Leitsatz (amtlich)
1. Für Streitigkeiten über die Ablieferung der Grunderwerbsteuerzuschläge durch das Finanzamt an die berechtigten kreisfreien Städte oder Kreise ist der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Finanzrechtsweg gegeben. Der in § 33 Abs. 2 FGO verwendete Begriff der Abgabenangelegenheiten umfaßt nicht die Ablieferung der Grunderwerbsteuerzuschläge an die kreisfreien Städte und die Kreise.
2. Zur Frage der Kostenentscheidung bei einer Verweisung im Revisionsverfahren.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nrn. 1, 4, Abs. 2; AGFGO NW § 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine früher kreisfreie Stadt, hat durch § 20 des Ruhrgebietgesetzes vom 9, Juli 1974 (GVBI 1974, 256) mit Ablauf des 31. Dezember 1974 ihre Kreisfreiheit verloren. Sie gehört nunmehr dem beigeladenen Kreis A an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) führte im Januar und im Februar 1975 von ihm vereinnahmte Grunderwerbsteuerzuschläge, die Erwerbsvorgänge im Stadtgebiet der Klägerin betrafen und die vor dem 1. Januar 1975 verwirklicht worden waren, an die Klägerin ab. Aufgrund eines Erlasses des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen und einer Anweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) forderte das FA die abgeführten Grunderwerbsteuerzuschläge von der Klägerin mit der Begründung zurück, diese Zuschläge ständen dem Kreis A zu.
Die Klägerin hat nach erfolglosem Beschwerdeverfahren Klage erhoben und (zuletzt) beantragt, den Rückforderungsbescheid vom 4. Juli 1977 aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht B zu verweisen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin hat ihren Klagantrag mit ihrer Revision weiterverfolgt.
Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Er hält den Finanzrechtsweg für zulässig und die Klage für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und -- auf ihren Hilfsantrag -- zur Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht B.
Für die von der Klägerin erhobene Klage ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
1. Bundesrechtlich ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet worden. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Finanzrechtsweg nur insoweit gegeben, als Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Dies ist hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern (hier der Zuschläge zur Grunderwerbsteuer) den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zusteht, nicht der Fall. Die Kompetenz für eine derartige Regelung ist durch Art. 106 Abs. 7 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) ausschließlich den Ländern zugewiesen. Im übrigen würde die Anwendung des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch daran scheitern, daß im vorliegenden Fall nicht über eine Abgabenangelegenheit gestritten wird (vgl. dazu die Ausführungen zu 2.).
2. Auch landesrechtlich ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet worden. Die Voraussetzungen des aufgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ergangenen § 5 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO) sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, die der Gesetzgebung des Landes unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Im vorliegenden Fall liegt jedoch keine Abgabenangelegenheit vor.
Was Abgabenangelegenheiten sind, wird in dem auch hier maßgebenden § 33 Abs. 2 FGO dahin bestimmt, daß derartige Angelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften zusammenhängenden Angelegenheiten sind. Die Frage der Ablieferung der Steuern an die jeweils ertragsberechtigte Körperschaft wird nicht vom Begriff der Verwaltung der Abgaben erfaßt. Bei der Vorschrift des § 15b Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) über die Ablieferung der Grunderwerbsteuerzuschläge an die ertragsberechtigten Körperschaften handelt es sich auch nicht um eine abgabenrechtliche Vorschrift. Die Frage der Verteilung der Steuern auf die verschiedenen Träger der öffentlichen Aufgaben gehört vielmehr dem Finanzausgleichsrecht an (vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 20. Februar 1952 1 BvF 2/51, BVerfGE 1, 117, 119, ferner Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Zweitbearbeitung des Art. 106 Tz. 18ff.). Die Verwaltung der Abgaben als die gegenüber dem Steuerpflichtigen wirkende Verwaltungstätigkeit der Finanzbehörden zur Festsetzung und Erhebung der Abgaben endet mit der Zahlung der Abgaben und dem Erlöschen des Abgabenanspruchs. Diese Verwaltungstätigkeit ist im Art. 108 GG und in der Abgabenordnung (AO 1977) geregelt. Im vorliegenden Fall besteht auch kein Zusammenhang mit der Verwaltung der Grunderwerbsteuerzuschläge und der Anwendung einer abgabenrechtlichen Vorschrift. Ein solcher Zusammenhang könnte allenfalls dann bejaht werden, wenn in einem gegenüber dem Steuerpflichtigen ergangenen Verwaltungsakt die Steuerberechtigung festgelegt wird (vgl. hierzu § 15c Abs. 1 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung). Dieser Zusammenhang besteht jedoch nicht mehr, wenn es wie im vorliegenden Fall allein um einen Streit zwischen der verwaltenden Körperschaft und den ertragsberechtigten Körperschaften über die Einwirkung der Neugliederungsgesetzgebung auf die Steuerberechtigung geht. Hier ist ausschließlich eine Frage des Finanzausgleichs im Streit, die keine Berührungspunkte zur Verwaltung der Abgaben hat.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Regierungsbegründung zu § 33 Abs. 2 FGO. Danach ist mit dem Begriff der Verwaltung der Abgaben eindeutig die Verwaltungstätigkeit der Finanzbehörden gegenüber den gewaltunterworfenen Bürgern gemeint. Denn in der Regierungsbegründung zu § 31 Abs. 1 des Entwurfes einer FGO (BT-Drucks. IV/1446, 43) sind zur Erläuterung des Begriffes der Verwaltung von Abgaben ausschließlich Verwaltungstätigkeiten aufgezählt, die sich gegen den Steuerpflichtigen richten. Soweit dort auch die Zerlegung und die Zuteilung genannt werden, handelt es sich um die herkömmliche Zerlegung und Zuteilung von Steuermeßbeträgen bzw. Steuerbeträgen, wie sie in dem gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Zerlegungs- bzw. Zuteilungsverfahren stattfindet. Soweit sich eine derartige Verwaltungstätigkeit auch gegen die steuerberechtigte Körperschaft richtet, wird insoweit allerdings der Zusammenhang mit der Verwaltung der Abgaben zu bejahen sein.
3. Da entgegen der Auffassung des FG (vgl. auch Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1979, 465) der Finanzrechtsweg nicht gegeben ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Klage ist jedoch nicht abzuweisen, sondern auf den Hilfsantrag der Klägerin an das zuständige Verwaltungsgericht B zu verweisen.
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges ergibt sich aus § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art vor, die nicht durch Bundesgesetz oder Landesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen worden ist. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts B ergibt sich aus § 52 VwGO i.V. m. § 1 Abs. 2 Buchst. d des Nordrhein-Westfälischen Ausführungsgesetzes zur VwGO.
4. Der erkennende Senat hat keine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens getroffen.
Über die Kosten des Klageverfahrens vor dem FG kann noch nicht abschließend entschieden werden, weil diese Kosten gemäß § 136 Abs. 4 FGO als Teil der Kosten behandelt werden, die beim Verwaltungsgericht erwachsen. Die Kostenentscheidung muß deshalb insoweit diesem Gericht vorbehalten bleiben.
Der erkennende Senat überläßt darüber hinaus auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens dem Verwaltungsgericht. Eine ihm insoweit mögliche Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens (vgl. die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1953 III ZR 379/51, BGHZ 11, 43, 47f.; vom 22. Dezember 1953 V ZR 6/51, BGHZ 12, 52, 69f.; vom 10. Juli 1954 VI ZR 120/53, BGHZ 14, 222, 232, und vom 24. Oktober 1956 IV ZR 75/56, BGHZ 22, 65, 71, sowie die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 1972 VII C 39.71, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310 § 155 VwGO Nr. 1, und vom 10. Oktober 1975 VII C 26.73, Buchholz, a. a. O., § 40 VwGO Nr. 147) hält der erkennende Senat nicht für angebracht. Er läßt sich hierbei vor allem davon leiten, daß aufgrund einer etwaigen Kostenentscheidung ohne eine zusätzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 9 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes) Gerichtskosten für das Revisionsverfahren nicht festgesetzt werden können und ins Gewicht fallende Kostenerstattungsansprüche hinsichtlich des Revisionsverfahrens nicht erkennbar sind.
Der erkennende Senat stimmt damit im Ergebnis mit dem VI. und dem VII. Senat des Bundesfinanzhofs überein, die in vergleichbaren Fällen ebenfalls keine Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens getroffen haben (vgl. die Urteile vom 23. Oktober 1974 VII R 54/70, BFHE 114, 159, BStBl II 1975, 298; vom 17. März 1978 VI R 164/74, nicht veröffentlicht, und vom 27. März 1979 VII R 106/75, BFHE 127, 314, BStBl II 1979, 442; vgl. ferner den im Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Januar 1976 23 W 592/75, Der Rechtspfleger 1976, 142, mitgeteilten Verweisungsbeschluß des Bundesarbeitsgerichts).
Fundstellen
BStBl II 1983, 180 |
BFHE 1982, 192 |