Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Parteien eines Grundstückskaufvertrages, daß der Erwerber die Grunderwerbsteuer allein zu tragen hat, rechnet nur die Hälfte der Grunderwerbsteuer zum Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967).
Normenkette
UStG 1967 § 10 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 421, 422 Abs. 1 S. 1, § 426 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen. 1972 errichtete sie mehrere Gebäude mit Wohnungen und Geschäftsräumen, die sie noch im selben Jahr in Form von Wohnungs- bzw. Teileigentum weiterveräußerte. Für den Verkauf der Geschäftsräume an Unternehmer für deren Unternehmen erzielte sie Nettopreise von insgesamt 300 540,45 DM. In den Kaufverträgen verpflichteten sich die Erwerber, die Grunderwerbsteuer voll zu übernehmen. Die Klägerin verzichtete gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) auf die in § 4 Nr. 9 Buchst. a dieses Gesetzes vorgesehene Steuerbefreiung der Grundstücksumsätze mit den Unternehmern.
Das Finanzamt ist der Auffassung, die Grunderwerbsteuer gehöre voll zum Entgelt für die Lieferungen der Grundstücke. Davon ausgehend setzte es die Umsatzsteuer 1972 unter Berücksichtigung der anteiligen Vorsteuern auf 10 363,70 DM fest.
Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, zum Entgelt und damit zur Bemessungsgrundlage rechne nur die Hälfte der Grunderwerbsteuer, da Erwerber und Veräußerer der Grundstücke Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer seien und folglich jeder im Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 BGB nur die Hälfte der Grunderwerbsteuer zu tragen habe, solange keine abweichende Vereinbarung getroffen worden sei. In Höhe des ohnehin von den Erwerbern zu tragenden Anteils könne sie nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden sein. Die Absprachen über die Grunderwerbsteuerbelastung bezögen sich nur auf den ursprünglich von ihr aufzubringenden Anteil.
Der Klage, die Umsatzsteuer dementsprechend um 509,90 DM auf 9 853,80 DM herabzusetzen, hat das Finanzgericht stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob Zahlungen des Leistungsempfängers an Dritte zum Entgelt gehörten, richte sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes. Infolgedessen komme es bei Zahlungen auf eine Gesamtschuld der am Umsatz Beteiligten auf das Innenverhältnis zwischen ihnen und nicht auf das Außenverhältnis zu dem Dritten an. Werde auf das Innenverhältnis abgestellt, zeige sich, daß die Übernahme der Grunderwerbsteuer durch den jeweiligen Erwerber nur den ansonsten von dem Veräußerer zu tragenden Anteil erfasse.
Mit der Revision rügt das Finanzamt Verletzung des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967. Nach seiner Meinung ist dem Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien des Grundstücksgeschäftes keine Bedeutung zuzumessen. Durch die Vereinbarung über die Grunderwerbsteuer sei § 426 Abs. 1 BGB ausgeschlossen worden; die Vorschrift könne daher nicht mehr zur Begründung des Standpunktes der Klägerin herangezogen werden. Im übrigen bestimme die Art der Verteilung der Grunderwerbsteuerbelastung die Höhe des Kaufpreises, den der Erwerber zu zahlen bereit sei. Es entspreche daher dem wirtschaftlichen Gehalt des Veräußerungsgeschäftes, das Entgelt um den vollen Betrag der Grunderwerbsteuer zu erhöhen.
Das Finanzamt beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist unbegründet.
Hat sich der Erwerber eines Grundstücks gegenüber dem Veräußerer verpflichtet, die Grunderwerbsteuer zu übernehmen, und entrichtet er sie vereinbarungsgemäß, erhöht sich das Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 um die Hälfte dieses Betrages. Verzichtet der Veräußerer des Grundstücks gemäß § 9 UStG 1967 auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Gesetzes, bemißt sich infolgedessen die Umsatzsteuer nach einem die Hälfte der Grunderwerbsteuer einschließenden Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967).
1. Entgelt ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Als derartige Aufwendungen kommen auch Zahlungen an Dritte in Betracht, sofern sie für Rechnung des leistenden Unternehmers entrichtet werden und im Zusammenhang mit der Leistung stehen. Zahlungen des Leistungsempfängers auf eine eigene Schuld gegenüber Dritten erhöhen das Entgelt nicht (Urteil vom 22. Februar 1968 V 84/64, BFHE 92, 56, BStBl II 1968, 463). Erfüllt der Leistungsempfänger durch seine Zahlungen an einen Dritten sowohl eine eigene Verbindlichkeit als auch eine Schuld des leistenden Unternehmers, weil beide im Verhältnis zu dem Dritten Gesamtschuldner sind (§ 421 BGB), rechnen die Zahlungen nur insoweit zum Entgelt, wie die Schuldbefreiung des leistenden Unternehmers (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB) für diesen von wirtschaftlichem Interesse ist und damit für ihn einen Wert darstellt. Dies beurteilt sich nach dem Innenverhältnis, d. h. nach dem Verhältnis der am Leistungsaustausch Beteiligten zueinander.
Der Umstand allein, daß Zahlungen des Leistungsempfängers an einen Dritten als Folge eines Gesamtschuldverhältnisses auch für den leistenden Unternehmer im Verhältnis zum Gläubiger schuldbefreiend wirken, kann nicht dazu führen, sie in vollem Umfang dieser Schuldbefreiung ohne Rücksicht auf das Innenverhältnis als Aufwand im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 zu beurteilen: Sind der Leistungsempfänger und der leistende Unternehmer als Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet (§ 426 Abs. 1 BGB), führt die mit der Befriedigung des Dritten durch den Leistungsempfänger eintretende Schuldbefreiung des leistenden Unternehmers bei diesem zu keiner Vermögensmehrung. In Höhe der halben Schuldsumme sieht sich der leistende Unternehmer nämlich dem Ausgleichsanspruch des Leistungsempfängers aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und aus dem gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB übergegangenen Recht ausgesetzt. Insoweit ist der leistende Unternehmer nicht endgültig von einer Verbindlichkeit befreit; vielmehr haben lediglich der Gläubiger und allenfalls die rechtliche Qualität der Verbindlichkeit gewechselt. Hinsichtlich der anderen Hälfte der Gesamtschuld steht dem Leistungsempfänger kein Ausgleichsanspruch zu. Insoweit ist der leistende Unternehmer zwar durch die Zahlung des Leistungsempfängers an den Dritten von seiner Gesamtschuld endgültig befreit. Aber auch in Höhe dieses Betrages hat die Schuldbefreiung für den leistenden Unternehmer keinen sich auf sein Vermögen auswirkenden Wert. Denn insoweit war das Vermögen des leistenden Unternehmers von Anfang an durch die Gesamtschuld rechnerisch nicht belastet, da ihm für den Fall der eigenen Inanspruchnahme umgekehrt ein Ausgleichsanspruch gegen den Leistungsempfänger zugestanden hätte.
2. Erklärt sich der Leistungsempfänger im Innenverhältnis zum leistenden Unternehmer damit einverstanden, die Gesamtschuld in voller Höhe zu tragen, verzichtet er für den Fall der Befriedigung des Dritten auf seinen Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmer. Liegt eine derartige Vereinbarung vor, dann kommt der mit der Befriedigung des Dritten einhergehenden Schuldbefreiung des leistenden Unternehmers für diesen ein Vermögenswert zu, der sich nach der Hälfte des zur Tilgung der Schuld erforderlichen Betrages bemißt. Zum einen ist der leistende Unternehmer von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten endgültig befreit worden; zum anderen wäre sein Vermögen in diesem Umfang ohne die Erklärung des Leistungsempfängers, die Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten allein zu übernehmen, mit dem Ausgleichsanspruch des Leistungsempfängers belastet. In diesem Umfang stellen daher die Zahlungen des Leistungsempfängers an den Dritten, die um der Leistung willen erbracht worden sind, Aufwand im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 und damit Entgelt dar.
3. Die Erwerber des Teileigentums an den mit Geschäftsräumen bebauten Grundstücken haben eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten (dem Steuergläubiger) erfüllt, für die auch die Klägerin als Gesamtschuldnerin einzustehen hatte. Gemäß § 15 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes i. V. m. § 7 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes waren die Klägerin und ihre Abnehmer Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer. Die Entrichtung der Grunderwerbsteuer durch die Erwerber befreite auch die Klägerin von ihrer Schuld. Diese Schuld hätte bei Fehlen einer besonderen Absprache über die Grunderwerbsteuer die Klägerin aufgrund der internen Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 und 2 BGB zur Hälfte belastet. Die Bereitschaft der Erwerber, die Grunderwerbsteuer in voller Höhe zu übernehmen, war daher für die Klägerin in dem Maße von wirtschaftlichem Interesse, wie die Erwerber sie ohne diese Vereinbarung hätten zum Ausgleich heranziehen können. Demgemäß erhöht sich jeweils das Entgelt für die Grundstückslieferungen durch die Zahlung der Grunderwerbsteuer seitens der Erwerber um die Hälfte des Steuerbetrages. Nur in dieser Höhe ist der Schuldbefreiung für die Klägerin ein Wert beizumessen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 4. Januar 1929 V A 842/28, RStBl 1929, 101; Sölch/Ringleb/List/Müller, Umsatzsteuergesetz-Mehrwertsteuer, Kommentar, § 9 Anm. 54; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer-, Kommentar, 3. Aufl., Bd. II § 10 Anm. 115, sowie Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz-Mehrwertsteuer-, Kommentar, 10. Aufl., Bd. II/3, § 9 Anm. 55).
Soweit Hartmann/Metzenmacher (Kommentar zum Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, 6. Aufl., 3. Bd., E § 10, Tz. 46) unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Januar 1959 V 172/57 U (BFHE 68, 371, BStBl III 1959, 143) der Ansicht sind, in derartigen Fällen sei dem Entgelt für die Grundstückslieferungen die gesamte Grunderwerbsteuer hinzuzurechnen, kann dem nicht gefolgt werden. Das erwähnte Urteil befaßt sich nicht mit der hier vorrangigen Frage, welche Zahlungen des Leistungsempfängers zum Entgelt gehören. Der Senat hat sich in dieser Entscheidung vielmehr auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob bestimmten Zahlungen unter dem Gesichtspunkt durchlaufender Posten der Entgeltcharakter verlorengeht, ohne zuvor diesen Entgeltcharakter ausdrücklich zu bejahen. Es kann daher dahinstehen, ob an diesem Urteil noch festgehalten werden kann.
Fundstellen
BStBl II 1980, 620 |
BFHE 1980, 571 |