Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen / Grundstück mit noch zu errichtendem Reihenhaus
Leitsatz (NV)
Schließt jemand zunächst mit einer GmbH einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung eines Reihenhauses und erwirbt dann von einer GmbH, die mit der ersten eng verflochten ist, das dafür vorgesehene Grundstück, so wird Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Am . . . 1983 erwarb die A-Bau GmbH ein bisher als Betriebshof genutztes Grundstück. Am . . . 1985 wurde ein Bebauungsplan für dieses Grundstück beschlossen, der eine Bebauung mit einer Reihenhausanlage vorsah. Am . . . 1985 schlossen der Kläger und seine Ehefrau einen schriftlichen Vertrag mit der A-Haus GmbH, in dem diese als Generalunternehmer und der Kläger und seine Ehefrau als Bauherren bezeichnet wurden. Die A-Haus verpflichtete sich zur schlüsselfertigen Erstellung eines Wohngebäudes laut dem Vertrag anliegender Bauzeichnung und Baubeschreibung. Die Auftragssumme belief sich auf 217 500 DM, davon 176 500 DM für das ,,. . .haus Nr. 4". Der Vertrag wurde geschlossen ,,vorbehaltlich der Gesamt-Finanzierungs-Zusagen über Herrn B". Am 31. desselben Monats schlossen der Kläger und seine Ehefrau einen schriftlichen Betreuungsvertrag mit Herrn B, der diesen zur wirtschaftlichen Betreuung des geplanten Bauvorhabens verpflichtete. Die C sagte dem Kläger am . . . November 1985 den Kredit für deren ,,Baumaßnahme" zu. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom . . . Dezember 1985 erwarben der Kläger und seine Ehefrau als Miteigentümer je zur Hälfte von der A-Bau ein noch zu vermessendes Teilstück auf dem von der A-Bau 1983 erworbenen Grundstück. In der Lageskizze, die Bestandteil des Vertrages ist, wurde dieses Teilstück als Haus Nr. . . . bezeichnet. Der Kaufpreis betrug 38 000 DM. Im Dezember 1985 stellten der Kläger und seine Ehefrau Antrag auf Baugenehmigung. Diese wurde am . . . 1986 erteilt. Am . . . 1986 wurde mit dem Bau begonnen. An der A-Bau und der A-Haus sind dieselben Gesellschafter beteiligt.
Durch Bescheid vom . . . 1986 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen den Kläger und seine Ehefrau Grunderwerbsteuer in Höhe von je 2 550 DM fest. Es bezog dabei den Kaufpreis für das Grundstück und das Entgelt für das Gebäude in die Gegenleistung ein. Es liege ein einheitliches Vertragswerk vor, gerichtet auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Grunderwerbsteuer sei nur nach dem Kaufpreis für das Grundstück zu bemessen. Er sei Bauherr gewesen. Die vom Marktangebot abweichende Vollunterkellerung zeige, daß eine Bindung an eine Planung nicht vorgelegen habe. Es liege kein einheitlicher Vertrag i. S. von § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Es habe keine Bindung zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags bestanden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der Kläger habe nicht ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude erworben. Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes seien selbständige Verträge. Störungen in dem einen Vertrag hätten sich auf den anderen nicht ausgewirkt. Eine rechtliche Verpflichtung des Klägers zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags, auf den der Werkvertrag zugeschnitten gewesen sei, habe auch nach Abschluß des Werkvertrags nicht bestanden.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat unzutreffend als Gegenstand des Erwerbsvorgangs den Miteigentumsanteil am unbebauten Grundstück angesehen. Dementsprechend hat es zu Unrecht die Aufwendung für die Errichtung des Gebäudes nicht als Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 behandelt.
Der notariell beurkundete Vertrag vom . . . 1985 über den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück ist ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung; vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).Es folgen Ausführungen, die denen der vorstehend abgedruckten Entscheidung vom 6. Dezember 1989 II R 113/87 entsprechen.Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ist im Streitfall nach den dargelegten Grundsätzen das bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs.
Der Kläger und seine Ehefrau haben bereits vor Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück einen Vertrag über die Errichtung eines Gebäudes nach einem konkret ausgestalteten Bauplan zu einem festen Preis abgeschlossen. Dieser Vertrag (und das zu errichtende Haus) waren bereits zugeschnitten auf das danach erworbene Grundstück. Im Zeitpunkt der Annahme des Angebots zum Abschluß des Grundstückskaufs durch den Kläger stand daher objektiv fest, daß er dieses Grundstück bebaut mit einem ganz bestimmten Gebäude zu einem bestimmten Preis erhalten würde. Die Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung stand aufgrund der bereits bestehenden zivilrechtlichen Bindung nicht mehr in seinem freien Belieben. Auf die Tatsache, daß er zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags rechtlich nicht verpflichtet war, kommt es bei diesem Geschehensablauf daher nicht an. Die auf der Veräußererseite auftretenden beiden Gesellschaften waren aufs Engste miteinander personell und wirtschaftlich verflochten. Bei Berücksichtigung aller Umstände hat der Kläger daher ein - wirtschaftlich gesehen - ,,aus einer Hand" unterbreitetes, konkret ausgestaltetes Angebot auf ein mit einem bestimmten Gebäude bebautes Grundstück einheitlich angenommen. Dabei war die einheitliche Annahme durch die zeitliche Reihenfolge des Abschlusses der Verträge sichergestellt. Zwischen den beiden Verträgen bestand nach all dem ein so enger sachlicher Zusammenhang, daß der Kläger objektiv gesehen als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhielt. Das FA hat daher zu Recht die Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes in die Gegenleistung mit einbezogen.
Diesem Entscheidungsergebnis widerspricht es nicht, daß eine Leistungsstörung in dem einen Vertrag sich zivilrechtlich (möglicherweise) auf den anderen Vertrag nicht ausgewirkt hätte.
Derartige nachträglich möglicherweise sich ergebende, aber keinesfalls von den Beteiligten eingeplante Umstände wären grunderwerbsteuerrechtlich insoweit erst zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich einträten.
Die Entscheidung des FG geht von anderen Grundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416812 |
BFH/NV 1991, 345 |