vereinbarung soll die Aufkündigung des Appartements aus finanziellen Gründen verhindert werden. Gegen Zahlung einer verlorenen monatlichen Umlagepauschale von 50 DM, die auch bei Eintritt des Pflegefalles weiter zu entrichten war, sollen - unbeschadet der Dauer der Pflege - die Mehrkosten für einen eventuellen Aufenthalt in der Pflegestation des Heimes abgegolten werden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte die Klägerin u. a., die Aufwendungen für die Umlagepauschale (600 DM) gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) steuermindernd zu berücksichtigen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies - auch im Einspruchsverfahren - ab.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, bei den Aufwendungen für die Umlage handele es sich der Art nach um (pflegefall-)versicherungsähnliche Sonderausgaben, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten. Das Abzugsverbot des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG umfasse auch sonderausgabenähnliche Aufwendungen.
Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision, mit welcher die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie ist der Ansicht, die Aufwendungen für die Umlagepauschale seien aufgrund ihrer Erkrankung zwangsläufig erwachsen, denn das Krankheitsbild lasse mit Sicherheit eine Aufnahme in die Pflegeabteilung des Altenheims erwarten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und weitere 600 DM als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber über die Abzugsfähigkeit einer Pflegefallversicherung entschieden habe.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin im Streitjahr durch die Aufwendungen für die Umlagepauschale nicht außergewöhnlich belastet war.
Nach § 33 Abs. 1 EStG 1983 wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. zuletzt Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 2. März 1984 VI R 158/80, BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484 unter 1. a), jeweils m. w. N.) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag des § 32 a EStG abgegolten sind, erfüllen nicht den Tatbestand des § 33 EStG.
In Anwendung dieser Grundsätze rechnet die Rechtsprechung die Kosten für eine normale, altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim oder Altenwohnheim regelmäßig zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung (z. B. BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23). Im Gegensatz dazu werden krankheitsbedingte Aufwendungen stets als außergewöhnlich und aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig angesehen, soweit sie der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, eine Krankheit erträglich zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1987 III R 296/84, BFHE 151, 443, BStBl II 1988, 137 m. w. N.). Zu den gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Kosten rechnen dabei nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen, sondern auch Pflegekosten (BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 196/77, BFHE 131, 378, BStBl II 1981, 25). Entsprechend kann, im Unterschied zu den Kosten einer lediglich altersbedingten Unterbringung in einem normalen Altersheim, der Tatbestand des § 33 EStG erfüllt sein, wenn eine Heimunterbringung ausschließlich durch eine Krankheit veranlaßt ist und die tatsächlich angefallenen Pflegekosten von den zu den Aufwendungen der üblichen Lebensführung zählenden reinen Unterbringungskosten abgrenzbar sind (BFH in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).
Im Rahmen des § 33 EStG steuermindernd berücksichtigungsfähig sind derartige Aufwendungen jedoch nur, soweit sie unmittelbar der Heilung dienen oder das Ziel haben, eine Krankheit erträglich zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, und BFHE 151, 443, BStBl II 1988, 137). Dagegen erfüllen Aufwendungen zur Vorsorge für erst in Zukunft möglicherweise notwendige krankheitsbedingte Maßnahmen in der Regel den Tatbestand des § 33 EStG nicht. Derartige Aufwendungen sind ihrer Art und dem Grunde nach schon deshalb nicht außergewöhnlich, weil sie der überwiegenden Mehrzahl anderer, in vergleichbaren Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen ebenfalls erwachsen. Es ist nicht außergewöhnlich, daß ein alleinstehender Mensch Vorkehrungen für künftig möglicherweise erforderliche krankheitsbedingte Mehraufwendungen trifft. Die dabei anfallenden Kosten sind Teil der üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die durch den Grundfreibetrag (§ 32 a Abs. 2 EStG) abgegolten sind und für die, unter bestimmten im Streitfall nicht erfüllten Voraussetzungen, ein Sonderausgabenabzug gewährt wird.
Die Anwendung vorstehender Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Umlagepauschale nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ist. Nach ihren eigenen Angaben hielt sich die Klägerin im Streitjahr lediglich altersbedingt in dem Wohnstift auf. Sie erhielt in diesem Zeitraum nur die Betreuung, die bei Personen ihres Alters üblich ist. Die Zahlung der Umlagepauschale diente danach lediglich dem Zweck, Vorkehrungen dafür zu treffen, daß künftige, zu den Krankheitskosten zählende Pflegeleistungen finanziell tragbar wurden. An dieser Beurteilung ändert nichts die bereits bestehende Erkrankung der Klägerin. Entscheidend ist, daß die streitigen Aufwendungen im Streitjahr nicht mit dem Ziel erbracht wurden, die bereits vorhandene Erkrankung zu heilen oder erträglich zu machen.
Das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für die Umlagepauschale im Ergebnis zu Recht versagt. Es sind keine Gründe ersichtlich, die die von der Klägerin hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens rechtfertigen könnten (§ 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Insbesondere kann dies nicht ein Gesetzgebungsverfahren, das für die Besteuerung im Streitjahr keine Auswirkung hat. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417065 |
BFH/NV 1991, 84 |