Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens auch bei Klage gegen Folgebescheid
Leitsatz (NV)
Hat das FA vor Ergehen eines Grundlagenbescheids einen Folgebescheid nach §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 AO 1977 erlassen und sind schwerwiegende Fragen zu Besteuerungsgrundlagen streitig, die den Grund lagenbescheid betreffen, so ist das Klage verfahren gegen den Folgebescheid nach § 74 FGO auszusetzen, bis über den zu er lassenden Grundlagenbescheid entschieden ist.
Normenkette
AO 1977 § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Erbin ihres am ... 1990 verstor benen Ehemannes, des Landwirts X. Dieser hatte bis zum Jahre 1978 einen in seinem Alleineigentum stehenden Hof bewirtschaftet. Nach erheblichen Flächenverkäufen in den Jahren 1971 bis 1978 belief sich die im Eigentum des X stehende landwirtschaftliche Nutzfläche auf nur noch 4,2 ha, wovon 3,8 ha verpachtet waren. Das Betriebsgebäude nebst dazugehörender Fläche wurde von den Eheleuten X weitergenutzt. Es lag ein verpachteter landwirtschaftlicher Betrieb vor. X erwarb zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin, mit notariell beurkundetem Kaufvertrag zum ... September 1979 einen landwirtschaftlichen Betrieb in H, dessen Anschaffungskosten sich auf 800 000 DM beliefen. Dieser Betrieb wurde sogleich an den vormaligen Eigentümer verpachtet.
Die Klägerin und ihr Ehemann gaben weder Einkommensteuererklärungen noch Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung ab. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) im Jahre 1981 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann durchgeführt hatte, erfolgte für die Wirtschaftsjahre 1974/75 erstmalig eine Gewinnermittlung nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Aus den Grundstücksverkäufen des Jahres 1977 ergab sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 1,7 Mio DM. In der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1979/80 wurde vom Betriebsprüfer des FA im Einvernehmen mit der Klägerin und ihrem Ehemann eine Rücklage in gleicher Höhe gebildet. Von dieser Rücklage wurde ebenfalls einvernehmlich ein Teilbetrag in Höhe von 800 000 DM auf die Anschaffungskosten des im September 1979 von den Eheleuten X je zur ideellen Hälfte erworbenen landwirtschaftlichen Betriebs in H übertragen. Die verbleibende Rücklage belief sich auf 900 000 DM.
In den Einzelfeststellungen des Betriebsprüfungsberichts vom 30. März 1981 heißt es:
"Die gebildete Rücklage wird auf die Anschaffungskosten eines bereits erworbenen bzw. auf noch zu erwerbende Ersatzwirtschaftsgüter übertragen. Bei dem erworbenen Ersatzwirtschaftsgut handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, der insgesamt an den bisherigen Eigentümer verpachtet ist und als ruhender land- und forstwirtschaftlicher Betrieb angesehen wird. Der Betrieb ist somit notwendiges Betriebsvermögen. Die verbleibende Rücklage kann ebenfalls auf einen noch zu erwerbenden ruhenden Betrieb übertragen werden bzw. bei Vorliegen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG auch auf verpachtete Einzelflächen (gewillkürtes Betriebsvermögen)."
In der Anlage VIII zu diesem Betriebsprüfungsbericht heißt es:
"Übertragung Rücklage 6 c EStG aus Wj 78/79. Die Rücklage kann auf diesen Betrieb (in H) übertragen werden, da der Betrieb insgesamt an den bisherigen Eigentümer verpachtet ist. Der Betrieb kann/wird als ruhender land- und forstwirtschaftlicher Betrieb angesehen -- s. Abschn. 139 EStR --."
Ausweislich des Betriebsprüfungsberichts vom 30. März 1981 fand eine Schlußbesprechung statt, in der die Eheleute X, deren steuerlicher Vertreter, Steuerbevollmächtig ter L, sowie Steueroberamtsrat M und der Betriebsprüfer B über die Prüfungsfeststellungen Übereinstimmung erzielten.
Nach Abschluß der Betriebsprüfung, jedoch noch vor der Schlußbesprechung, erwarb X mit Vertrag vom ... März 1981 landwirtschaftlich genutzte Flächen (Stückländereien) in O zum Preise von 735 000 DM zuzüglich Nebenkosten, die er sogleich verpachtete. Der Ehemann der Klägerin, der seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ab dem Wirtschaftsjahr 1980/81 durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelte, setzte für den Hof in H sowie die Stückländereien in O jeweils Anschaffungskosten von 1 DM an. Von der verbliebenen Rücklage gemäß § 6 c EStG aus dem Wirtschaftsjahr 1979/80 wurde ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 825 000 DM auf die Anschaffungskosten der Stückländereien in O übertragen. Die restliche Rücklage wurde in der Bilanz zum 30. Juni 1981 aufgelöst und im Wirtschaftsjahr 1980/81 als sonstiger betrieblicher Ertrag erfaßt. Die Einkünfte aus dem verpachteten Hof in H und den verpachtenen Stückländereien in O wurden in der Folgezeit vom Ehemann der Klägerin als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt.
Die Klägerin erklärte keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Eine Feststellungserklärung bezüglich des Hofes in H wurde ebenfalls nicht abgegeben. In den von der Klägerin und ihrem Ehemann abgegebenen Vermögensteuererklärungen zum 1. Januar 1981, 1. Januar 1982, 1. Januar 1984 und 1. Januar 1989, an deren Erstellung die Landwirtschaftliche Buchstelle mitgewirkt hat, wurden der Hof in H sowie die Stückländereien in O jeweils als land- und forstwirtschaftliches Vermögen erklärt und vom FA entsprechend der Erklärung erfaßt. In der von der Klägerin und ihren beiden Töchtern nach dem Tode des X abgegebenen Erbschaftsteuererklärung vom 19. Oktober 1990 wurden die Flächen in H und O ebenfalls als land- und forstwirtschaftliches Vermögen aufgeführt.
Nach dem Tod ihres Ehemannes schloß die Klägerin mit ihren beiden Töchtern am 19. März 1990 einen Vertrag über die Erbauseinandersetzung. Darin heißt es: "Wir vereinbaren schuldrechtlich, daß die Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers ausgeschlossen sein soll, so lange die Erschienene zu 1 (die Klägerin) lebt ... Die Nutzungen der Erbschaft bis zur Auseinandersetzung stehen der Erschienenen zu 1 (der Klägerin) zu. Sie trägt auch die Lasten."
Das Amtsgericht erteilte am 30. April 1990 einen gemeinschaftlichen Erbschein, wonach der Erblasser X von seiner Ehefrau, der Klägerin, zu 1/2 und seinen Kindern zu je 1/4 beerbt wurde.
Die Klägerin veräußerte zusammen mit ihren Töchtern drei dem Hof in H zugehörige landwirtschaftliche Flächen wie folgt:
mit Vertrag vom 15. Januar 1991 eine Fläche von 6 250 qm zum Preise von ... DM,
mit Vertrag vom 15. Januar 1991 eine Fläche von 3 561 qm zum Preise von ... DM und
mit Vertrag vom 11. Juli 1991 eine Fläche von 26 qm zum Preis von ... DM.
Aus der für das Wirtschaftsjahr 1990/91 von der Landwirtschaftlichen Buchstelle aufgestellten Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung ergab sich ein Gewinn in Höhe von 174 505,84 DM. Davon entfielen 11 693,84 DM auf den laufenden Gewinn und 162 812 DM auf die drei Grundstücksverkäufe. Die von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann für das Wirtschaftsjahr 1989/90 erklärten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beliefen sich auf 12 990 DM, davon entfielen auf das Streitjahr 1990 6 495 DM. Das FA erließ einen Einkommensteuerbescheid für 1990 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In diesem Einkommensteuerbescheid für 1990 erfaßte das FA den hälftigen Gewinn des Wirtschaftsjahres 1989/90 in Höhe von 6 495 DM bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft des verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Die sich für das Wirtschaftsjahr 1990/91 ergebenden Gewinne in Höhe von 174 504 DM erfaßte das FA zur Hälfte, mithin in Höhe von 87 252 DM, als Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft.
Das FA erließ ferner einen Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 1991. Dieser Vorauszahlungsbescheid war an die Landwirtschaftliche Buchstelle als Empfangsbevollmächtigte für Herrn und Frau X gerichtet. Als Grundlage für die Vorauszahlungen setzte das FA Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für den verstorbenen Ehemann der Klägerin in Höhe von 6 495 DM sowie für die Klägerin in Höhe von 87 252 DM an. Die zu entrichtende Einkommensteuervorauszahlung 1991 belief sich nach dem Vorauszahlungsbescheid auf 24 200 DM. Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, der erworbene Hof sei Privatvermögen, und beantragte mit Erfolg die Aussetzung der Vollziehung.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für 1991. Gegen diesen hat die Klägerin Einspruch eingelegt, ohne den Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu stellen. Weiterhin hat das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für 1990, zuletzt am 16. Februar 1994, erlassen, die die Klägerin gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht hat. In dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid 1990 vom 16. Februar 1994 berücksichtigte das FA, daß die Gewinne aus der Veräußerung der landwirtschaftlichen Flächen des Hofes in H nur zu einem Anteil von 3/4 der Klägerin zuzurechnen waren, verwies auf § 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 3 AO 1977, weil insoweit, wie auch bezüglich der laufenden Einkünfte, ein Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung durchzuführen sei. Das Feststellungsverfahren betrifft die Miteigentümergemeinschaft bestehend aus der Klägerin und der Erbengemeinschaft als weitere Miteigentümerin zur ideellen Hälfte, an der wiederum die Klägerin zu 1/2 und ihre beiden Töchter zu je 1/4 beteiligt sind.
Das Finanzgericht (FG) gab der (Fortsetzungsfeststellungs-)Klage gegen den Vorauszahlungsbescheid 1991 insoweit statt, als es die Bemessungsgrundlage um 20 312,50 DM auf 86 256 DM verminderte; im übrigen hatte die Klage in der Sache selbst keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FG im wesent lichen aus, die Klägerin und ihr Ehemann hätten den hinzugekauften und anschließend verpachteten Hof und die erworbenen Grundstücke als Betriebsvermögen behandelt; hieran seien sie nach Treu und Glauben auch gebunden.
Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie ist nach wie vor der Auffassung, die Grundstücksverkäufe in H seien nicht bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen. Der unmittelbar nach dem Erwerb verpachtete Hof in H befinde sich nach der Rechtsprechung des Senats im Privatvermögen. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei auch nicht deshalb anzuwenden, weil der Erblasser Gewinnübertragungen nicht nur auf seine Anschaffungskosten dieses Betriebs, sondern auch auf ihre, der Klägerin, Anschaffungskosten vorgenommen habe. Ändere sich die Rechtsauffassung, so sei eine Bindung von Treu und Glauben nur im Falle einer Zusage anzunehmen. Schließlich habe das FA die umstrittenen Einkünfte aus dem Hof in H nach §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 AO1977 nur in Höhe von 0 DM schätzen dürfen, denn das für die Feststellung der Einkünfte zuständige Betriebs-FA habe noch keine Entscheidung zu diesen Einkünften getroffen. Wegen drohender Aussetzungszinsen bestehe auch weiterhin ein berechtigtes Interesse, die Rechtswidrigkeit des Vorauszahlungsbescheids feststellen zu lassen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM herabzusetzen, im übrigen aber festzustellen, daß der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 1991 in Höhe von 24 200 DM rechtswidrig ist.
Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.
Es vertritt die Auffassung, seine Schätzungsbefugnis ergebe sich aus dem Gesetz (§§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 AO 1977). Allerdings könne die Frage der Zugehörigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in H nicht im vorliegenden Verfahren geklärt werden. Die Entscheidung dieser Frage sei dem noch durchzuführenden gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren vorbehalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Die Vorentscheidung ist fehlerhaft, weil sie im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1990 und des Einkommensteuervorauszahlungsbescheids 1991 über gesondert fest zustellende Einkünfte entschieden hat, ohne den Abschluß eines Verfahrens der gesonderten Feststellung dieser Einkünfte abzuwarten. Der zum Gegenstand des Klageverfahrens gemachte Einkommensteuerbescheid 1990 enthält zwar einen "vorläu figen" Ansatz gesondert festzustellender Einkünfte, denn in der Anlage zu diesem Bescheid hat das FA unter Hinweis auf § 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 3 AO 1977 angekündigt, bezüglich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sei noch ein Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung durchzuführen. Gleichwohl hat das FG abschließend streitige Rechtsfragen entschieden, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über den noch ausstehenden Grundlagenbescheid vorbehalten ist.
Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, daß die umstrittenen Einkünfte der Klägerin gesondert festzustellende Einkünfte sind. Bis zum Tod des Ehemanns der Klägerin im Februar 1990 waren die Einkünfte der Klägerin aus der Verpachtung des Hofs nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gesondert festzustellen, weil die Klägerin als Miteigen tümerin an den Einkünften des Hofs in H neben ihrem Ehemann beteiligt war. Die gesonderte Feststellung der Einkünfte ist nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 unabhängig davon geboten, ob diese Einkünfte, wie die Klägerin meint, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder, wovon das FA ausgeht, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind. Nichts anderes gilt nach dem Tod des Ehemanns der Klägerin, weil danach die Erbengemeinschaft an diesen Einkünften beteiligt ist.
Das Erfordernis einer gesonderten Feststellung entfällt auch nicht etwa wegen geringer Bedeutung des Falles i. S. von § 180 Abs. 3 AO 1977. Im Streitfall ist kein leicht überschaubarer Sachverhalt hinsichtlich der umstrittenen Einkünfte gegeben (s. etwa Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290). Es geht um die Frage der Erfassung von Veräußerungsgewinnen, der Berechtigung zur Übertragung stiller Reserven und der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor dem Hintergrund einer Änderung der Rechtsprechung des Senats. Dies sind Fragen, die nur für alle an den Einkünften Beteiligten einheitlich zu klären sind und deshalb der Entscheidung durch einen Grundlagenbescheid vorbehalten bleiben müssen. Das noch einzuleitende Feststellungsverfahren ist gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a, § 182 Abs. 1 AO 1977 im Verhältnis zu dem angefochtenen Folgebescheid ein vorgreifliches Rechtsverhältnis i. S. des § 74 FGO (BFH-Entscheidungen vom 10. Oktober 1989 IV B 135/88, .BFH/NV 1990, 485; vom 19. Juli 1990 IV R 11/89, BFH/NV 1991, 649; vom 1. Juli 1992 X B 143/91, BFH/NV 1992, 762, und vom 10. November 1994 IV B 64/93, BFH/NV 1995, 565).
Bei dieser Sachlage hat das Wohnsitz-FA nach § 155 Abs. 2 AO 1977 zwar die Möglichkeit, einen Folgebescheid zu erlassen und die der Feststellung im Grundlagenbescheid vorbehaltenen Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 3 AO 1977 im Wege der Schätzung anzusetzen. Aber auch wenn das FA so verfährt, könnte das FG, wie im Streitfall geschehen, nur vorläufig über streitige Besteuerungsgrundlagen befinden oder der Entscheidung eines anderen, für die Anfechtung des Grundlagenbescheids zuständigen FG oder Senats vorgreifen. Die dem Verhältnis des Grundlagenbescheids zum Folgebescheid zugrundeliegende Zuständigkeitsabgrenzung (§§ 171 Abs. 10, 182 Abs. 1 AO 1977) würde verfehlt und die Klägerin gezwungen, Einwendungen aus dem Grundlagenbescheid im Widerspruch zu § 351 Abs. 2 AO 1977 gegenüber dem Folgebescheid geltend zu machen. Nicht anders als wenn das FA die Zuständigkeit zu einer endgültigen Entscheidung zu Unrecht in Anspruch nimmt, muß das FG in dieser verfahrensrechtlichen Situation das Klageverfahren gemäß § 74 FGO aussetzen, um den Ausgang des noch einzuleitenden Feststellungsverfahrens abzuwarten (Senatsentscheidung in BFH/NV 1995, 565). Gleiches gilt für das Verfahren über die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 1991.
Der Senat ist der Auffassung, daß dem FG in der besonderen Verfahrenslage des Streitfalls nicht nur die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens offensteht, sondern auch eine Pflicht obliegt, nach § 74 FGO zu verfahren. Im Streitfall geht es der Sache nach nämlich um die Entscheidung schwerwiegender Fragen zur Ausübung des Verpächterwahlrechts, zur Zulässigkeit der Übertragung stiller Reserven und zur Bindung der Beteiligten an vorangegangenes Verhalten. Trifft das für das Verfahren gegen den Folgebescheid zuständige FG in einer solchen Sache eine Entscheidung, so widerspräche dies den Grundsätzen der Prozeßökonomie und Prozeßersparnis, die durch § 74 FGO gerade verwirklicht werden sollen. Die Entscheidung in der Feststellungssache wird dadurch nicht ent behrlich, im Streitfall würde eine dagegen gerichtete Klage von einem anderen FG zu entscheiden sein; gelangte der Rechtsstreit zur Gewinnfeststellung zum BFH, so wäre eine vorangegangene Entscheidung über den vorläufigen Schätzungsbescheid weder unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 11 Abs. 2 FGO) noch dem der Selbstbindung (§ 126 Abs. 5 FGO) zu beachten. Spricht danach keine vernünftige Erwägung für eine Entscheidung, deren Vorläufigkeit sicher feststeht, weil das Feststellungsverfahren jedenfalls nicht entbehrlich wird, dann muß das Gericht von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen.
In dem Unterlassen der Aussetzung oder zumindest des Abwartens liegt danach ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (§ 118 Abs. 3, § 120 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580), der gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG führt. Die Zulässigkeit der gegen den Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid erhobenen Klage kann jedenfalls nicht daran scheitern, daß gegen ihn Einwendungen erhoben wurden, die in einem erforderlichen und bisher nicht eingeleiteten Verfahren der gesonderten Feststellung der Einkünfte zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396, 398).
Fundstellen
Haufe-Index 421895 |
BFH/NV 1997, 574 |