Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel bei Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung durch Ehegatten bei gewerblichem Grundstückshandel.
2. Liegen gemeinschaftlich bezogene Einkünfte der Ehegatten vor, so sind diese Einkünfte gesondert festzustellen. Ein Fall von geringer Bedeutung i. S. d. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO 1977 liegt insbesondere dann nicht vor, wenn es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt, die bereits dem Grunde nach streitig sind.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 3 Nr. 2; EStG § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit dem Jahre 1947 Eigentümer eines Grundstückes X. Auf diesem Grundstück errichtete er in den Jahren 1952/1953 ein Mehrfamilienhaus, dessen sieben Wohnungen er in der Folgezeit vermietete.
Mit Umlegungsbeschluß vom 21. August 1973 leitete die Stadt ein Umlegungsverfahren ein. Das im Umlegungsgebiet gelegene Grundstück X wurde im September 1973 an die Stadt verkauft. Der Kläger erhielt hierfür das unbebaute Grundstück Y sowie eine Abfindung in Höhe von 345 000 DM. Als Eigentümer des Ersatzgrundstückes wurden der Kläger und seine Ehefrau zu je 1/2 eingetragen.
Nachdem zunächst beabsichtigt war, auf dem Ersatzgrundstück ein Mehrfamilienhaus mit acht Mietwohnungen zu errichten und entsprechende Pläne in Auftrag gegeben worden waren, geriet der Kläger infolge erheblicher Verluste der ihm und seinen beiden Brüdern gehörenden Gebrüder GmbH in Liquiditätsschwierigkeiten. Er vereinbarte mit der Stadtsparkasse, die zunächst den Verkauf des Grundstücks Y gefordert hatte, statt der Mietwohnungen acht Eigentumswohnungen zu errichten, von denen sechs Wohnungen veräußert und der Erlös zur Schuldentilgung verwendet werden sollte. Die beiden restlichen Wohnungen waren zunächst zur eigenen Nutzung vorgesehen.
Baubeginn für die in einer Bauzeit von einem Jahr errichteten Eigentumswohnungen war der 5. Juli 1974. Die erste Wohnung wurde am 11. September 1974 veräußert. Kaufverträge über fünf weitere Eigentumswohnungen wurden im Jahr 1975 abgeschlossen. Die beiden Wohnungen, deren Veräußerung zunächst nicht geplant war, wurden in den Jahren 1976 und 1977, nachdem sie erst vermietet worden waren, ebenfalls verkauft.
Noch vor Baubeginn hatte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) angefragt, ob die beabsichtigte Errichtung und Veräußerung der Eigentumswohnungen als gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei, was vom FA mit Schreiben vom 3. September 1974 bejaht worden war.
Bei den Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre, bei denen der Kläger und seine Ehefrau zusammen veranlagt wurden, erfaßte das FA die bei der Veräußerung der Eigentumswohnungen erzielten Gewinne sowie die Mieterlöse als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wobei der Veräußerungsgewinn nach einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung für 1975 mit 35 399 DM und für 1976 mit 12 398 DM ermittelt wurde. Gleichzeitig erließ das FA gegen die Ehegatten Gewerbesteuermeßbescheide für 1975 und 1976.
Die von den Ehegatten gegen die Einkommensteuerbescheide eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 1979 zurück und führte zur Begründung aus, die Einspruchsführer hätten durch den Verkauf der Eigentumswohnungen die bloße Vermögensverwaltung überschritten.
Gegen diese Entscheidung erhob lediglich der Kläger Klage mit dem Antrag, die Gewinne aus den Wohnungsverkäufen mangels gewerblicher Tätigkeit einkommensteuerfrei zu belassen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Feststellungen des FG reichen für eine Prüfung der Frage, wer die Einkünfte aus den Grundstücksgeschäften erzielt hat, nicht aus. Hiervon hängt jedoch ab, ob über die zwischen den Beteiligten strittige Frage des gewerblichen Charakters dieser Tätigkeit im Veranlagungsverfahren zur Einkommensteuer oder in einem Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu befinden ist (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -).
1. Die Vorentscheidung geht davon aus, daß der Kläger den gewerblichen Grundstückshandel als Einzelunternehmer betrieben hat. Mangels geeigneter tatsächlicher Feststellungen ist eine Überprüfung dieser im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Würdigung nicht möglich. Hierin liegt ein Fehler der Urteilsfindung, der ungeachtet einer Verfahrensrüge als materiellrechtlicher Fehler vom Revisionsgericht zu beachten ist (vgl. hierzu Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Näherer Feststellungen hätte es insoweit schon deshalb bedurft, weil das FA bei den angefochtenen Steuerfestsetzungen von einer gemeinsamen gewerblichen Tätigkeit beider Ehegatten ausgegangen ist und ausweislich der Bezeichnung in den Gewerbesteuermeßbescheiden die Ehegatten als Unternehmer des Gewerbebetriebs angesehen hat (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).
Das FG hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen es diese Beurteilung des FA für unzutreffend hält. Es hat auch keine Tatsachen festgestellt, die gegen eine gemeinsame gewerbliche Tätigkeit beider Ehegatten sprechen. Insbesondere trifft das vom FG bejahte Merkmal der selbständigen Tätigkeit nicht nur auf den Kläger zu. Eine Tätigkeit ist eine selbständige, wenn sie auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. November 1978 I R 159/76, BFHE 126, 457, BStBl II 1979, 182, und vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303). Nach den Veräußerungsmitteilungen, auf die das FG Bezug genommen hat, sind beide Ehegatten als Verkäufer der ihnen je zur Hälfte gehörenden Eigentumswohnungen aufgetreten. Dies spricht dafür, daß die Ehegatten auf gemeinsame Rechnung tätig geworden sind.
2. Liegen gemeinschaftlich bezogene Einkünfte der Ehegatten vor, so sind diese Einkünfte gesondert festzustellen.
Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 (früher § 215 Abs. 2 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte einkommensteuerrechtlich diesen Personen zuzurechnen sind. Diese Vorschrift greift jedoch u. a. dann nicht ein, wenn es sich um Fälle von geringerer Bedeutung handelt (§ 180 Abs. 3 Satz 1 AO 1977, § 215 Abs. 4 AO).
Diese Voraussetzung ist nach der zu § 215 Abs. 4 AO ergangenen Rechtsprechung etwa bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur dann erfüllt, wenn die Ermittlung gemeinsamer Einkünfte auf einem leicht überschaubaren und kurzfristigen Vorgang mit problemloser Aufteilung nach einem einfachen Verteilungsschlüssel beruht oder wenn die Verhältnisse anderweitig in leicht überschaubarer Weise so gelagert sind, daß die betragsmäßige Ermittlung und Zurechnung der Einkünfte verhältnismäßig einfach sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396).
An der leichten Überschaubarkeit der Ermittlung der gemeinsamen Einkünfte und ihrer einkommensteuerrechtlichen Einordnung fehlt es jedoch, wenn es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt, deren Voraussetzungen überhaupt streitig sind. Die Tatsache, daß es sich bei den an den Einkünften Beteiligten um Ehegatten handelt, führt für sich allein nicht zur Annahme eines Falles von geringer Bedeutung (BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 190/65, BFHE 99, 513, BStBl II 1970, 730).
Eine gesonderte Feststellung der Einkünfte ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil nach § 155 Abs. 2 AO 1977 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545) ein Steuerbescheid auch erteilt werden kann, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Zwar sind Änderungen auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrens, die die Verwaltung bei Aufhebung der Verwaltungsentscheidung und Fortführung des Verfahrens nach neuem Recht zu beachten hätte, auch in einem anhängigen Gerichtsverfahren zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 8. Februar 1977 VIII R 50/74, BFHE 121, 379, BStBl II 1977, 516). Nimmt jedoch das Wohnsitz-FA seine Zuständigkeit zur Entscheidung einer in das gesonderte Feststellungsverfahren gehörenden Frage in Anspruch, weil es zu Unrecht meint, eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sei nicht erforderlich, so ist bei einem Streit über die Besteuerungsgrundlagen nicht in dem anhängigen Verfahren über den Steuerbescheid, sondern in einem Verfahren zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu entscheiden (BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290).
3. Die verfahrensmäßige Trennung zwischen der Veranlagung zur Einkommensteuer einerseits und der gesonderten Feststellung gemeinsamer Einkünfte andererseits gehört zur Grundordnung des Verfahrensrechts; ein Verstoß hiergegen stellt einen wesentlichen, auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zu prüfenden Mangel dar (Urteil in BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396).
4. Die Sache ist mangels Entscheidungsreife an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird zunächst prüfen müssen, wer die streitigen Einkünfte erzielt hat. Kommt es hierbei zu dem Ergebnis, daß die Ehefrau des Klägers wegen ihrer Mitwirkung an der Veräußerung der Eigentumswohnungen als Mitunternehmerin anzusehen ist, wovon die Verfahrensbeteiligten ausgehen, so bedarf es der gesonderten Feststellung dieser Einkünfte der Ehegatten für die Streitjahre.
Fundstellen
Haufe-Index 414785 |
BFH/NV 1987, 767 |