Leitsatz (amtlich)
Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlaß der Grundsteuer gemäß § 33 GrStG 1973 ist als abgabenrechtlicher außergerichtlicher Rechtsbehelf der Einspruch gegeben.
Orientierungssatz
§ 33 GrStG 1973 ist der Konzeption nach eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO 1977 vorgehende Spezialvorschrift, die jedoch deren Anwendung nicht ausschließt. Die Vorschrift ordnet den Erlaß der Grundsteuer von Gesetzes wegen an, weshalb im Rahmen seiner Anwendung kein Raum für eine Ermessensausübung verbleibt. Das hat zur Folge, daß der Begriff "unbillig" in § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG 1973 --anders als die entsprechenden Begriffe in den §§ 163, 227 AO 1977-- als (unbestimmter) Rechtsbegriff zu qualifizieren ist, dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Anschluß an BVerwG-Urteil vom 29.9.1982 8 C 50.81 und GmSOGB-Beschluß vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70).
Normenkette
GrStG 1973 § 33 Abs. 1 S. 2; AO 1977 § 348 Abs. 1 Nr. 3, §§ 163, 227; FGO § 102
Tatbestand
Das Finanzamt (FA) hat den von der Klägerin am 16.März 1981 gestellten Antrag auf Erlaß der Grundsteuer gemäß § 33 des Grundsteuergesetzes 1973 (GrStG 1973) abgelehnt. Den von der Klägerin eingelegten Einspruch hat das FA mit Entscheidung vom 24.August 1981 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Klage begehrt die Klägerin, unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen 36,49 v.H. der Grundsteuer für das Werk R für das Kalenderjahr 1980 zu erlassen, hilfsweise, die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im Hauptantrag mangels Durchführung des zutreffenden Vorverfahrens als unzulässig abgewiesen, ihr im Hilfsantrag jedoch stattgegeben. Es ist der Auffassung, § 33 GrStG 1973 sei in bezug auf den Erlaß von Grundsteuer bei eigengewerblich genutzten Grundstücken vom Gesetzgeber als Billigkeitsmaßnahme ausgestattet, weshalb als zutreffender außergerichtlicher Rechtsbehelf nur die Beschwerde in Betracht komme.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 348 Abs.1 Nr.3 der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
1. Nach § 348 Abs.1 Nr.3 AO 1977 ist gegen Verwaltungsakte über Steuervergünstigungen, auf deren Gewährung oder Belassung ein Rechtsanspruch besteht, als Rechtsbehelf der Einspruch gegeben. Entgegen der Auffassung des FG gewährt § 33 GrStG 1973 --auch soweit es sich um den Grundsteuererlaß für eigengewerblich genutzte bebaute Grundstücke handelt-- einen Rechtsanspruch auf Erlaß der Grundsteuer bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen. Nach § 33 Abs.1 Satz 1 GrStG 1973 wird die Grundsteuer bei bebauten Grundstücken, bei denen der normale Rohertrag um mehr als 20 v.H. gemindert ist, in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der vier Fünftel des Prozentsatzes der Minderung entspricht, vorausgesetzt, daß der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken wird nach § 33 Abs.1 Satz 2 GrStG 1973 der Erlaß nur gewährt, wenn die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre.
§ 33 GrStG 1973 ist der Konzeption nach eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO 1977 vorgehende Spezialvorschrift, die jedoch deren Anwendung nicht ausschließt. Die Vorschrift ordnet den Erlaß der Grundsteuer von Gesetzes wegen an, weshalb im Rahmen seiner Anwendung kein Raum für eine Ermessensausübung verbleibt. Das hat, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.September 1982 8 C 50.81 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grundsteuergesetz 1973, § 33, Rechtsspruch 2, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1983, 30) ausgesprochen hat, zur Folge, daß der Begriff "unbillig" in § 33 Abs.1 Satz 2 GrStG 1973 --anders als die entsprechenden Begriffe in den §§ 163, 227 AO 1977 (vgl. dazu Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603)-- als (unbestimmter) Rechtsbegriff zu qualifizieren ist, dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG --von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend-- keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, die es dem Senat ermöglichen würden, in der Sache selbst zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 62258 |
BFHE 153, 571 |
BFHE 1989, 571 |
BB 1988, 2024-2024 (L1) |
DB 1988, 2390 (T) |