Leitsatz (amtlich)
Legt der gemäß § 55 Abs.6 BRAO zum Abwickler der Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts Bestellte eine im Zusammenhang mit einem nach § 55 Abs.2 BRAO zulässig angenommenen Neuauftrag dem FG eine auf den früheren Rechtsanwalt lautende schriftliche Prozeßvollmacht vor, so bedarf der Nachweis der allgemein wirkenden Bestellung als Abwickler keiner besonderen Form.
Normenkette
BRAO § 55 Abs. 6; FGO § 62 Abs. 3; BRAO § 55 Abs. 2
Tatbestand
Das Finanzamt (FA) hat gegen die ursprüngliche Klägerin als Alleinerbin ihres Bruders mit Schenkungsteuerbescheid vom 9.März 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.August 1986 Schenkungsteuer festgesetzt. Die mit Schriftsatz vom 15.September 1986 erhobene Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt wird, ist vom jetzigen Klägervertreter unterzeichnet. Der Briefkopf der Klageschrift enthält den Hinweis, daß dieser Praxisabwickler für Rechtsanwalt H sei, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Juli 1986 erloschen war. Mit der Klageschrift wurde eine unter dem 12.September 1986 von der ursprünglichen Klägerin erteilte schriftliche Prozeßvollmacht vorgelegt, die auf Rechtsanwalt H lautet.
Die ursprüngliche Klägerin ist am 9.Oktober 1986 verstorben und wurde von ihrem Sohn, dem nunmehrigen Kläger, allein beerbt. Mit Verfügung vom 28.April 1987 hat der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) gemäß Art.3 § 1 und § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit eine Frist bis 18.Mai 1987 gesetzt zur Nachreichung einer schriftlichen Prozeßvollmacht des Klägers sowie u.a. zum Nachweis der mit der Klage behaupteten Zahlungen des Bruders der ursprünglichen Klägerin sowie dafür, daß diese Zahlungen Gegenleistung für die von ihm erworbene Forderung darstellten, die das FA als schenkweise eingeräumt ansieht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.Mai 1987 hat der Klägervertreter eine Photokopie seiner Bestallungsurkunde vom 24.Juli 1986 als Praxisabwickler für Rechtsanwalt H sowie eine schriftliche Vollmacht des Klägers vorgelegt. Wegen der Versäumung der Frist zur Vorlage der Prozeßvollmacht wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das FG hat die Klage abgewiesen, weil sie weder zulässig noch begründet sei. Die ursprüngliche Klägerin habe Rechtsanwalt H, während er noch zur Rechtsanwaltschaft zugelassen gewesen sei, keinen Auftrag zu ihrer Vertretung erteilt. Das FG hat dabei auf das Datum der Einspruchsentscheidung verwiesen. Der Praxisabwickler sei aber nach § 55 Abs.2 Satz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) berechtigt gewesen, den neuen Auftrag anzunehmen und habe dementsprechend mit der Klageschrift die auf Rechtsanwalt H lautende schriftliche Prozeßvollmacht eingereicht. Zum Nachweis der Bevollmächtigung des Klägervertreters habe diese aber nicht genügen können, hierzu sei der Nachweis der Bestellung als Praxisabwickler für den ehemaligen Rechtsanwalt H erforderlich. Dieser Nachweis sei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht erbracht worden, weil die Bestallungsurkunde weder in Urschrift noch in beglaubigter Abschrift dem Gericht vorgelegt worden sei.
Mit der Revision beantragt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unzutreffend die für die Prozeßvollmacht im Finanzprozeß geltenden Anforderungen in förmlicher Hinsicht auf den Nachweis der Abwicklerbestellung erstreckt hat.
Nach § 55 Abs.6 i.V.m. Abs.1 Satz 1 BRAO kann die Landesjustizverwaltung einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, welche die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, zum Abwickler für die Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts bestellen, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen oder zurückgenommen worden ist. Dem Abwickler obliegt es nicht nur, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln (§ 55 Abs.2 Satz 1 BRAO), für welche er als von der Partei bevollmächtigt gilt (§ 55 Abs.2 Satz 4 BRAO), sondern er ist auch berechtigt, innerhalb der ersten sechs Monate nach seiner Bestellung zum Abwickler (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.November 1979 V ZR 123/76, Neue Juristische Wochenschrift 1980, 1050) neue Aufträge anzunehmen.
Zutreffend ist das FG stillschweigend davon ausgegangen, daß jedenfalls bei Bestellung eines Abwicklers für die Kanzlei eines Rechtsanwalts nach § 55 Abs.6 BRAO die Prozeßvollmacht auch auf den Namen des ehemaligen Rechtsanwalts ausgestellt werden kann. Denn die Befugnisse des Abwicklers leiten sich auch im Fall des nach § 55 Abs.2 Satz 2 zweiter Halbsatz BRAO zulässig angenommenen Neuauftrags von den dem ehemaligen Rechtsanwalt zustehenden Befugnissen her (im Zivilprozeß in erster Linie bezogen auf die Zulassung vor bestimmten Gerichten). Dies erfordert eine Verknüpfung des Neuauftrags mit dem Namen des ehemaligen Rechtsanwalts, dessen Kanzlei abzuwickeln der Abwickler bestellt ist.
Die Bestellung zum Abwickler ist Justizverwaltungsakt. Soweit sich daraus in Verbindung mit einer auf den Namen des ehemaligen Rechtsanwalts ausgestellten Prozeßvollmacht die Vertretungsbefugnis des Abwicklers herleitet, ist --wovon auch das FG ausgegangen ist-- grundsätzlich ein diesbezüglicher Nachweis erforderlich (soweit die Abwicklerbestellung nicht gerichtsbekannt ist). Dieser Nachweis bedarf aber keiner besonderen Form. Denn § 62 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt Schriftform lediglich für die Erteilung der Prozeßvollmacht, deren Einreichung bei Gericht nicht nur Sachurteilsvoraussetzung ist, sondern auch Beweisfunktion hat (vgl. Senatsurteil vom 18.Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392). Anders als bei der Erteilung einer Untervollmacht, die notwendig als Vertretungsbefugnis im einzelnen Fall den Regeln der Prozeßvollmacht unterliegt, stellt der Nachweis der allgemein wirkenden Bestellung als Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei nur das Verbindungsglied zwischen Prozeßvollmacht und der sich aus dem Justizverwaltungsakt ergebenden Befugnisse dar. Er kann deshalb sowohl durch eine einfache Ablichtung der dem Abwickler erteilten Bestallungsurkunde --wie im vorliegenden Fall-- als auch auf andere Weise, z.B. durch Auskunft der Justizbehörde geführt werden.
Da das FG schon wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung die Klage abgewiesen hat, war ihm eine Entscheidung zur Sache selbst verwehrt. Die gegen die Sachentscheidung gerichteten Revisionsangriffe müssen, weil die Ausführungen zur Sache die Entscheidung des FG deshalb nicht zu tragen vermögen, unberücksichtigt bleiben, wie auch die Entscheidung des FG selbst zur materiellen Frage. Die Sache ist somit an das FG zur erstmaligen Entscheidung in materieller Hinsicht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 62897 |
BFH/NV 1989, 34 |
BStBl II 1989, 624 |
BFHE 156, 399 |
BFHE 1989, 399 |
BB 1989, 1479-1479 (L) |
DB 1989, 1554 (ST) |
HFR 1989, 623 (LT) |