Leitsatz (amtlich)
Entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung von Grundstückserschließungskosten erst nach Eintritt der Grunderwerbsteuerpflicht des Erwerbsvorganges, so sind die Erschließungskosten auch dann nicht - weder als nichtdauernde Belastung noch als sonstige Leistung - Teil der grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung, wenn der Grundstückserwerber sich bereits im Kaufvertrag dem Veräußerer oder auch der Gemeinde gegenüber verpflichtet hat, die künftig entstehenden Erschließungskosten zu tragen. Hieran ändert sich nichts, wenn der Veräußerer an der Durchführung des Kaufvertrages und damit an der Übernahme der Erschließungskosten auch durch die anderen Erwerber eines gesamten Grundstückskomplexes interessiert ist.
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 S. 1
Tatbestand
Die Kläger erwarben im März 1961 von privaten Verkäufern eine unbebaute, unerschlossene und noch unvermessene Teilgrundstücksfläche. Die Gemeinde wollte - so das FA - der Bebauung des an 11 Interessenten aufzuteilenden Grundstücks nur zustimmen, wenn die Bauherren die Erschließungskosten übernähmen. Die Kläger verpflichteten sich im Kaufvertrag, die entstehenden Erschließungskosten anteilig zu tragen. Die Verkäufer hafteten nicht für Güte und Beschaffenheit des Grundstücks. Nachdem der Bebauungsplan vom Januar 1962 im März 1962 genehmigt war, wurde die letzte behördliche Genehmigung für den Kaufvertrag Ende Juni 1962 erteilt.
Anfang Oktober 1962 beauftragten die Kläger und die anderen 10 Interessenten - wie in dem architektengebundenen Kaufvertrag festgelegt - den Architekten mit der Errichtung der Erschließungsanlagen, deren anteilige Anliegerkosten der Architekt mit voraussichtlich ... DM errechnete.
Mitte Oktober 1962 vereinbarte der Architekt als "Betreuer" der Grundstückseigentümer (gemeint: der Erwerber als der künftigen Grundstückseigentümer) mit der Gemeinde, daß die Entwässerungsanlage auf Kosten der Eigentümer zu erstellen und nach Abnahme kostenlos in das Eigentum der Gemeinde zu überführen war. Die Gemeinde leistete einen Zuschuß.
Ende Oktober 1962 wurde die zwischenzeitlich vermessene Parzelle an die Kläger aufgelassen. Bei Beurkundung der Auflassungserklärung wurde unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag bestimmt, daß die Kläger die anteiligen Erschließungskosten und eventuelle Mehrkosten auf ein Treuhandkonto des Architekten zu überweisen hatten; der Kostenentwurf und der Vertrag mit der Gemeinde waren als wesentliche Bestandteile beigefügt.
In den Steuerbescheiden rechnete der Beklagte die anteiligen Anlieger(Erschließungs)kosten in die Besteuerungsgrundlage ein.
Die Einsprüche wies der Beklagte zurück.
Das FG Münster gab der Berufung, mit der sich die Kläger gegen die Einbeziehung der Erschließungskosten in die Gegenleistung wehrten, mit Urteil IV d 35/64 vom 24. Mai 1965 aus den im wesentlichen in den EFG 1965 Nr. 583, 494 wiedergegebenen Gründen statt.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt der Beklagte, das FG habe unter Bezugnahme auf die Urteile des BFH II 157/57 U vom 9. September 1959 (BFH 69, 558, BStBl III 1959, 468) und II 250/58 U vom 15. Juni 1960 (BFH 71, 176, BStBl III 1960, 314) zu Unrecht darauf abgestellt, ob bereits für die Veräußerer eine Verpflichtung zur Entrichtung der Erschließungskosten bestanden habe. Auch im vorliegenden Fall habe das Interesse der Verkäufer an der Vertragsdurchführung ihr Verlangen nach Übernahme der Erschließungskosten durch den Käufer begründet. Wenn das FG trotz klaren Akteninhalts noch Zweifel gehabt habe, hätte es durch Einholung einer Auskunft bei der Gemeinde klarstellen müssen, daß der Kaufvertrag nur gegen Übernahme der Kosten der Entrichtung der Abwässeranlage genehmigt worden war. Schon dieses Verkäuferinteresse genüge zur Bejahung der Gegenleistung. - Darüber hinaus habe das FG den Kaufvertrag falsch ausgelegt. Geschäftsgrundlage der Gesamtvertragsgestaltung sei gewesen, daß auch die anderen Käufer die Erschließungskosten mitübernahmen. Diese Geschäftsgrundlage habe der Verkäufer schaffen müssen. Die auf Grund der Vorverhandlungen gesicherte Bebaubarkeit des Grundstücks habe den Kaufpreis beeinflußt, so daß die Verkäufer auch deshalb ein Interesse an der Übernahme der Erschließungskosten durch die Käufer gehabt hätten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß die Erschließungskosten im Streitfall nicht als Gegenleistung anzusetzen sind; sie waren weder auf dem Grundstück ruhende, auf die Erwerber kraft Gesetzes übergehende nichtdauernde Belastungen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG), noch sind sie als von den Erwerbern übernommene sonstige Leistungen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzusehen.
1. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG waren die Erschließungsanlagen im Zeitpunkt der (letzten) Genehmigung des Kaufvertrags - Juni 1962 - als dem für die Entstehung der Steuerschuld und damit auch für die Entscheidung der vorliegenden Frage maßgebenden Stichtag (§ 3 Abs. 1, 5 Nr. 5 Buchst. b StAnpG) noch nicht erstellt. Die erst nach Eintritt der Grunderwerbsteuerpflicht entstehenden Erschließungskosten gehören aber - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat - nicht als nichtdauernde Belastung zur Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (BFH-Entscheidung II 112/64 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 183, BStBl II 1968, 690; vgl. auch Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 11 Tz. 187, 188 mit weiteren Nachweisen).
2. Die Übernahme der Erschließungskosten durch die Kläger kann auch nicht als sonstige Leistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gewertet werden.
Die Kläger haben sich zwar im Kaufvertrag den Veräußerern gegenüber und gemäß Auflassungsvertrag in Verbindung mit dem Vertrag des Architekten als ihres Betreuers mit der Gemeinde auch der Gemeinde gegenüber verpflichtet, die anteiligen Erschließungskosten zu tragen. Der Umstand allein, daß der Käufer eines Grundstücks sich auf diese Weise bereits wirksam verpflichtet hat, die erst künftig entstehenden Erschließungskosten zu tragen, rechtfertigt es nicht, solche Kosten nur wegen ihrer Erwähnung im Kaufvertrag bzw. in der Auflassungserklärung der grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung hinzuzurechnen. Der Senat hat vielmehr - allerdings erst nach Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Beklagten und insoweit in ausdrücklicher Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, auch in dem vom Beklagten zur Stützung seiner Auffassung angeführten Urteil II 157/57 U vom 9. September 1959, a. a. O. - in dem o. a. Urteil II 112/64 vom 27. Juni 1968 (BFH 93, 183, 188) entschieden, daß grundsätzlich nur solche öffentlich-rechtlichen Erschließungskosten zur Erhöhung der Gegenleistung führen können, bei denen die Verpflichtung, sie zu entrichten, bereits im Zeitpunkt des steuerpflichtigen Erwerbsvorganges bestanden hat.
Unstreitig und auch insoweit vom FG ohne Revisionsangriff festgestellt bestand eine Verpflichtung der Veräußerer zur Tragung der Erschließungskosten - sei es gegenüber den Voreigentümern, sei es gegenüber der Gemeinde - im maßgebenden Zeitpunkt nicht. Die mit der Revision vorgetragene Auffassung des Beklagten, nicht erst das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Veräußerers und deren Übernahme durch den Erwerber sei zur Bejahung der Gegenleistung nötig, sondern es genüge hierfür ein "Interesse" des Veräußerers an der Durchführung des Kaufvertrags und damit an der Übernahme der Erschließungskosten durch die Erwerber, erweist sich im Lichte der neuen Rechtsprechung des Senats als nicht zutreffend. Auch die Verpflichtung des Erwerbers, an einen Dritten zu leisten, kann - von dem hier nicht gegebenen, eine Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer nicht voraussetzenden Tatbestand des § 11 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG abgesehen (Boruttau/Klein, a. a. O., § 11 Tz. 345) - als sonstige Leistung eine Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein, jedoch regelmäßig nur unter der Voraussetzung, daß sie wegen des Grundstückserwerbs zugunsten des Veräußerers - zu dessen Nutzen - gewährt wird, nicht aber zum Nutzen des Erwerbers selbst (vgl. Boruttau/Klein, a. a. O., § 11 Tz. 14-16), sei es, weil dieser die Leistung letztlich für sich selbst bewirkt (vgl. Boruttau/Klein, a. a. O., § 11 Tz. 83, 181), sei es, weil er - wie bei der künftig ohnehin entstehenden Verpflichtung zur Übernahme der Erschließungskosten nach Erstellung der Erschließungsanlagen - sich zu einer auch ohne ausdrückliche vertragliche Verpflichtung zu erbringenden Leistung verpflichtet (vgl. für die dem Käufer obliegenden Beurkundungsund Umschreibungskosten oder für die auf die Zeit nach dem Grundstückserwerb entfallenden Straßenanliegerbeiträge die Nachweise bei Boruttau/Klein, a. a. O., § 11 Tz. 139, 182; ferner für Beiträge zur Errichtung von Kfz-Einstellplätzen BFH-Entscheidung II R 16/68 vom 19. November 1968, BFH 94, 160, BStBl II 1969, 90). Diesen Grundsatz hat der Senat auch in dem o. a. Urteil II 112/64 vom 27. Juni 1968 (BFH 93, 183, 187) gerade für den Fall ausgesprochen, daß der Erwerber im Kaufvertrag sich im voraus ausdrücklich verpflichtet hat, die noch nicht entstandenen Erschließungskosten zu übernehmen.
Dieses Ergebnis ist auch vom Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuerrechts her gerechtfertigt, das im Grunde nur die Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks selbst als Besteuerungsmaßstab erfassen will. Selbst wenn man die von den Erwerbern ausdrücklich vorweg übernommene "Verpflichtung" zur Tragung der Erschließungskosten als unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen des Kaufvertrags und aus diesem Grund als "übernommene" sonstige Leistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) hätte behandeln wollen, müßte ihr Wert mit 0 angesetzt werden, da diese Leistung ausschließlich Aufwendungen betrifft, die sich in der von den Erwerbern selbst und zu ihrem eigenen Vorteil zu schaffenden Wertsteigerung des Grundstücks nach dem Zeitpunkt des grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs widerspiegeln.
Bei dieser Rechtslage kann es - wie der Beklagte noch mit der Revision behauptet und meint - nicht darauf ankommen, ob die Gemeinde ihre Genehmigung bzw. ihr Einvernehmen zur Genehmigung des Kaufvertrags von der Übernahme der Verpflichtung zur Tragung der Erschließungskosten durch die Käufer abhängig machte. Es ist deshalb hier entscheidungsunerheblich, ob eine diesbezügliche Weigerung der Käufer zur Versagung der Genehmigung hätte führen dürfen (vgl. §§ 19, 20 des Bundesbaugesetzes - BBauG - und die Erläuterungen hierzu in den Kommentaren zum Bundesbaugesetz Brügelmann/Grauvogel, § 20 Anm. 1; v. Hausen/von der Heide, 2. Aufl., besonders § 20 Anm 2; Schütz/Frohberg, 2. Aufl., besonders § 20 Anm. 1, und insbesondere Heitzer/Oestreicher, 4. Aufl., § 20 Anm. 1, 3 zu A mit Zitat des Urteils des BVerwG IV C 12/60 vom 6. September 1968, Deutsches Verwaltungsblatt 1969 S. 259). Abgesehen davon konnte das Interesse der Gemeinde insoweit letztlich nur dahin gehen, daß sie selbst nicht die Erschließungskosten zu tragen hatte, ihr Einverständnis mit der Durchführung des Grundstückserwerbs, der Parzellierung und Erschließung aber nicht davon abhängen konnte, wer - Veräußerer oder Erwerber - die Erschließungskosten einmal zu entrichten hatte. Damit ist die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung, weil das FG keine Auskunft der Gemeinde über die Abhängigkeit der Genehmigung des Kaufvertrags von der Übernahme der Erschließungskosten eingeholt habe, gegenstandslos.
Nun hatten sich die Verkäufer in § 7 des vom FG festgestellten Kaufvertrags zwar verpflichtet, das dem erworbenen Grundstück vorgelagerte Gelände (unentgeltlich?) der Gemeinde aufzulassen, falls diese die anzulegende Straße als öffentliche Straße übernehmen sollte. Aber auch diese (bedingte) Verkäuferpflicht muß auf die oben dargelegten Grundsätze ohne Einfluß bleiben, da diese Verpflichtung in keinem Zusammenhang mit der hier allein maßgeblichen Frage steht, wer die Erschließungskosten zu tragen hatte. Eine Hinzurechnung dieser Kosten zur Gegenleistung nur wegen dieser Verkäuferpflicht wäre um so weniger gerechtfertigt, als nach derselben Bestimmung des Kaufvertrags die Kosten für den Grund und Boden des vorgelagerten Straßengeländes im Kaufpreis und damit in der Besteuerungsgrundlage einbegriffen sind. Soweit der Senat in dem ebenfalls vom Beklagten zitierten Urteil II 250/58 U vom 15. Juni 1960, a. a. O., in diesem Zusammenhang andere Rechtsfolgen zur Abgrenzung der Gegenleistung gezogen haben sollte, könnte daran - wie an dem Urteil II 157/57 U vom 9. September 1959, a. a. O. - nicht festgehalten werden, zumal das Urteil II 250/58 U zu einem Sachverhalt ergangen ist, der möglicherweise in entscheidenden Nuancen vom vorliegenden Sachverhalt abweicht.
3. Zu Unrecht meint schließlich der Beklagte, das FG sei zu einem unrichtigen Ergebnis auch deshalb gekommen, weil es durch falsche Vertragsauslegung eine Verpflichtung der Verkäufer und die Befreiung hiervon durch die Kläger verneint habe, die anderen Käufer zur Übernahme der Erschließungskosten als Voraussetzung der Bebaubarmachung des ganzen Grundstückskomplexes zu verpflichten. Der Beklagte räumt selbst ein, daß diese Verpflichtung nicht ausdrücklich im Kaufvertrag aufgeführt sei, sich aber als Geschäftsgrundlage aus der Gesamtgestaltung der gemeinsam geschlossenen Kaufverträge ergebe. Dementgegen ist das FG ohne Verstoß gegen Akteninhalt und Denkgesetze und ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß die Verkäufer unbebaute und unerschlossene Grundstücke verkauft haben, daß - wie auch der Beklagte nicht bestreitet - eine Gewährleistung für die Güte und Beschaffenheit der Grundstücke vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen war und daß die Verkäufer eine Verpflichtung für die Baureifmachung der Grundstücke nicht übernommen hatten. Selbst wenn sich aber die Verkäufer dem jeweiligen Käufer gegenüber verpflichtet hätten, in den Verträgen mit den anderen Käufern sicherzustellen, daß auch diese die Erschließungskosten übernähmen, so würde auch dies eine Wertung bzw. Bewertung der Erschließungskosten als Gegenleistung aus dem unter II 2. dargelegten Gründen nicht rechtfertigen, zumal - wie das FG richtig ausführt - auch die anderen Käufer diese Verpflichtung wiederum nur zum eigenen und Gesamtnutzen aller Käufer, nicht aber der Verkäufer eingingen. Soweit die Übernahme der Erschließungskosten durch alle Käufer und die hierdurch - auch im "Interesse" der Verkäufer (so der Beklagte in der Revision) - sichergestellte Bebaubarkeit der Grundstücke ihren Niederschlag im Kaufpreis gefunden hat, ist die hierdurch verursachte Wertsteigerung des Grundstücks bereits in der Gegenleistung zur Grunderwerbsteuer erfaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 69377 |
BStBl II 1971, 252 |
BFHE 1971, 300 |