Leitsatz (amtlich)
Bei einer auswärtigen Beschäftigung "von verhältnismäßig kurzer Dauer" hängt die Abziehbarkeit des beruflich veranlaßten Mehraufwands nicht davon ab, daß dem ledigen Arbeitnehmer für die Beibehaltung der Unterkunft am bisherigen Wohnort Aufwendungen entstehen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR in der ab 1978 geltenden Fassung Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr ledig. Mit erstem Wohnsitz war er in St. gemeldet, wo er im Haushalt seiner Eltern ein Zimmer bewohnte. Ab Juli 1976 leistete er aufgrund freiwilliger Verpflichtung als Soldat auf Zeit für die Dauer von zwei Jahren Wehrdienst. Aufgrund dienstlicher Anordnung war er verpflichtet, in einer Gemeinschaftsunterkunft (Kaserne) zu wohnen. Für die Unterkunft in der Kaserne wurden ihm monatlich 25 DM berechnet.
Im Streitjahr war der Kläger bis 2. Januar, vom 28. Januar bis 28. März und vom 25. Juni bis 31. Dezember in C., im übrigen in A. stationiert.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1977 machte der Kläger u. a. folgende Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend:
Fahrtkosten für monatliche Heimfahrten nach St.
8 x 200 km (je 72 DM) 576 DM
4 x 320 km (je 115 DM) 460 DM
und Zimmermiete am Arbeitsort
(Kaserne) 12 x 25 DM 300 DM
1 336 DM
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.
Die Klage hatte insoweit Erfolg; das Finanzgericht (FG) ließ den Abzug unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juli 1976 Vl R 228/74 (BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu. Esging davon aus, daß St. Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers geblieben sei. Ein Umzug an seinen Beschäftigungsort sei ihm nicht zumutbar gewesen, da er den Raum in der Kaserne mit weiteren Soldaten habe teilen müssen und nicht seinen persönlichen Bedürfnissen und Neigungen entsprechend habe ausstatten können. Hinzu komme, daß während der insgesamt zweijährigen Bundeswehrtätigkeit ein mehrmaliger Standortwechsel zwischen C. und A. erfolgt sei, so daß ein Umzug unter Mitnahme der persönlichen Habe in eine Wohnung außerhalb der Kaserne auch wegen des häufigen Standortwechsels dem Kläger nicht zuzumuten gewesen sei. Da der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr auch wieder nach St. zurückgekehrt sei, seien die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung für die Abziehbarkeit derartiger Kosten aufgestellt habe, erfüllt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 76 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es macht geltend, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß es sich hier um eine kurzfristige auswärtige Beschäftigung im Sinne des Abschn. 27 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) gehandelt habe. Denn als kurzfristig könne eine auswärtige Beschäftigung im allgemeinen nur bis zu einem halben Jahr angesehen werden. Im Streitfall könne auch nicht deshalb von einem längeren Zeitraum ausgegangen werden, weil der Bundeswehrdienst in mehreren Abschnitten an verschiedenen Bundeswehrstandorten abzuleisten gewesen sei, denn die Verpflichtungsdauer als Bundeswehrsoldat müsse einheitlich beurteilt werden. Da es sich mithin um eine längerfristige auswärtige Beschäftigung eines ledigen Arbeitnehmers gehandelt habe, hätten Mehraufwendungen nur so lange zum Abzug zugelassen werden dürfen, wie der Kläger objektiv keine angemessene Unterkunft habe erlangen können. Voraussetzung sei jedoch, daß ihm nachweislich Aufwendungen für die Beibehaltung der Unterkunft am bisherigen Wohnort entstanden seien. Beide Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Die Übergangszeit, die im allgemeinen nur bis zu einem halben Jahr angesetzt werden könne, sei zu Beginn des Streitjahres bereits abgelaufen gewesen. Der Kläger habe im Streitjahr aber auch eine Wohnung am Beschäftigungsort gehabt, die nach objektiven Maßstäben für ihn angemessen gewesen sei. Bei dieser Prüfung komme es nämlich nicht auf die Ansicht des Arbeitnehmers, sondern auf sein Berufsbild an. Zum Berufsbild des Soldaten gehöre es, daß er in der Kaserne wohne. Im übrigen hätte das FG auch von seiner Auffassung aus die geltend gemachten Mehraufwendungen nur zum Abzug zulassen dürfen, wenn der Kläger nachweislich Aufwendungen für die Beibehaltung der Unterkunft am bisherigen Wohnort gehabt habe. Schließlich könnten die streitigen Fahrtkosten auch nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG angesehen werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat sich nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Abzug zugelassen.
Ledige Arbeitnehmer, die -- wie hier der Kläger -- keinen doppelten Haushalt führen, weil sie nicht mit von ihnen finanziell abhängigen Angehörigen zusammenleben, können Kosten der hier streitigen Art nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG steuerlich geltend machen. Der Senat hat sie jedoch u. a. bezüglich der Kosten für Heimfahrten und der Unterkunftskosten steuerrechtlich verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, gleichgestellt, wenn sie bei einem vorübergehenden auswärtigen Aufenthalt ihre Wohnung und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Ort zurückkehren und ihnen deshalb die Aufgabe ihrer Wohnung nicht zuzumuten ist Ivgl. z. B. Urteile vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356; vom 10. November 1978 Vl R 13-14/76, BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157, und vom 20. Dezember 1982 Vl R 123/81, BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das FG hat festgestellt, daß dem Kläger auch während der Verpflichtung bei der Bundeswehr sein Zimmer im elterlichen Haushalt zur Verfügung stand und er dort zu jener Zeit auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da das FA sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, sondern nur die Richtigkeit der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Würdigung des FG in Zweifel gezogen hat.
Zu Unrecht beruft das FA sich für seinen gegenteiligen Standpunkt darauf, daß dem Kläger in St. lediglich ein Zimmer im Haushalt seiner Eltern und keine selbständige Wohnung zur Verfügung gestanden habe. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Wohnung gemietet war und ob sie den Lebensverhältnissen des Klägers angemessen war oder nicht, so daß als "Wohnung" auch ein Zimmer im Haushalt der Eltern in Betracht kommt (Urteil in BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269). Der Senat sieht es auch nicht als erheblich an, daß hier im Gegensatz zur vorerwähnten Entscheidung vom FG keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob der Kläger das Zimmer mit eigenen Möbeln ausgestattet hatte. Die Annahme des Lebensmittelpunktes hängt hiervon nicht ab.
Entgegen der Ansicht des FA handelte es sich bei der von vornherein auf zwei Jahre begrenzten Tätigkeit des Klägers als Soldat auf Zeit an den ihm zugewiesenen Standorten C. und A. um eine auswärtige Beschäftigung von "verhältnismäßig kurzer Dauer" im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auch insoweit auf das Urteil in BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269 verwiesen.
Da mithin die dienstliche Tätigkeit des Klägers als Soldat auf Zeit von verhältnismäßig kurzer Dauer war, waren die Fahrtkosten in dem geltend gemachten Umfang zum Abzug zuzulassen. Aber auch die dem Kläger für die Unterbringung in der Kaserne erwachsenen Kosten sind als Werbungskosten abziehbar, ohne daß es -- wie das FA meint -- darauf ankäme, ob der Kläger für die Beibehaltung seines Zimmers im elterlichen Haushalt ein Entgelt entrichten mußte oder nicht.
Zu Recht hat bereits das FG auf das BFH-Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69 (BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) hingewiesen, in welchem der Senat ausgeführt hat, daß zu den abziehbaren Mehrkosten die Miete für die Wohnung am Beschäftigungsort, nicht aber die Miete für die Wohnung am bisherigen Wohnort gehört, da nur jene Miete durch die auswärtige Tätigkeit zusätzlich angefallen ist (vgl. auch Urteil in BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356). Die Miete für die Unterkunft am Beschäftigungsort entspricht in diesen Fällen -- jedenfalls bei gleichbleibenden Aufwendungen für die Wohnung am bisherigen Wohnort -- dem beruflich veranlaßten Mehraufwand des Steuerpflichtigen; sie ist mithin in voller Höhe abziehbar. Nichts anderes kann aber gelten, wenn der Ledige, wie dies möglicherweise hier der Fall war, für das frühere Wohnen und die spätere Bereithaltung des Zimmers im elterlichen Haushalt überhaupt kein Entgelt entrichten mußte; denn auch dann entsprechen die Kosten für die neue Unterkunft in vollem Umfang dem durch die auswärtige Tätigkeit veranlaßten Mehraufwand des Steuerpflichtigen.
Im Gegensatz dazu soll nach Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2 LStR in der ab 1978 geltenden Fassung die Abziehbarkeit der Unterbringungskosten (und auch der Mehraufwendungen für Fahrtkosten und Verpflegung) in Fällen der vorliegenden Art davon abhängig sein, daß dem Ledigen Aufwendungen für die Beibehaltung der Unterkunft am bisherigen Wohnort entstehen. Diese Auffassung der Finanzverwaltung entspricht nicht der Rechtslage (vgl. auch Huxol, Deutsches Steuerrecht 1983, 27 f.). Aus dem in Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2 LStR angeführten Urteil in BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795 läßt sich schon deshalb nichts Gegenteiliges herleiten, weil dieses Urteil keine auswärtige Beschäftigung "von verhältnismäßig kurzer Dauer" betraf.
Fundstellen
Haufe-Index 413707 |
BStBl II 1983, 515 |
BFHE 1983, 212 |