Leitsatz (amtlich)
Der Tatbestand der Anteilsvereinigung kann auch durch den Übergang eines Anteils im Erbwege verwirklicht werden. In diesem Falle ist die Anteilsvereinigung nicht deshalb von der Grunderwerbsteuer befreit, weil die Anteilsvereinigung auf dem Erbwege und durch die vorangegangene Übertragung eines Anteils durch Schenkung eingetreten ist (Anschluß an das BFH-Urteil vom 31.März 1982 II R 92/81, BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424).
Orientierungssatz
§ 1 Abs. 3 GrEStG Berlin enthält für den Fall einer Anteilsvereinigung im Erbwege kein gesetzgeberisches Übermaß der Mißbrauchsbekämpfung (insoweit Festhaltung an dem BFH-Urteil vom 22.6.1966 II 165/62). In der Grunderwerbsteuererhebung ist keine durch § 3 Abs. 2 GrEStG Berlin ausgeschlossene Doppelbesteuerung zu sehen.
Normenkette
GrEStG BE § 1 Abs. 3 Nr. 2; GrEStG BE § 3 Nr. 2; GrEStG BE § 3 Nr. 6; BGB § 1922
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 25.09.1986; Aktenzeichen I 167/84) |
Tatbestand
Gesellschafter einer GmbH waren die Klägerin und ihr Vater. Die Klägerin hatte ihren Anteil 1978 von ihrer Mutter durch Schenkung erhalten. Ihren 1982 verstorbenen Vater hat die Klägerin kraft letztwilliger Anordnung allein beerbt. Zum Vermögen der GmbH gehörte Grundbesitz, den die GmbH bereits vor 1978 erworben hatte.
Das beklagte Finanzamt (FA) nahm eine der Grunderwerbsteuer unterliegende Anteilsvereinigung an und setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den Übergang des Anteils ihres Vaters auf sie im Erbwege sei der Tatbestand des § 1 Abs.3 Nr.2 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG Berlin) nicht verwirklicht worden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 416). Es hat zwar die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Berlin angenommen, ist aber der Auffassung, daß der Erwerbsvorgang in entsprechender Anwendung des § 3 Nr.2 GrEStG Berlin steuerfrei sei.
Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Seine Revision stützt es darauf, daß das FG von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31.März 1982 II R 92/81 (BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424) abgewichen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Nach § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Berlin unterlag die Vereinigung von mindestens 95 v.H. der Anteile an einer Gesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S. der Nr.1 vorangegangen war. Dieser Tatbestand ist im vorliegenden Falle dadurch verwirklicht worden, daß die Klägerin durch den Erwerb des Anteils ihres Vaters an der GmbH von Todes wegen alle Anteile an der GmbH in ihrer Hand vereinigte.
Der Annahme der Verwirklichung der Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Berlin steht nicht entgegen, daß im vorliegenden Fall die Anteilsvereinigung nicht durch Übertragung des Anteils des verstorbenen Vaters, sondern durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) eingetreten ist. Auch der Übergang von Anteilen kraft Gesetzes wird von der Vorschrift erfaßt. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Durch die Nr.2 des § 1 Abs.3 GrEStG Berlin werden Anteilsvereinigungen erfaßt, die nicht aufgrund eines Rechtsgeschäftes erfolgen, das einen Anspruch auf Übertragung von Anteilen begründet. Derartige Anteilsvereinigungen liegen nicht nur dann vor, wenn die Gesellschaft das zu beurteilende Grundstück erst in der Zeit zwischen dem auf Anteilsübertragung gerichteten schuldrechtlichen Vertrag und dem Erfüllungsvertrag erworben hat, sondern auch dann, wenn die Anteilsvereinigung durch einen Anteilsübergang kraft Gesetzes eintritt.
Diese Auffassung steht im Einklang mit der Auslegung der vergleichbaren Vorschrift des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG Berlin, durch die vor allem der Übergang von Grundstückseigentum kraft Gesetzes oder durch behördliche Anordnung erfaßt wird (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12.Aufl., § 1 Tz.456 ff.). Im übrigen spricht für die hier vertretene Auffassung auch das Verhältnis der Nrn.3 und 4 des § 1 Abs.3 GrEStG Berlin zueinander. In der Nr.3 ist von dem Rechtsgeschäft die Rede, das auf Übertragung der vereinigten Anteile gerichtet ist, in der Nr.4 demgegenüber von dem Übergang der Anteile, worunter auch der Übergang von Anteilen kraft Gesetzes fällt.
Wenn der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28.November 1979 II R 117/78 (BFHE 130, 66, BStBl II 1980, 357) ausgeführt hat, daß der in § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Hamburg verwendete Begriff der Vereinigung aller Anteile nur vor dem Hintergrund der Nr.1 interpretiert werden könne und deshalb nur die "Vereinigung durch Übertragung" von Anteilen meine, so darf diese Aussage nicht über den seinerzeit entschiedenen Fall hinaus verallgemeinert werden. Sie diente nur dem Nachweis, daß die erstmalige Zuordnung von Anteilen anläßlich der Gesellschaftsgründung keine Grunderwerbsteuer auslösen könne. Der Senat hätte bereits damals den Ausdruck "Übergang von Anteilen" verwenden können, ohne daß sich an der Entscheidung etwas geändert hätte.
2. Der Anwendung des § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Berlin auf den vorliegenden Fall steht nicht die Auffassung entgegen, daß in den Fällen, in denen die Anteilsvereinigung im Erbwege stattfindet, von einer Steuerumgehung nicht gesprochen werden könne; § 1 Abs.3 GrEStG Berlin enthalte deshalb insoweit ein gesetzgeberisches "Übermaß der Mißbrauchsbekämpfung", der die Vorschrift diene. Mit diesem Einwand hat sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 22.Juni 1966 II 165/62 (BFHE 86, 520, BStBl III 1966, 554) auseinandergesetzt und ihn abgelehnt. Hieran hält er fest. An dieser Auffassung ändert auch die Tatsache nichts, daß die Eltern und ihre Kinder nach dem früheren Recht i.S. des § 1 Abs.3 GrEStG 1940 eine Einheit bildeten und deshalb Anteilsübertragungen innerhalb dieser Einheit möglicherweise nicht der Grunderwerbsteuer unterlagen. Diese frühere Rechtslage hat sich durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 10.Juni 1963 1 BvR 345/61 (BVerfGE 16, 203) und den späteren Erlaß des Berliner GrEStG vom 18.Juli 1969, das in seinem § 1 Abs.3 die Einheit von Eltern und Kindern nicht mehr vorsah, grundlegend geändert. Der "objektivierte" Tatbestand ist nunmehr in jedem Falle erfüllt, wenn alle Anteile durch den Übergang von Anteilen zu mindestens 95 v.H. in einer Hand vereinigt werden. Es darf nicht darauf abgestellt werden, ob im konkreten Falle eine Steuerumgehung überhaupt denkbar ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich infolge des Spruches des BVerfG die Fälle vermehrt haben, in denen eine Steuerumgehung überhaupt nicht denkbar ist.
3. Entgegen der Auffassung des FG (und der früheren Rechtsprechung des Senats, vgl. BFHE 86, 520, BStBl III 1966, 554) ist der durch § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG Berlin ausgelöste (fingierte) Grundstückserwerb der Klägerin nicht gemäß oder entsprechend § 3 Nr.2 (oder Nr.6) GrEStG Berlin von der Grunderwerbsteuer befreit. Der Senat hält an seinem Urteil vom 31.März 1982 II R 92/81 (BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424) fest.
Gemäß § 3 Nr.2 GrEStG Berlin sind der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf die Klägerin ist weder im Schenkungswege noch von Todes wegen erfolgt. Die Zuordnung auf die Klägerin ist lediglich die Folge ihres Erwerbes des letzten Anteils von Todes wegen. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß dem durch § 1 Abs.3 GrEStG Berlin fingierten Grundstückserwerb eine ebenfalls fingierte Grundstücksschenkung der Mutter und eine letztwillige Zuwendung des Vaters der Klägerin zugrunde liegen. Die Anwendung des § 3 Nr.2 GrEStG Berlin scheitert letztlich daran, daß die Gesellschaftsgrundstücke vor der Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs.3 GrEStG Berlin allein der GmbH und nicht daneben noch den Eltern der Klägerin zuzurechnen waren.
Etwas anderes hätte allenfalls nach früherem Recht angenommen werden können, nach dem i.S. des § 1 Abs.3 GrEStG 1940 Eltern und Kinder eine Einheit bildeten. Der Senat hat aber bereits darauf hingewiesen, daß diese Familieneinheit seit dem Spruch des BVerfG in BVerfGE 16, 203 bzw. seit dem Erlaß des Berliner GrEStG von 1969 nicht mehr besteht. Es können deshalb daraus auch keine Folgerungen im Hinblick auf die Anwendung des § 3 Nr.2 GrEStG Berlin mehr gezogen werden.
Auch die Entscheidung des BVerfGE vom 15.Mai 1984 1 BvR 464/81 und andere (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608) führt zu keiner anderen Beurteilung des vorliegenden Falles. Das BVerfG hat dort entschieden, daß bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der Schenkungsteuer keine Grunderwerbsteuer erhoben werden dürfe. Es hat dies daraus hergeleitet, daß eine Grundstücksschenkung und ein Grundstückserwerb von Todes wegen nach der eindeutigen Regelung des § 3 Nr.2 GrEStG nur der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) und nicht daneben auch noch der Grunderwerbsteuer unterliege. Hierum aber geht es im vorliegenden Falle nicht. Lediglich die Anteilserwerbe der Klägerin von ihren Eltern unterlagen der Schenkungsteuer bzw. der Erbschaftsteuer. Der Grunderwerbsteuer aber unterliegt trotz der Anknüpfung an diese Anteilserwerbe der fingierte Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch Anteilsvereinigung. Die Grunderwerbsteuer erfaßt damit einen anderen Gegenstand als die Schenkungsteuer bzw. die Erbschaftsteuer. Hierin ist keine durch § 3 Nr.2 GrEStG ausgeschlossene Doppelbesteuerung zu sehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Schenkungsteuer bzw. die Erbschaftsteuer über die Erfassung der GmbH-Anteile mittelbar auch den Wert der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke besteuert.
Fundstellen
Haufe-Index 62301 |
BFH/NV 1988, 1 |
BStBl II 1988, 785 |
BFHE 153, 428 |
BFHE 1989, 428 |
BB 1988, 1741-1741 (L1) |
DStR 1988, 614 (ST1) |
HFR 1988, 637 (LT) |