Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafterwohnung als Sonderbetriebsvermögen; kein wirtschaftliches Eigentum bei Anmietung auf unbestimmte Zeit i. S. des § 564 Abs. 2 BGB
Leitsatz (NV)
1. Ist ein von einer OHG mit eigenen Mitteln auf dem Grundstück eines Gesellschafters G errichtetes Gebäude, welches überwiegend betrieblichen Zwecken der OHG dient und eine von G genutzte Wohnung enthält, dem G zuzurechnen, so kann die Wohnung gemäß Abschn. 14 Abs. 4 EStR als Sonderbetriebsvermögen des G behandelt werden.
2. Für die Beantwortung der Frage, ob das Gebäude im wirtschaftlichen Eigentum der OHG steht, ist wesentlich, ob das Recht, es ,,auf unbestimmte Zeit zu nutzen" i. S. einer Vermietung auf unbestimmte Zeit (§ 564 Abs. 2 BGB) zu verstehen ist. In diesem Falle wird wirtschaftliches Eigentum i. d. R. zu verneinen sein.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 15; BGB § 564 Abs. 2; AO 1977 § 39 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) sowie der verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2, der Fabrikant M, waren in den Streitjahren (1977 bis 1979) die Gesellschafter einer OHG.
Die OHG errichtete 1970 auf einem Grundstück, das dem Gesellschafter N gehörte, mit eigenen Mitteln ein Gebäude. Das Gebäude, das eigenbetrieblichen Zwecken der OHG diente, enthielt auch eine für den Gesellschafter N bestimmte Wohnung. Der Anteil der Wohnung betrug weniger als die Hälfte des Gesamtgebäudes.
Die OHG wies den Grund und Boden und das Gebäude bis zum 31. Dezember 1976 in vollem Umfang in ihren Bilanzen aus. Im Rahmen des Abschlusses für 1977 ging sie hingegen davon aus, daß der auf die Wohnung des N entfallende Grundstücks- und Gebäudeteil zum notwendigen Privatvermögen gehöre und erfolgsneutral auszubuchen sei. Es ergaben sich folgende Buchwertminderungen:
31. Dezember 1976 1. Januar 1977 Minderungen
Grund und Boden 40 848 DM 35 880 DM 4 968 DM
Gebäude 246 499 DM 178 549 DM 67 950 DM.
Die Überschüsse der Einnahmen aus der Wohnung N über die Werbungskosten wurden in den Streitjahren als Einkünfte der OHG aus Vermietung und Verpachtung erklärt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) verneinte nach einer Betriebsprüfung unter Hinweis auf Abschn. 14 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79 (BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63) die Möglichkeit einer erfolgsneutralen Ausbuchung. Er behandelte die Einkünfte aus der Wohnung N als gewerbliche Einkünfte der OHG.
Es ergingen entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide für 1977 bis 1979. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 247 veröffentlicht worden. Das FG führte aus: Die Kläger seien beschwert (BFH-Urteil vom 10. Januar 1964 VI 29/63 U, BFHE 78, 374, BStBl III 1964, 144). Der Bilanzausweis des Wohnanteils sei indessen auch nach dem 31. Dezember 1976 nicht falsch gewesen. Zwar seien der betrieblich genutzte und der von N eigenwohnlich genutzte Grundstücksanteil zwei Wirtschaftsgüter (BFH- Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Der BFH habe jedoch nicht das auf Jahrzehnte langer Übung beruhende Wahlrecht des Abschn. 14 Abs. 4 EStR beanstandet, wonach Grundstücke, welche zu mehr als der Hälfte die Voraussetzung für die Behandlung als Betriebsvermögen erfüllten, insgesamt als Betriebsvermögen behandelt werden dürften (BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63).
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben, die Bilanzberichtigung auf den 1. Januar 1977 anzuerkennen und die angefochtenen Feststellungsbescheide dahin zu ändern, daß weder Einnahmen noch Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Wohnung des Gesellschafters N stehen, berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klage zulässig war. Die Kläger sind durch den angefochtenen Feststellungsbescheid beschwert.
2. Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG, weil die Vorentscheidung keine Feststellungen darüber enthält, ob das von der OHG errichtete Gebäude - wie die Beteiligten übereinstimmend meinen - als im wirtschaftlichen Eigentum der OHG stehend zu beurteilen ist. Darauf aber kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits an; denn die Rechtsfolgen sind unterschiedlich je nachdem, ob das von der OHG errichtete Gebäude im wirtschaftlichen Eigentum der OHG steht oder dem Grundstückseigentümer N zugerechnet werden muß.
a) Ist das von der OHG errichtete Gebäude dem Gesellschafter N zuzurechnen, dann gehörte es mit Ausnahme der von ihm bewohnten, in dem Gebäude belegenen Wohnung notwendig zu seinem Sonderbetriebsvermögen bei der OHG. Für diesen Fall konnte die von N bewohnte Wohnung gemäß Abschn. 14 Abs. 5 EStR bis 1975 (ab EStR 1978 Abschn. 14 Abs. 4) als Sonderbetriebsvermögen behandelt werden. Ist das geschehen und sollte später das Grundstück entnommen worden sein, dann könnte dies zu einer Realisierung stiller Reserven geführt haben. Anders, wenn eine Entnahme zu verneinen ist, möglicherweise deshalb, weil es am Entnahmewillen mangelte; denn eine Entnahme setzt einen Entnahmewillen voraus. Das FG hat dazu keine Feststellungen getroffen. Der Senat ist als Revisionsgericht nicht befugt, sie selbst zu treffen (§ 118 Abs. 2 FGO).
b) Stand hingegen das von der OHG errichtete Gebäude im wirtschaftlichen Eigentum der OHG, dann wird zu prüfen sein, ob die OHG im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes (1970) angesichts der damals herrschenden Rechtsansicht (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 117/60 S, BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183) überhaupt in der Lage war, ein Wahlrecht gemäß Abschn. 14 Abs. 5 EStR bis 1975 auszuüben.
3. Das FG wird bei der Prüfung der Frage, ob das von der OHG errichtete Gebäude in deren wirtschaftlichem Eigentum steht, untersuchen müssen, welche Bedeutung dem vom FA mit Schriftsatz vom 5. August 1987 vorgetragenen Recht der OHG zukommt, das Gebäude auf unbestimmte Zeit zu nutzen. Kommt dem Begriff ,,auf unbestimmte Zeit" die Bedeutung zu, daß N der OHG das Gebäude auf unbestimmte Zeit vermietet hat, so durfte dies im Hinblick auf § 564 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches der Annahme von wirtschaftlichem Eigentum entgegenstehen. Zu einem anderen Ergebnis hingegen wird man kommen müssen, wenn den Worten ,,auf unbestimmte Zeit" nach dem Willen der Vertragsparteien die Bedeutung ,,auf unbegrenzte Zeit" beizumessen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415610 |
BFH/NV 1989, 94 |