Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilsbewertung: Feststellungsfrist - Ableitung des Werts aus Verkäufen vinkulierter Namensaktien? - Keine Berücksichtigung einer Übermaßbesteuerung
Leitsatz (NV)
- Die Frist für die Feststellung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften beginnt -wenn keine Erklärung gemäß § 4 Abs. 1 AntBewV eingereicht wird-, mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in das der für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögenssteuer maßgebende Zeitpunkt fällt.
- Die Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung gemäß § 4 Abs. 1 AntBewV hängt nicht von einem vorherigen Tätigwerden der Finanzbehörde ab.
- Die Ableitung des gemeinen Werts von Anteilen aus Verkäufen setzt voraus, dass es sich um Veräußerungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handelt. Darunter ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragsparteien ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln.
- Dürfen Namensaktien nur mit Zustimmung der Organe der AG übertragen werden und verfolgt die AG satzungsgemäß gemeinnützige Ziele, spricht dies dafür, dass Verkäufe von Aktien zum Nennwert nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr getätigt worden sind, wenn der Verkaufspreis auch nicht annähernd den inneren Wert der Aktie widerspiegelt.
- Der Einwand, die Höhe des Werts der Anteile führe zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung, kann nicht im Feststellungsverfahren zur Anteilsbewertung, sondern nur bei der Festsetzung der Vermögensteuer der Anteilseigner geprüft werden.
Normenkette
AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 181 Abs. 1, 3; BewG 1965 § 11 Abs. 2, §§ 112, 113a; AntBewV § 3; AntBewV § 4 Abs. 1; VStR 1986 Abschn. 82 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1999, 103) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin) ist eine AG mit einem Grundkapital von 1 Mio. DM. Die Beigeladenen und Revisionsklägerinnen zu 2 bis 7 (Beigeladene) halten jeweils mehr als 5 v.H. des Grundkapitals. Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und Bewirtschaftung von Wohnungen. Die Klägerin ist bis einschließlich 1990 steuerrechtlich als gemeinnützige Wohnungsgesellschaft behandelt worden.
Die Aktien der Klägerin sind nicht an einer deutschen Börse zum Handel zugelassen. Die Übertragung der Aktien bedarf gemäß § 3 Abs. 4 der Satzung (von 1990) der Zustimmung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Aktien der Klägerin sind wie folgt verkauft worden:
Datum |
Nennwert DM |
Verkaufspreis DM |
11.11.1986 |
1.000 |
750 |
21.11.1987 |
6.000 |
4.500 |
20.11.1987 |
2.000 |
1.500 |
28.12.1987 |
10.000 |
7.500 |
13.09.1989 |
1.000 |
1.000 |
08.11.1989 |
2.000 |
2.000 |
20.11.1992 |
13.600 |
13.600 |
19.05.1993 |
100.000 |
100.000 |
19.05.1993 |
60.800 |
60.800 |
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte es ab, bei der Feststellung des Werts der Anteile an der Klägerin jeweils auf den 31. Dezember der Jahre 1988, 1990, 1992 und 1993 diese Verkäufe zu berücksichtigen, weil sie entweder zu weit vor oder nach dem Stichtag lägen, weil es sich jeweils nur um den Verkauf von Zwerganteilen gehandelt habe oder weil die Verkäufe nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt seien. Stattdessen ermittelte das FA den Wert der Anteile gemäß § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 in der an den streitigen Stichtagen geltenden Fassung unter Anwendung der Abschn. 77 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1989 bzw. der Abschn. 4 ff. VStR 1993. Zu den Stichtagen 31. Dezember 1988 und 31. Dezember 1990 berücksichtigte das FA die Betriebsgrundstücke mit den Verkehrswerten (§ 11 Abs. 2 BewG 1965 in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung). Zu den späteren Stichtagen legte das FA das Vermögen mit dem Einheitswert des Gewerbebetriebs zugrunde (§ 11 Abs. 2 BewG 1965 n.F.).
Demzufolge setzte das FA durch Feststellungsbescheide vom 6. Juni 1995 (für die Stichtage 31. Dezember 1988 und 31. Dezember 1990) und vom 10. August 1995 (für die Stichtage 31. Dezember 1992 und 31. Dezember 1993) die gemeinen Werte der Anteile an der Klägerin für je 100 DM Nennkapital gesondert und einheitlich wie folgt fest:
31. Dezember 1988: 4 571 DM bzw. 4 033 DM für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung,
31. Dezember 1990: 5 169 DM bzw. 4 561 DM für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung,
31. Dezember 1992: 799 DM (auch für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung),
31. Dezember 1993: 253 DM (auch für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung).
Die gegen die Feststellungsbescheide erhobenen Einsprüche der Klägerin, mit denen sie beantragte, den gemeinen Wert der Anteile zu den Stichtagen für je 100 DM des Grundkapitals auf 100 DM festzustellen, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 103 veröffentlicht.
Mit der Revision machen die Klägerin und die Beigeladenen geltend: Die Frist für die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1988 sei bei Erlass des Bescheides vom 6. Juni 1995 abgelaufen gewesen. Die Frist sei nicht gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gehemmt gewesen, weil die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, eine Erklärung zur Feststellung des gemeinen Werts (§ 4 der Anteilsbewertungsverordnung vom 19. Januar 1977 ―AntBewV―) abzugeben. Die Verpflichtung wäre nach Ansicht der Revisionsklägerinnen nur entstanden, wenn das FA gemäß § 3 Satz 1 AntBewV von Amts wegen das Besteuerungsverfahren eingeleitet hätte.
Ferner rügen die Revisionsklägerinnen Verletzung des § 11 Abs. 2 i.V.m. § 9 BewG 1965. Der gemeine Wert der Anteile hätte nach ihrer Auffassung aus den getätigten Verkäufen abgeleitet werden müssen. Die Verkäufe seien im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen. Wenn auch die Übertragung der Aktien der Zustimmung der Klägerin unterlegen habe, so sei der Handel dennoch nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen vollzogen worden. Die in § 2 der Satzung der Klägerin festgelegte gemeinnützige Zielsetzung (Zurverfügungstellung von Wohnraum für die Bevölkerung) und die Orientierung der Geschäftspolitik an den Interessen der Allgemeinheit seien keine persönlichen Verhältnisse. Diese Umstände hinderten nicht die Verfolgung eigener persönlicher Interessen der Anteilseigner.
Im Übrigen führe das vom FA angewandte Stuttgarter Verfahren zu einem unangemessen hohen gemeinen Wert der Anteile. Die hierdurch ausgelöste Belastung der Anteilseigner zehre nicht nur den Beteiligungsertrag auf, sondern greife auch die Vermögenssubstanz an. Damit sei das Übermaßverbot verletzt. Das Stuttgarter Verfahren sei im Übrigen dann nicht anzuwenden, wenn außergewöhnliche Umstände die Ursache für völlig überzogene Werte nach diesem Verfahren seien. Im Streitfall lägen solche Ursachen wegen der Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) vor. Sachgerecht wäre es nach wie vor, im Hinblick auf die gesellschaftsvertragliche gemeinnützige Bindung die Anteile mit dem Nennwert zu bewerten. Die notwendige Korrektur der steuerlichen Belastung müsse durch Ausschöpfung des Ermessens, das § 11 Abs. 2 BewG der Finanzbehörde zugestehe, im Rahmen der Bewertung der Anteile vorgenommen werden und nicht erst bei der Veranlagung der Anteilseigner zur Vermögensteuer, denn für diese seien die festgestellten Werte bindend.
Die Klägerin und die Beigeladenen beantragen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und unter Änderung der Bescheide vom 6. Juni bzw. 10. August 1995 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile der Klägerin auf den 31. Dezember der Jahre 1988, 1990, 1992 und 1993 den Wert für je 100 DM des Grundkapitals auf 100 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin und der Beigeladenen ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist für die Feststellung des Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1988 bei Erlass des Bescheides vom 6. Juni 1995 noch nicht abgelaufen war. Ferner hat das FG bezüglich aller Stichtage ohne Rechtsverstoß die Schätzung des Werts der Anteile unter Zugrundelegung des Stuttgarter Verfahrens für rechtmäßig erachtet.
1. Gemäß § 113a BewG wurde der Wert der Anteile an nichtnotierten inländischen Kapitalgesellschaften gesondert festgestellt, und zwar gemäß § 112 BewG auf den 31. Dezember des Jahres, das dem für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebenden Zeitpunkt vorangeht. Das Feststellungsverfahren war in der AntBewV geregelt. Nach § 1 Satz 2 AntBewV galten, soweit sich aus der Verordnung keine Besonderheiten ergaben, die Vorschriften der AO 1977.
a) Für die gesonderte Feststellung gelten gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Demnach beträgt die Feststellungsfrist vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Ist aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine Steuererklärung einzureichen, beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Der in dieser Vorschrift genannte späteste Termin für den Beginn der Festsetzungsfrist ―der Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist― passt unmittelbar nur für Steuerfestsetzungen. Die sinngemäße Anwendung auf gesonderte Feststellungen von Anteilswerten führt dazu, dass das Jahr, auf dessen Beginn der Anteilswert erstmals steuerlich anzuwenden ist, maßgeblich ist. Damit entspricht die sinngemäße Anwendung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 auf den Beginn der Festsetzungsfrist für Anteilswerte der Regelung in § 181 Abs. 3 AO 1977 bezüglich der gesonderten Feststellung von Einheitswerten.
Die Frist für die gesonderte Feststellung des Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften beginnt demnach mit Ablauf des Kalenderjahres, in das der für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebende Zeitpunkt fällt. Wird eine auf den 31. Dezember des Jahres, das dem für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebenden Zeitpunkt vorangeht, einzureichende Erklärung zur gesonderten Feststellung des Werts von Anteilen nach Ablauf des Kalenderjahres, in das der für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebende Zeitpunkt fällt, abgegeben, so beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in das der für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebende Zeitpunkt fällt.
b) Die Klägerin war verpflichtet, auf den 31. Dezember 1988 eine Erklärung zur Feststellung des gemeinen Werts der Anteile abzugeben.
aa) Diese aus § 4 Abs. 1 AntBewV folgende Verpflichtung hing ―wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt― nicht von einem vorherigen Tätigwerden der Finanzbehörde ab. Zwar wird ―worauf sich die Klägerin beruft― die gesonderte Feststellung gemäß § 3 AntBewV von Amts wegen durchgeführt. Hieraus kann nicht geschlossen werden, eine Erklärungspflicht bestehe nur, wenn die Finanzbehörde auf die Einreichung der Erklärung hingewirkt habe. Denn die Bedeutung dieser Vorschrift erschöpft sich in der Aussage, dass die gesonderte Feststellung einen Antrag nicht zwingend voraussetzt.
bb) Auch der Vergleich mit §§ 3 und 4 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO 1977 bestätigt ―entgegen der Ansicht der Klägerin―, dass die sich aus § 4 Abs. 1 AntBewV ergebende Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung nicht von einem vorherigen Tätigwerden der Finanzbehörde abhing. Nach § 3 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nur "nach Aufforderung durch die Finanzbehörde" abzugeben. In § 4 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 ist ausdrücklich bestimmt, dass die Finanzbehörde über die Durchführung und den Umfang eines Feststellungsverfahrens entscheidet und ggf. dies durch Bescheid feststellt. Die Vorschriften der AntBewV enthalten keine vergleichbaren Regelungen.
c) Da die Klägerin zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf den 31. Dezember 1988 verpflichtet war und keine solche abgegeben hat, begann die Feststellungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in das der für die Hauptveranlagung, Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer maßgebende Zeitpunkt (1. Januar 1989) fällt, d.h. mit Auflauf des 31. Dezember 1992. Die Feststellungsfrist endete am 31. Dezember 1996. Der Feststellungsbescheid vom 6. Juni 1995 erging demnach noch innerhalb der Feststellungsfrist.
2. Die Auffassung des FG, der gemeine Wert der Anteile lasse sich ―für alle Stichtage― nicht aus den in den Jahren 1986 bis 1993 getätigten Verkäufen von Aktien ableiten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen setzt voraus, dass es sich um (stichtagsnahe) Veräußerungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. November 1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, BStBl II 1981, 353). Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragsparteien ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln (BFH-Urteil vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591).
b) Das FG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, die in den Jahren 1986 bis 1993 getätigten Verkäufe seien nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und könnten deshalb der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile nicht zugrunde gelegt werden. Es hat seine Auffassung auf den Umstand gestützt, dass die vinkulierten Namensaktien satzungsmäßig nur mit Zustimmung der Organe der Klägerin übertragen werden (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 14. Oktober 1966 III 281/63, BFHE 87, 218, BStBl III 1967, 82; vom 15. Juli 1998 II R 23/97, BFH/NV 1998, 1463) und die Anteilseigner nicht frei über ihre Aktien verfügen konnten. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihre Ausschüttungen auf den Höchstbetrag begrenzte, der unter der Geltung des WGG zulässig war. Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass die Verkäufe nicht nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zustande gekommen sind. Da die Klägerin erklärtermaßen auch nach dem Verlust der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit weiterhin gemeinnützige Ziele verfolgen wollte, musste sie den Erwerb der Aktien durch solche Personen verhindern, die die wertvolle Immobiliensubstanz ohne Rücksicht auf die sozialen Ziele der Klägerin verwerten wollten. Dies konnte die Klägerin erreichen, indem sie nur dem Verkauf von Aktien an Erwerber zustimmte, die ihre gemeinnützige Zielsetzung nicht in Frage stellten, und insbesondere ―um jedes spekulative Interesse zu unterdrücken― auch nur Verkäufen zum Nennwert oder einem darunter liegenden Preis. Die regelmäßige Vereinbarung desselben Preises (Nominalwert oder eines bestimmten Anteils davon) zeigt im Streitfall, dass die Beteiligten den Preis gerade nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören, gebildet haben (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 1463). Bei der Preisbildung waren vielmehr besondere, durch die Zielsetzung der Klägerin begründete Umstände maßgebend.
3. Da sich im Streitfall der gemeine Wert der Anteile nicht aus Verkäufen ableiten lässt, war er gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Klägerin zu schätzen. Die Schätzung erfolgt nach dem in den VStR geregelten sog. Stuttgarter Verfahren, das der BFH in ständiger Rechtsprechung als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat (so Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558, m.w.N.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (so BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626, sowie vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459).
Die einheitliche und gesonderte Feststellung des Werts der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember der Jahre 1988, 1990, 1992 und 1993 entspricht den Regeln des Stuttgarter Verfahrens. Konkrete und substantiierte Einwendungen, aus denen sich ergäbe, dass die Schätzung fehlerhaft sei oder dass das Schätzungsergebnis über dem wirklichen gemeinen Wert liege, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es liegen keine die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens ausschließende, außergewöhnlichen Umstände vor, die die Ursache für völlig überzogene Werte nach diesem Verfahren sind. Der Wegfall der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit der Wohnungsbaugesellschaften hat lediglich zur Aufhebung der Sonderregelung (Bewertung mit dem Nennwert gemäß Abschn. 82 Abs. 1 VStR 1986) und zur Bewertung nach den allgemeinen Regeln geführt. Die relativ hohen Anteilswerte, die sich zu den Stichtagen 31. Dezember 1988 und 31. Dezember 1990 ergeben, beruhen auf dem Ansatz der Grundstücke der Klägerin mit den Verkehrswerten, gegen deren Höhe die Klägerin keine Einwendungen erhoben hat. Die niedrigen Anteilswerte auf den 31. Dezember 1992 und 31. Dezember 1993 spiegeln die Zugrundelegung des Einheitswerts des Betriebsvermögens, die gemäß der Änderung des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mit Wirkung ab dem Stichtag 31. Dezember 1992 erfolgte, wider.
Für die Auffassung der Revisionsklägerinnen, die Bewertung der Anteile müsse deshalb zum Nennwert erfolgen, weil die Klägerin nach dem Wegfall der Gemeinnützigkeit gesellschaftsvertraglich weiterhin an gemeinnützige Ziele gebunden sei und diese auch tatsächlich verfolge, ist keine rechtliche Grundlage ersichtlich.
4. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Anteilsbewertungen ergibt sich nicht im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) gezogene verfassungsrechtliche Belastungsgrenze. Abgesehen davon, dass das BVerfG die Weitergeltung des bisherigen Vermögensteuerrechts für alle vor 1997 verwirklichten Tatbestände angeordnet hat, darf nach der Auffassung des BVerfG die Vermögensteuer nur so bemessen werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den üblicherweise zu erwartenden Erträgen gezahlt werden kann. Ob dies der Fall ist, erweist sich jedoch nicht am Wert der Anteile, der lediglich einer von mehreren Faktoren für die Ermittlung der für die Festsetzung der Vermögensteuer maßgebenden Bemessungsgrundlage ist (§ 4 des Vermögensteuergesetzes; §§ 114 bis 118 BewG 1965), sondern erst an der Höhe der Vermögensteuer, durch die der Steuerpflichtige belastet wird. Ob eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung vorliegt, kann daher nur im Besteuerungsverfahren der jeweiligen Anteilseigner geprüft werden, weil sich der Wert der Anteile in Form einer steuerlichen Belastung erst bei den Anteilseignern auswirkt.
Fundstellen
Haufe-Index 671019 |
BFH/NV 2002, 317 |
HFR 2002, 385 |