Leitsatz (amtlich)
Tritt aufgrund eines Organisationsaktes i. S. des § 17 FVG während des finanzgerichtlichen Verfahrens eine Änderung in der Zuständigkeit des beklagten FA ein (Veränderung der Bezirksgrenzen), so wird das nunmehr zuständige FA Beteiligter am Verfahren.
Normenkette
FVG § 17; FGO §§ 57, 63
Tatbestand
Nach einer Betriebsprüfung hat das FAG die Inbetriebnahme der dem Unternehmen der Klägerin dienenden Räume als Zuführung eines körperlichen Wirtschaftsgutes zur Nutzung als Anlagevermögen beurteilt und die Klägerin deswegen zur Selbstverbrauchsteuer herangezogen. Gegen den Umsatzsteuerbescheid 1968 hat die Klägerin unmittelbar Klage zum FG erhoben und die Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer angegriffen.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens richtete der Berichterstatter des FG an die Beteiligten ein Schreiben folgenden Inhalts:
"Den Steuerakten der Klägerin ist zu entnehmen, daß die örtliche Zuständigkeit währernd des gerichtlichen Verfahrens auf das FA A übergegangen ist. Da jedoch das FA G durch die Neuabgrenzung seines Amtsbezirks keine Beeinträchtigung seiner funktionellen Zuständigkeit (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.12.1971 I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438) erfahren hat, bleibt dieses Finanzamt, das den angefochtenen USt-Bescheid 1968 erlassen hat, der richtige Beklagte im Sinne des § 63 Abs. 1 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 17.4.1969 V R 5/66, BFHE 96, 89, BStBl II 1969, 593). Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wird daher dem FA G zugestellt."
Das der Klage stattgegebene Urteil des FG ist nach seinem Rubrum ergangen zwischen der Klägerin und dem FA G. Gegen dieses Urteil hat das FA A Revision eingelegt und zu ihrer Begründung vorgetragen: Entgegen der Auffassung des FG habe die Neuordnung der Amtsbezirke der FÄ A und G nicht zu Veränderungen der örtlichen Zuständigkeit i. S. der §§ 71 ff. der Reichsabgabenordnung (AO), sondern der funktionellen Zuständigkeiten geführt. Als Funktionsnachfolger des FA G sei es - das FA A - auch in die Beklagtenrolle getreten. Es beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Das vorinstanzliche Urteil ist rechtsfehlerhaft, da es zu Unrecht das FA G als Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Entscheidung angesehen hat. Zwar war die Klage zutreffend gegen dieses FA gerichtet, da es den angefochtenen Steuerbescheid erlassen hat (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA G jedoch seine Fähigkeit verloren, Beteiligter in diesem finanzgerichtlichen Verfahren zu sein. Denn die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde ist nur gewahrt, wenn diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Verwaltungskompetenz noch besitzt, die sie befugte, den angefochtenen Steuerbescheid zu erlassen.
Verwaltungskompetenz im vorbezeichneten Sinne (von Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, II, 4. Aufl., § 72, als Wahrnehmungszuständigkeit bezeichnet), die einem FA im Rahmen seiner Organzuständigkeit zukommen muß, ist die Berechtigung und Verpflichtung, funktionell als örtliche Landesbehörde die Verwaltung derjenigen Steuern durchzuführen, die ihr gemäß § 17 FVG (in der ab 3. September 1971 geltenden Fassung aufgrund des Finanzanpassungsgesetzes - FAnpG - vom 30. August 1971, BGBl I, 1426, BStBl I 1971, 390) übertragen worden ist. Diese sachliche Zuständigkeit des FA erstreckt sich auf den Bereich seines Bezirks und wird insoweit räumlich begrenzt. Ändert - wie im vorliegenden Fall - das nach § 17 FVG zuständige Organ des Landes die Grenzen des FA-Bezirks, wird die sachliche Zuständigkeit zwar nicht im Kompetenzbereich (Umfang), jedoch in bezug auf ihre räumliche Erstreckung verändert. Soweit Gebiete aus dem FA-Bezirk ausgegliedert werden, verliert das FA im Verhältnis zu den von der Veränderung betroffenen Steuerpflichtigen die Fähigkeit, Pflichtsubjekt des öffentlichen Rechts zu sein (vgl. Urteil des BFH vom 15. Dezember 1971 I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Diese Wirkung tritt ein, wenn entweder der Kompetenzbereich des FA verändert wird (so im Falle des Urteils I R 5/69) oder die sachliche Kompetenz - wie hier - räumlich anders eingegrenzt wird. In beiden Fällen kann und darf das FA seine ihm bislang zustehende Verwaltungskompetenz nicht mehr ausüben; es hat in beiden Fällen im Ergebnis seine Wahrnehmungszuständigkeit an das nunmehr zuständige FA verloren. Das FG setzt dagegen die örtliche Begrenzung der sachlichen Zuständigkeit, die Bestandteil des Organisationsrechts ist, nicht zutreffend mit der örtlichen Zuständigkeit eines FA gleich. Diese ergibt sich jedoch primär kraft ausdrücklicher Regelung aus der Abgabenordnung und knüpft an äußere Merkmale aus der Sphäre des Steuerpflichtigen an.
Hieraus folgt, daß das FA A im Zeitpunkt der Zuständigkeitsveränderung in die Beklagtenrolle des FA G eingetreten ist (gesetzlicher Parteiwechsel; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. November 1973 IV C 35/70, BVerwGE 44, 148). Diese materiell-rechtlichen Wirkungen, welche die Veränderungen im Organisationsrecht auf die Verfahrensposition einer beteiligten Behörde ausüben, hat das FG nicht beachtet. Denn das angefochtene Urteil geht nach seinem Rubrum davon aus, daß das FG G der Beklagte geblieben sei, obwohl dieses FA als solches wegen der Kompetenzeinbuße nicht mehr auftreten kann. Das Urteil hätte zwar, wie das FA G zu Recht meint, gegen das FA A ergehen müssen. Auf die Aktivlegitimation des FA A als Revisionskläger hat dieser Mangel jedoch keinen Einfluß, da - wie auch der I. Senat in seinem Urteil I R 5/69 betont - bei einem Wechsel in der Aufgabenzuordnung (Auflösung des FA, Veränderung von Sachzuständigkeiten oder Bezirksgrenzen) das neu zuständige FA mit einer das bisher zuständige FA von seiner Beteiligtenstellung ausschließenden Wirkung in das Verfahren eintritt.
Bezüglich der von vorstehenden Grundsätzen abweichenden Entscheidung vom 16. Februar 1968 III B 7/67 (BFHE 92, 28, BStBl II 1968, 443) hat der III. Senat des BFH auf Anfrage erklärt, daß er der vorliegenden Entscheidung zustimme. Außerdem hält es der Senat - obwohl hier nicht entscheidungserheblich - für angebracht, darauf hinzuweisen, daß aus den dargelegten Gründen an der Entscheidung vom 18. März 1971 V R 101/67 (BFHE 102, 23, BStBl II 1971, 518), die einen Fall des Zuständigkeitswechsels während des Revisionsverfahrens behandelt, nicht mehr festgehalten wird (vgl. auch Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 57 Anm. 1 E).
2. Die revisionsgerichtliche Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils, die wegen der Statthaftigkeit der Revision des FA A vorzunehmen ist, ergibt, daß die Klage unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils abzuweisen ist (wird ausgeführt).
Fundstellen
Haufe-Index 72713 |
BStBl II 1978, 310 |
BFHE 1978, 299 |