Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60 (BStBl 1962 I S. 506) ist die Frage der Mitunternehmerschaft zwischen Ehegatten nicht mehr nach den für das "mitunternehmerähnliche Verhältnis" aufgestellten Grundsätze (Urteil des Bundesfinanzhofs I 170/59 S vom 19. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 159, Slg. Bd. 70 S. 422), sondern nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.
Ist eine einheitliche Gewinnfeststellung aufzuheben, weil an den Einkünften nicht mehrere beteiligt sind, so kann in diesem Verfahren nicht über die Frage der Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten entschieden werden.
Normenkette
EStG § 26/1, § 26/2, § 26a/1; AO § 215 Abs. 2, § 213 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen dem Kaufmann A. (Bf.) und seiner Ehefrau im Streitjahr 1956 ein Arbeitsverhältnis steuerlich anzuerkennen ist.
Das Geschäft wurde seit 1949 in X., früher (seit 1936) in Y. betrieben. Die Ehefrau stellte dem Bf. bei der Geschäftseröffnung ein Darlehen zur Verfügung, arbeitete - wie der Bf. vorträgt, auf Grund mündlicher Vereinbarungen - in dem Unternehmen mit und war als Prokuristin im Handelsregister eingetragen. Ihr Gehalt wurde dem Personalkonto belastet und einem Darlehnskonto der Ehefrau gutgebracht, aus dem diese den Bau eines Wohnhauses finanzierte.
Das Finanzamt erkannte bei der endgültigen Einkommensteuerveranlagung des Bf. für 1956 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten nicht an und rechnete das Gehalt der Ehefrau (9.000 DM) zum Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Später - erst nach der hier nicht zur Erörterung stehenden Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für 1956 - führte das Finanzamt eine einheitliche Gewinnfeststellung für 1956 durch, in der es an Stelle des geltend gemachten Arbeitsverhältnisses eine mitunternehmerähnliche Stellung der Ehefrau als gegeben erachtete und die geltend gemachten Bezüge als Gewinnanteil der Ehefrau behandelte. Hiergegen richtete sich die Sprungberufung des Bf., die vom Finanzgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe
Die Rb. wendet sich gegen die Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Gewinnfeststellungsbescheids des Finanzamts.
Das Finanzgericht hat seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützt. Nach dieser war ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Einzelunternehmer und seiner Ehefrau in aller Regel wegen Fehlens der für ein solches Arbeitsverhältnis wesentlichen über- und Unterordnung der Vertragsparteien zu verneinen; statt eines Arbeitsverhältnisses war eine mitunternehmerähnliche Stellung anzunehmen, wenn die Tätigkeit der Ehegatten für den Betrieb tragend war (Urteil des Bundesfinanzhofs I 170/59 S vom 19. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 159, Slg. Bd. 70 S. 422). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seinem grundsätzlichen Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60 (BStBl 1962 I S. 506) entschieden, daß die vom Bundesfinanzhof zur steuerrechtlichen Behandlung von Ehegatten-Arbeitsverträgen entwickelten Rechtsgrundsätze gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen. Die Gründe der Vorinstanz tragen also die angefochtene Entscheidung nicht. Es bleibt zu prüfen, ob die einheitliche Gewinnfeststellung nach den für die Mitunternehmerschaft geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigt ist. Dies ist zu verneinen. Der Mitunternehmer muß wie der Einzelunternehmer das Risiko des Unternehmens tragen, er muß grundsätzlich am Vermögen einschließlich der stillen Reserven beteiligt sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier weder behauptet noch festgestellt. Da es demnach an der für die einheitliche Gewinnfeststellung erforderlichen Beteiligung mehrerer an den Einkünften (ß 215 Abs. 2 AO) fehlt, sind die Vorentscheidung und der Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamts aufzuheben. Die Frage, ob nunmehr unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Einzelunternehmer und seiner Ehefrau anzuerkennen und das Entgelt als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist, kann nicht in diesem Verfahren entschieden werden (ß 213 Abs. 2 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 424154 |
BStBl III 1962, 383 |
BFHE 1963, 317 |
BFHE 75, 317 |