Leitsatz (amtlich)
Dem Nießbraucher, der in Ausübung seines Nießbrauchsrechts an einem Grundstück auf diesem ein Einfamilienhaus errichtet, stehen die erhöhten AfA nach § 7b EStG zu, wenn er selbst Bauherr war.
Normenkette
EStG § 7b; BGB § 95 Abs. 1 S. 2, § 1030 ff.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7b EStG geltend machen können.
Die Kläger erhielten im Jahre 1962 von ihren damals noch minderjährigen Kindern auf Lebenszeit einen uneingeschränkten Nießbrauch an einem unbebauten Grundstück eingeräumt, das diese im Wege der Schenkung erhalten hatten. Der Nießbrauch sollte sich auch auf die auf dem Grundstück zu errichtenden Baulichkeiten erstrecken. Für das im Jahre 1963 errichtete Einfamilienhaus begehrten die Kläger die erhöhte AfA nach § 7b EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, daß nicht die Kläger, sondern die Kinder Eigentümer des Grundstücks seien. Deren Einkünfte seien aber bei der Veranlagung der Eltern außer Ansatz zu lassen.
Im Einspruchsverfahren änderte das FA seine Ansicht. Die Einkünfte aus dem Einfamilienhaus seien den Klägern zuzurechnen, wobei diese nach der Einnahmeüberschußrechnung, allerdings ohne Zubilligung einer AfA, zu ermitteln seien.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG teilte die Ansicht, daß entsprechend der Rechtsprechung des BFH nicht dem Nießbraucher, sondern nur dem Eigentümer als demjenigen, der den Wertverzehr wirtschaitlich trage, das Recht zustehe, AfA geltend zu machen. Der Nießbraucher könne das nur dann, wenn er als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen sei. Das treffe hier nicht zu. Gleichwohl seien aber die Kläger im vorliegenden Fall AfA-Berechtigte, weil das von ihnen errichtete Haus in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück nicht Bestandteil des Grundstücks geworden sei (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ihre Berechtigung zur Vornahme der erhöhten AfA nach § 7b EStG sei daher originär mit der Errichtung des Gebäudes entstanden. Das FG hob den geänderten Bescheid vom 22. Juni 1966 auf und verpflichtete das FA, unter Beachtung seiner Rechtsauffassung eine neue Veranlagung vorzunehmen.
Mit der Revision rügt das FA, das FG sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es treffe nämlich nicht zu, daß die Kläger das Wohnhaus errichtet hätten. Bauherren seien nach der Mitteilung der Kreisverwaltung zunächst die OHG, die das Grundstück den Kindern der Kläger geschenkt habe, und später die Kinder selbst gewesen. Nach dem Wortlaut des Vertrages sei den Klägern bei der Nießbrauchsbestellung nicht ein Bebauungsrecht eingeräumt worden; es sei dort nur ausgeführt worden, daß der Nießbrauch sich auch auf zu errichtende Baulichkeiten erstrecken solle. Der Anerkennungsbescheid nach §§ 82, 83 des II. WoBauG laute ebenfalls auf den Namen der Kinder der Kläger. Die Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB gehe daher fehl.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juni 1966 wieder herzustellen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung dund Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen. daß einem Nießbraucher an einem Wohngrundstück das Recht auf AfA nicht zusteht, weil nicht er, sondern der Eigentümer den im Laufe der Zeit eintretenden Wertverzehr wirtschaftlich trägt. Diese Auffassung hat der BFH für die Einräumung eines unentgeltlichen Nießbrauchs in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. zuletzt Urteil vom 21. Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 26. März 1974 VIII R 210/72 (BFHE 112, 165, BStBl II 1974, 6) für ein entgeltlich erworbenes dingliches Wohnrecht die Ansicht vertreten, daß auf dieses Recht keine AfA vorgenommen werden können, weil es keiner Abnutzung unterliegt. Die gleichen Überlegungen gelten auch für den Nießbrauch, wobei es unerheblich ist, ob dieser entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt worden ist. Hiernach stehen den Klägern auf das Nießbrauchsrecht selbst keine AfA zu.
Die Vorinstanz hat den Klägern die Berechtigung zur Vornahme der erhöhten AfA nach § 7b EStG auf das Haus selbst zugebilligt, weil sie das Haus in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück errichtet hätten. Der Ausgangspunkt des FG, daß jemandem die AfA-Berechtigung zusteht, wenn er auf Grund eines Rechts an einem fremden Grundstück als Bauherr ein Haus errichtet und dessen Eigentümer er wird, ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß Gebäude, die in Ausübung eines Rechts an einem Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind, nicht zu den Bestandtellen des Grundstücks gehören (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu diesen Rechten im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört nach einhelliger Auffassung auch der Nießbrauch (Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, § 95 RdNr. 9; Coing in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 95 Anm. 10; Kregel in Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Aufl., § 95 Anm. 34; Rosenthal-Bohnenberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Aufl., RdNr. 208; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 95 Anm. 3; Urteil des RG vom 2. Dezember 1922 V 162/22, RGZ 106, 49 [51]; Urteil des BGH vom 28. November 1952 V ZR 26/52, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 95 BGB Nr. 2; BFH-Urteil vom 23. Juni 1962 III 163/58, StRK, Bewertungsgesetz, § 22, Rechtsspruch 51). Errichtet ein Nießbraucher in Ausübung dieses Rechts ein Gebäude, so wird nicht der Eigentümer des Grundstücks hieran Eigentümer. Eigentümer am Gebäude wird vielmehr der Nießbrauchsberechtigte. Dieser kann dann auch auf dieses Gebäude die AfA vornehmen. Für das Erbbaurecht hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 15. Februar 1963 VI 166/61 U (BFHE 76, 656, BStBl III 1963, 239) ausgesprochen, daß dem Erbbauberechtigten als dem Eigentümer des auf Grund des Erbbaurechts errichteten Gebäudes die erhöhten AfA zustehen, wenn er das Gebäude erstellt hat.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze können die Kläger AfA auf das im Jahre 1963 errichtete Einfamilienhaus geltend machen, wenn das Haus von ihnen erstellt worden ist, mit anderen Worten, wenn sie Bauherren waren. Das FG hat dies bejaht, weil die Kläger den Bau aus ihren Mitteln bezahlt hätten. Ganz abgesehen davon, daß die Vorentscheidung keine tatsächlichen Feststellungen enthält, wie und in welcher Weise die Kläger hierbei in Erscheinung getreten sind, würde auch die Übernahme der Finanzierung allein nicht ausreichen, um die Kläger als Bauherren und damit als wirtschaftliche Eigentümer des Einfamilienhauses anzusehen. Der BFH hat in seinem Urteil vom 24. Februar 1966 III 212/62 (StRK, Steueranpassungsgesetz, § 11 Nr. 4, Rechtsspruch 1), auf das sich das FA berufen hat, zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beteiligung an der Finanzierung allein kein wirtschaftliches Eigentum begründet.
Für die von den Klägern begehrte erhöhte AfA nach § 7b EStG kommt es entscheidend darauf an, ob sie Bauherren des im Jahre 1963 erstellten Einfamilienhauses waren. Nach § 18 Abs. 1 EStDV 1958 ist Bauherr, wer auf eigene Rechnung und Gefahr Wohnungen baut oder bauen läßt. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 15. März 1973 VIII R 150/70 (BFHE 109, 257, BStBl II 1973, 593) diese Bestimmung, die zu § 7c EStG ergangen war, auch für § 7b EStG für anwendbar gehalten, soweit dort die Bauherreneigenschaft definiert ist. Das FG wird nun feststellen müssen, wer im vorliegenden Fall das umfassend zu verstehende Bauherrenwagnis zu tragen und wer rechtlich und tatsächlich die Planung und Ausführung des Bauvorhabens in der Hand hatte. Bei der Ermittlung des Sachverhalts ist zu berücksichtigen, daß auch für das Einkommensteuerrecht von der ernsthaft gewollten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil VI 166/61 U).
Fundstellen
Haufe-Index 71130 |
BStBl II 1975, 8 |
BFHE 1974, 487 |