Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zum Erlöschen von Abgabeschuld und von Abgabehaftung durch die Leistung anderer. - § 97 AO 1931 -.
Normenkette
AO § 97
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat am 4. November 1948 von einem ihm angeblich Unbekannten 3.600 unverzollte und unversteuerte amerikanische Zigaretten gekauft und hat davon 860 mit Gewinn weiterverkauft. Die übrigen 2.740 Zigaretten wurden beschlagnahmt und durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts vom 14. Juni 1949 eingezogen, das den Bf. wegen Steuerhehlerei zu 1.000 DM Geldstrafe verurteilt hat.
Der Haftungsbescheid des Hauptzollamts vom 15. Februar 1950 hat den Bf. wegen der 3.600 Zigaretten zu dem Pauschalsatz des Koordinierungsbeschlusses Nr. 19 (30 Dpf je Stück) für 1.080 DM Abgaben haftbar gemacht.
Die Anfechtung vom 8. März 1950 hat die Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt unter Berufung auf das Kontrollratgesetz (KRG) Nr. 1, unter Beanstandung des Stückpreises von 30 Dpf und mit dem Hinweis, daß nur 860 Zigaretten weiterverkauft, die übrigen 2.740 dagegen beschlagnahmt und verwertet für diese die Abgaben zweimal erhoben worden seien.
Die Anfechtung ist durch die Entscheidung vom 6. April 1950 als unbegründet zurückgewiesen worden.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) vom 10. Mai 1950 beantragt die Aufhebung der Anfechtungsentscheidung und die Feststellung, daß der Bf. für die erhobenen Abgaben nicht zu haften habe. Die Rb. rügt als wesentlichen Verfahrensmangel, die Vorinstanzen seien auf die Behauptungen des Bf. nicht eingegangen. Die Abgaben für die beschlagnahmten 2.740 Zigaretten seien zweimal erhoben worden, denn das Hauptzollamt habe diese Zigaretten unter Erhebung der Abgaben der AG zum In-Verkehr-Bringen übergeben.
Die Vorinstanz hat den Bf. mit Recht für die 3.600 Zigaretten als Steuerhehler im Sinn von § 403 der Reichsabgabenordnung (AO) angesehen, weil er als langjähriger Tabakwarenhändler sie ohne deutsche Steuerbanderole zu gewinnbringendem Weiterverkauf erworben hat. Damit ist seine Haftung für die Abgaben von den 3.600 Zigaretten als Gesamtschuldner neben dem unbekannt gebliebenen Hinterzieher nach § 112 AO gegeben. Die Berufung des Bf. auf das KRG Nr. 1 ist durch die Vorentscheidung zutreffend abgelehnt worden.
Dagegen ist der nicht berücksichtigte Einwand der doppelten Besteuerung der rechtskräftig eingezogenen 2.740 Zigaretten dann begründet, wenn diese bereits durch die AG versteuert worden sind, da die Steuerschuld nur einmal entstanden ist und daher auch nur einmal geltend gemacht werden darf, wie der Hinterzieher von den durch sein vorschriftswidriges Verfügen entstandenen Abgabeschulden mit deren Entrichtung durch den Hehler (von evtl. zivilrechtlichem Ersatz abgesehen) frei wird und wie auch die Haftung des Hehlers wegfällt, wenn die beschlagnahmten Gegenstände durch die Zollstelle besonders durch Versteigerung veräußert und die Abgaben dafür durch den Ersteher der Gegenstände bezahlt werden. Hat die AG die Abgaben entrichtet, so ist der Bf. von der Haftung für 2.740 x 0,30 DM = 822 DM freizustellen. Da diese Frage durch die Anfechtungsentscheidung nicht geprüft worden ist, war diese aufzuheben und die Sache als nicht spruchreif mit der Folge aus § 318 Absatz 2, § 320 Absatz 3 AO an das Hauptzollamt zurückzuverweisen.
Wegen der Höhe des Pauschalsteuersatzes je Zigarette gilt folgendes:
Nach § 15 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) darf der Reichsminister der Finanzen anordnen, daß Tabakerzeugnisse, die nicht zum Handel eingeführt werden, nach den von ihm festgesetzten Durchschnittspreisen versteuert werden. Nach Satz 2 berechnet sich, wenn eine solche Anordnung getroffen ist, auch die Steuer für die Tabakerzeugnisse, die unter Hinterziehung der Abgaben eingeführt werden, nach den festgesetzten Durchschnittspreisen.
Auf Grund dieser Vorschriften galten nach § 46 Absatz 1 Satz 1 der Durchführungsbestimmungen für nicht zum Handel eingeführte Tabakerzeugnisse als Kleinverkaufspreise die dort genannten Durchschnittspreise. An die Stelle dieser Durchschnittspreise sind für die Dauer des Krieges die Durchschnittspreise in Teil 2 Absatz 2 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen V 1510 - 19 II vom 16. Februar 1944, Reichszollblatt (RZBl.) S. 23, getreten. Diese Durchschnittspreise sind - von der Rechtsverbindlichkeit ihrer Einführung und von der Kriegsdauer abgesehen - jedenfalls durch die wiederholten Änderungen der Tabaksteuersätze überholt und daher nicht mehr gültig. Zudem sind diese Durchschnittspreise u. a. für Bayern durch § 3 der Rechtsanordnung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen V 28845 - z 5129 r vom 14. September 1946, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) 1946 S. 58 Nr. 52, aufgehoben worden mit der Ermächtigung an die Zollstellen, die Eingangsabgaben für nicht zum Handel bestimmte Tabakwaren pauschaliert zu erheben. Dadurch sollten alle Eingangsabgaben (Zoll, Umsatzausgleichsteuer, Tabaksteuer und Materialsteuer) abgegolten sein.
Der Koordinierungsbeschluß Nr. 19 des vormaligen Gemeinsamen Deutschen Finanzrats vom 22. April 1947 hat die Abgaben für Tabakwaren, die nicht zum Handel eingeführt werden, anders pauschaliert. Dieser Pauschalierungsbeschluß hatte aber, wie alle Koordinierungsbeschlüsse, selbst keine Gesetzeskraft; er stellte nur eine Empfehlung an die Regierungen der deutschen Länder dar.
Der auf Grund dieses Beschlusses ergangene Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen V 22021 vom 27. Juni 1947, Bay. FMBl. S. 53 Nr. 57, wonach die Abgaben für Zigaretten, die nicht zum Handel eingeführt werden, auf 30 Rpf pauschaliert waren, überschritt die Ermächtigung des § 15 TabStG, hat deshalb keine ausreichende Rechtsgrundlage und ist daher als rechtswirksam nicht anzuerkennen. Das gleiche gilt von dem Erlaß des genannten Bayerischen Ministeriums V 82945 - V 1400 A vom 11. Oktober 1949, Bay. FMBl. 1949 S. 427 Nr. 226, der die Abgaben für nicht zum Handel bestimmte Zigaretten auf 0,15 DM das Stück und für unter Hinterziehung der Abgaben eingeführte Zigaretten auf 0,25 DM das Stück pauschalierte, und von dem Erlaß des Bundesministers der FinanzenIII V - 1510 - 28/49 vom 7. Dezember 1949, der die gleichen Pauschalsätze enthalten hat.
Mangels rechtsgültiger Unterlagen sind daher die Abgaben für geschmuggelte Tabakerzeugnisse nach § 8 TabStG in Verbindung mit § 24 der Durchführungsbestimmungen zu berechnen. Nach diesen Vorschriften müssen in den der Versteuerung zugrunde zu legenden Kleinverkaufspreisen alle Abgaben, nämlich Zoll, Umsatzausgleichsteuer, Materialsteuer und Banderolesteuer, und alle außerdem vom Verbraucher zu tragenden Kosten, nämlich die reinen Gestehungskosten und die Handelsspanne, eingerechnet werden. Danach ergibt sich ein Kleinverkaufspreis von 70 Dpf je Zigarette, wenn man das Gewicht der Zigarette mit 1,25 g, die Gestehungskosten frei Grenze mit 3 Dpf, die Steuer mit 60 % und die Handelsspanne mit 15 % des Kleinverkaufspreises ansetzt.
Die Abgaben betragen hiernach: Zoll ------------------------------- 11,25 Dpf Umsatzausgleichsteuer --------------- 1,70 " Materialsteuer ---------------------- 0,65 " Banderolesteuer ------------------- - 42,00 " zusammen: -------------------------- 55,60 Dpf
Diese Auffassung vertritt im Gegensatz zu seinem oben genannten Erlaß vom 7. Dezember 1949 jetzt auch der Bundesminister der Finanzen in seinem Erlaß IIIA V 1510 - 12/50 vom 1. August 1950.
Diese Berechnung der Kleinverkaufspreise und der Abgaben ist umständlich und ergibt übermäßig hohe Beträge. Da deshalb beabsichtigt ist, die Versteuerung der nicht zum Handel und der unter Abgabenhinterziehung eingeführten Tabakerzeugnisse neu zu regeln, die Erörterungen darüber aber noch nicht abgeschlossen sind, ist davon abgesehen worden, die Entscheidung der Vorinstanz nach § 243 Absatz 3 AO zum Nachteil des Bf. zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 407175 |
BStBl III 1951, 34 |
BFHE 55, 86 |