Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung; Umwandlung verdeckter Gewinnausschüttungen in offene Ausschüttungen
Leitsatz (NV)
1. Sind bis zu einer längere Zeit nach Abschluß der Wirtschaftsjahre stattfindenden Betriebsprüfung die in der Vergangenheit erbrachten Lieferungen und Leistungen einer GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter nicht abgerechnet worden, können verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen.
2. Der Umwandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung in eine offene Ausschüttung sind steuerrechtlich enge Grenzen gesetzt.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen.
Die Klägerin - eine GmbH - betreibt seit Mai 1971 ein Tiefbauunternehmen. An ihrem Stammkapital sind der Gesellschafter-Geschäftsführer zu 95 v. H. und dessen Ehefrau zu 5 v. H. beteiligt. Bei einer Betriebsprüfung, bei der die Buchführung der Klägerin wegen zahlreicher Mängel nicht mehr als ordnungsmäßig angesehen wurde, stellte der Betriebsprüfer fest, daß in den Jahren 1972 und 1973 Aufwendungen von 51 000 DM und 13 000 DM für die Errichtung des Privathauses des Gesellschafter-Geschäftsführers als Betriebsausgaben und nicht auf einem Verrechnungs- oder Privatkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers verbucht worden waren.
Das Finanzamt sah darin verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin an den sie beherrschenden Gesellschafter. Es wandte auf diese Ausschüttungen den Körperschaftsteuersatz von 51 v. H. an, da die Klägerin in ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1971 beantragt hatte, wie eine Kapitalgesellschaft i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1969 (KStG) besteuert zu werden.
Gegen die für die Streitjahre 1972 und 1973 ergangenen geänderten Körperschaftsteuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, die das private Wohngebäude des Gesellschafter-Geschäftsführers betreffenden Materialrechnungen seien irrtümlich unrichtig verbucht worden. Hiervon habe ihr Gesellschafter-Geschäftsführer nichts gewußt. Es liege demnach eine offene Gewinnausschüttung vor, die mit dem Steuersatz von 15 v. H. zu versteuern sei.
Das FA wies den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Klage. Diese hat das Finanzgericht (FG) - nach Befragung des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und nach Vernehmung des Steuerberaters der Klägerin als Zeugen - im wesentlichen abgewiesen. Das FG änderte die Körperschaftsteuer für 1972 nur geringfügig wegen eines Rechenfehlers.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend in den streitigen Beträgen verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F. gesehen, die mit dem Steuersatz von 51 v. H. zu versteuen sind (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F.).
1. Unter verdeckten Gewinnausschüttungen sind Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche ,,verdeckt". Vermögensvorteile werden den Gesellschaftern damit in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung erscheinen, sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Entscheidend ist damit, ob Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Maßstab ist dabei im Regelfall, ob die Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zugewandt hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).
Die Klägerin hätte für ihre Lieferungen und Leistungen, die sie einem Fremden gegenüber für die Errichtung eines Privathauses erbracht hatte, bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das angemessene Entgelt verlangt. Im Verhältnis der Klägerin zu dem sie beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist bis zum Erscheinen des Betriebsprüfers eine Abrechnung über die erbrachten Lieferungen und Leistungen anläßlich des privaten Hausbaus und demgemäß der Ausweis einer Forderung oder die Belastung des für den Gesellschafter-Geschäftsführer eingerichteten Verrechnungs- oder Privatkontos unterblieben. Statt dessen sind die Aufwendungen der Klägerin für die von ihr an den Gesellschafter-Geschäftsführer erbrachten Leistungen als Betriebsausgaben verbucht worden. Das läßt den Schluß zu, daß der Grund für die Vorteilszuwendung allein im Gesellschaftsverhältnis zu suchen ist. Es spielt keine Rolle, ob die Klägerin, handelnd durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, erkannt hat, daß sie durch ihre Handhabung verdeckte Gewinnausschüttungen bewirkt hat. Denn weder die Absicht der Kapitalgesellschaft, den Gewinn verdeckt zu verteilen, noch eine Einigung darüber, daß der Vorteil aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zugewendet wird, gehören zu den Voraussetzungen der verdeckten Gewinnausschüttung (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/69, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229).
In ihrer Revisionsbegründung greift die Klägerin die als verdeckte Gewinnausschüttungen angesetzten Beträge auch der Höhe nach an. Der Betriebsprüfer hätte diese Beträge nicht schätzen dürfen, da er sie aus der Buchführung hätte ermitteln können. Demgegenüber trägt das FA vor, der Materialaufwand, der den größten Teil der Kosten ausgemacht habe, sei den Büchern entnommen und nur ein verhältnismäßig geringer Betrag für Arbeitslöhne habe hinzugeschätzt werden müssen. Die Klägerin hat die Ansätze des Betriebsprüfers weder im Einspruchsverfahren noch im Verfahren vor dem FG beanstandet. Wenn sie die Höhe der angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen erstmals in der Revisionsinstanz mit der wiedergegebenen Begründung angreift, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, dessen Berücksichtigung gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist.
2. Der Klägerin geht es, wie schon ihre Klage- und Revisionsanträge zeigen, in erster Linie darum, daß auf die in den Streitjahren hinzugerechneten verdeckten Gewinnausschüttungen statt des Regelsteuersatzes von 51 v. H. der ermäßigte Steuersatz von 15 v. H. nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. angewendet wird. Dieser Steuersatz ist, wie sich aus § 19 Abs. 3 KStG a. F. ergibt, nur auf offene und nicht auf verdeckte Gewinnausschüttungen anwendbar. Die Klägerin begehrt eine entsprechende Richtigstellung. Diesem Begehren hat das FG zu Recht nicht stattgegeben.
Offene - nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 Satz 1 KStG a. F. berücksichtigungsfähige - Ausschüttungen sind die aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, deren Ergebnisse bei der Veranlagung zu berücksichtigen sind. Der Gewinnverteilungsbeschluß bezieht sich auf den Handelsbilanzgewinn des Wirtschaftsjahres, für das die Veranlagung durchgeführt wird (BFH-Urteil vom 22. November 1972 I R 22/71, BFHE 107, 503, BStBl II 1973, 195). Die Umwandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung in eine offene und damit berücksichtigungsfähige Ausschüttung kann daher nur in Betracht kommen, wenn die Gesellschaft den Jahresabschluß für das Jahr der verdeckten Gewinnausschüttung in handelsrechtlich zulässiger Weise durch Ansatz des Rückgewährungsanspruchs ändert und die Ausschüttung des dadurch erhöhten Handelsbilanzgewinns beschließt. Selbst diese handelsrechtlichen Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Steuerrechtlich sind der Umwandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung in eine offene Ausschüttung bzw. der Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung zudem enge Grenzen gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 18. Februar 1970 I R 12/67, BFHE 98, 538, BStBl II 1970, 526, m.w.N.) ist die Umwandlung nur möglich, wenn die Beteiligten die steuerrechtlichen Folgen ihres zu verdeckten Gewinnausschüttungen führenden Handelns offensichtlich nicht überblicken konnten, diese Folgen ungewöhnlich hart sind und wenn spätestens bis zur Aufstellung der Bilanz der frühere Zustand wieder hergestellt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsprechung weiterhin aufrechterhalten werden kann. Denn die aufgezeigten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin - handelnd durch ihren Geschäftsführer - die steuerrechtlichen Folgen ihrer Maßnahmen nicht habe überblicken können. Die Klägerin behauptet versehentlich unrichtige Verbuchungen ihrer Aufwendungen für den privaten Hausbau ihres Gesellschafter-Geschäftsführers, die dieser infolge mangelnder Buchführungskenntnisse nicht habe aufdecken können. Der Geschäftsführer einer GmbH ist für die Buchführung seiner Gesellschaft voll verantwortlich. Das Fehlen von Buchführungskenntnissen entbindet ihn nicht von der Pflicht, für die ordnungsmäßige Buchführung zu sorgen. Nach den Feststellungen des FG hat sich der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin in der Vergangenheit wenig um die Buchhaltung gekümmert und dem Berater, der mit der Buchführung betraut war, nur unvollständige Auskünfte erteilt. Wegen schwerer Mängel ist die Buchführung nicht als ordnungsmäßig befunden worden. Die verdeckten Gewinnausschüttungen beruhen demnach auf einer schuldhaften Nichtbeachtung der allgemeinen Sorgfaltsregeln, die bei einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter nicht vorgekommen wäre. Die verdeckte Gewinnausschüttung kann dann nicht mehr rückgängig gemacht oder in eine offene Ausschüttung umgewandelt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414178 |
BFH/NV 1986, 429 |