Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann ein Gaststättenleiter Unternehmer oder Angestellter ist.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 2/2/1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat am 6. März 1951 von dem Eigentümer die Leitung der Gaststätte "Haus G." übernommen. Seine Rechte und Pflichten wurden in einem sogenannten Wirtschaftsstellvertretervertrage geregelt, der zwar nicht die Genehmigung der zuständigen Behörde erhalten hat, nach dem sich die Vertragsparteien aber unbestritten gerichtet haben. Der Bf. B. und seine Ehefrau hatten die Gastwirtschaft nach den Weisungen und Richtlinien des Eigentümer-Ehepaares G. zu führen.
Das Finanzamt hat den Bf. in vollem Umfange als den Unternehmer der Gaststätte angesehen und ihn mit allen Umsätzen derselben zur Umsatzsteuer herangezogen. Der Einspruch des Bf. war erfolglos; ebenso seine Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie zur änderung der Umsatzsteuerveranlagungen für 1951 und 1952.
Es ist nicht mehr streitig, daß der Bf. in Ansehung der Küchenumsätze als Unternehmer tätig geworden ist; auch über deren Höhe besteht kein Streit mehr.
Wegen der anderen Umsätze in der Gaststätte ergibt sich folgendes:
Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs kann jemand gleichzeitig als Unternehmer und als Angestellter tätig sein. So hat der Reichsfinanzhof einen Herbergvater als Angestellten des Herbergverbandes angesehen, soweit er für Ordnung, Sauberkeit der Herberge usw. zu sorgen hatte; als Unternehmer, soweit er die Herbergrestauration ausübte (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 779/31 vom 20. November 1931, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 586). Der Reichsfinanzhof hat einen Winzerwirt im Pfälzischen Weinbaugebiet als Angestellten des Winzervereins angesehen, soweit er den Wein des Winzervereins ausschenkte, dagegen als Unternehmer, soweit er in dem Ausschank des Winzervereins auf eigene Rechnung eine Speisewirtschaft betrieb (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 150/31 vom 11. Dezember 1931, Slg. Bd. 30 S. 305, Reichssteuerblatt 1932 S. 800). Der erkennende Senat ist der gleichen Auffassung. Es war daher zu prüfen, ob auch der Bf. eine solche Doppelstellung gehabt hat, ob er also bezüglich der Gaststätten-Umsätze, die nicht Küchenumsätze waren, als Angestellter des G. tätig gewesen ist. Der Senat bejaht dies.
Gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit eine natürliche Person einem Unternehmen derart eingegliedert ist, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist, wobei es nach der ständigen Rechtsprechung auf die Weisungen des Unternehmers hinsichtlich des Ortes, der Zeit und der Art und Weise der Tätigkeit ankommt. Maßgebend für die Frage, ob (bzw. inwieweit) jemand als Angestellter tätig geworden ist, ist das Innenverhältnis zu dem Auftraggeber. Aus dem Außenverhältnis zur Kundschaft lassen sich im allgemeinen nur Beweisanzeichen neben dem ausschlaggebenden Innenverhältnis herleiten. Für Gaststättenleiter hat jedoch der Reichsfinanzhof, und ihm folgen der Bundesfinanzhof, mehrfach ausgesprochen, daß, wer in einer Gaststätte den Gästen gegenüber als Wirt (also nicht als Kellner) auftritt, in der Regel umsatzsteuerlich Unternehmer, nicht Angestellter sei (Urteil des Reichsfinanzhofs V 497/37 vom 27. Mai 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 764). Nach der Entscheidung V 1/45 vom 28. Februar 1945 (Mrozek-Kartei zu § 2 Abs. 1 UStG, Rechtsspruch 1) gilt das "von Sonderfällen abgesehen". In diesen Entscheidungen ist also das Schwergewicht der Prüfung auf das Auftreten gegenüber den Gästen (Außenverhältnis) gelegt. Nach der grundlegenden vorgenannten Entscheidung vom 27. Mai 1938 liegt der Grund für diese andersartige Betrachtung darin, daß in den meisten Gaststättenleiter-Fällen die Beweisanzeichen aus dem Innenverhältnis unzureichend sind und daher in der Regel die Entscheidung aus den Merkmalen des Außenverhältnisses entnommen werden muß. Der erkennende Senat hält grundsätzlich an dieser Auffassung fest. Das heißt aber nicht, daß das Innenverhältnis zum Auftraggeber bedeutungslos wäre, wenn es die Stellung des Gaststättenleiters klar erkennen läßt. Auch die vorgenannten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs haben eine Beurteilung der Gaststättenleiter nach dem Innenverhältnis keineswegs ausnahmslos ausgeschlossen, sondern in Sonderfällen ausdrücklich als möglich erachtet. So hat der Reichsfinanzhof in der obengenannten Entscheidung vom 11. Dezember 1931, in der er den Winzerwirt als Angestellten des Winzervereins hinsichtlich des Weinausschanks angesehen hat, außer auf die geschichtliche Entwicklung und Zwecksetzung der Winzervereine wesentlich auch auf das innere Verhältnis zwischen dem Winzerverein und dem Winzerwirt abgestellt.
Ein Sonderfall, der die Beurteilung des Bf. als Angestellten des G. aus dem Innenverhältnis zwischen diesen beiden einwandfrei erkennen läßt, liegt auch im Streitfalle vor. Er unterscheidet sich in mehreren Beziehungen erheblich von früheren Streitfällen, in denen der Gaststättenleiter als Unternehmer angesehen worden ist. Dies gilt einmal von der Art und Weise, in der die Eheleute G. die Vertragsbestimmung, daß der Bf. die Wirtschaft "nach den Weisungen und Richtlinien des Ehepaares G. zu führen" hatten, durchgeführt haben. G. hat in seiner Zeugenaussage angegeben: "Ich bin etwa zweimal in der Woche in das Lokal gegangen. Ich habe dann 1 Glas Bier getrunken und mal nach dem Lokal gesehen. Meine Frau hat schon mal mehr nach dem Rechten gesehen, damit alles sauber war ...". Ein Zeuge hat ausgesagt: "... Ich habe manchmal im Lokal gefrühstückt und dabei habe ich die Feststellung gemacht, daß Frau G. in der Gaststätte das Zepter führte und daß Frau B. es nicht wagte, frei vorzutreten. Ich sagte mal, was ist das hier für eine Bedienung; da sagte Herr B., ich kann nichts machen, ich bin ja auch nur Angestellter des Herrn G., hier bestimmt alles Herr G....". Dieses persönliche Eingreifen in die Art und Weise der Wirtschaftsführung zeigt deutliche Merkmale der Angestellteneigenschaft des Bf. Hinzu kommt, daß der Bf. - im Gegensatz zu den früher entschiedenen Fällen - nicht das Recht hatte, Angestellte in der Gaststätte (anders in der Küche) frei anzustellen, sondern daß er nur ein Vorschlagsrecht hatte. Daß es sich um Angestellte des G. (nicht des Bf.) handelte, ergibt sich aus der Angabe des G., daß er die Angestellten einstellte, und aus der Erledigung der Lohnsteuer- und Versicherungsangelegenheiten der Kellner durch G. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Tatsache der Einbehaltung von Lohnsteuern und Sozialabgaben durch G. von den Provisionen des Bf. eine andere Bedeutung als in früher entschiedenen Fällen. Von ganz besonderer Bedeutung aber erscheint dem erkennenden Senat die Tatsache, daß der Bf. von den in der Gaststätte umgesetzten Waren (ohne Küche) nur 5 % Provision erhalten hat. Der Reichsfinanzhof hat der Einstellung des Personals und der Höhe der Bezüge des Gaststättenleiters in mehreren Fällen entscheidende Bedeutung beigemessen. So im Falle V 1/45 vom 28. Februar 1945, wo er insbesondere zur Begründung der Unternehmereigenschaft gesagt hat, der Bf. "stellt sein Personal selbst an und erhält für den Weinverkauf eine weit höhere Vergütung als der Winzerwirt, nämlich 20 Prozent des Erlöses, was einem Unternehmergewinn entspricht". Andererseits hat der Reichsfinanzhof in dem Falle eines Winzerwirts (V A 150/31 vom 11. Dezember 1931, Slg. Bd. 30 S. 305 - Reichssteuerblatt 1932 S. 800) ausgeführt, die Vergütung, die der Winzerwirt für seine Weinausschanktätigkeit in Höhe von nur 7 % erhält, "charakterisiert sich ohne weiteres als Arbeitslohn"; denn ein Weinwirt rechne mit einer Gewinnspanne, die ein Vielfaches der dem damaligen Beschwerdeführer zugestandenen Vergütung ausmacht. Im vorliegenden Streitfalle hat der Bf. nur 5 v. H. des Umsatzes als Vergütung erhalten. Hier handelt es sich also nicht um einen Unternehmergewinn, sondern um einen Arbeitnehmerlohn. überdies ist auffallend, daß in dem Vertrage vom 5. März 1951 nicht etwa gesagt ist, daß dem Bf. von G. die Waren "geliefert" werden; es heißt vielmehr: "Sämtliche in der Wirtschaft zum Verkauf kommenden Waren werden den Eheleuten B. von den Eheleuten G. zur Verfügung gestellt". Auch diese sonst unübliche Wortfassung zeigt, daß der Bf. dem G. gegenüber (abgesehen vom Küchenbetriebe) nicht die Stellung eines Unternehmers hatte. Dasselbe ergibt sich daraus, daß nicht der Bf., sondern G. die Getränkesteuern der Gaststätte abführte, und daß ursprünglich G. auch die Umsatzsteuern (mit Ausnahme des Küchenbetriebs) an das Finanzamt gezahlt hat. Dies alles und auch der Umstand, daß G. den Bf. selbst als seinen Angestellten angesehen und behandelt hat, unterscheidet den vorliegenden Streitfall von früheren Fällen.
Hiernach ergibt sich als Gesamtbild, daß der Bf. - abgesehen vom Küchenbetrieb - nur als leitender Angestellter des G. unter dessen Oberleitung den Gaststättenbetrieb G. geführt und insoweit nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung waren daher aufzuheben und die Umsatzsteuerveranlagungen 1951 und 1952 zu ändern. Die Umsatzsteuer für den Küchenumsatz des Bf. ist auf der Grundlage der Feststellung des Betriebsprüfers (Bl. 5/6 Betriebsprüfungs- Akte) wie folgt zu berechnen:
------------------------- 1951 -------------- 1952 Küchenumsatz ----------- 37.817,- DM ------- 40.381,- DM dazu Eigenverbrauch ----- 2.000,- DM ------- 2.400,- DM Umsatz ----------------- 39.817,- DM ------- 42.781,- DM.Da die Akten nicht erkennen lassen, wie sich der Küchenumsatz 1951 auf das I. und II. Halbjahr verteilt, wird die Berechnung der Umsatzsteuer für 1951 dem Finanzamt übertragen. Die Umsatzsteuer 1952 wird auf 1.711,24 DM festgesetzt.
Fundstellen
BStBl III 1957, 42 |
BFHE 1957, 111 |
BFHE 64, 111 |
StRK, UStG:2/1 R 32 |