Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung einer Ansparrücklage
Leitsatz (NV)
Besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auflösung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG und der Veräußerung des Betriebs, so ist der Ertrag aus der Auflösung nicht dem laufenden Gewinn des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres, sondern dem begünstigten Veräußerungsgewinn zuzurechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 7g Abs. 3-4, 6, § 16; EStDV § 8b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein Reisebüro und ermittelte ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG); Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr. In der Einnahme-Überschussrechnung zum 31. Dezember 1998 hatte sie gemäß § 7g Abs. 3 und 6 EStG eine sog. Ansparrücklage in Höhe von 25 000 DM gebildet. Entsprechende Anschaffungen erfolgten nicht. Das Einzelunternehmen wurde mit Wirkung zum 30. September 2000 zu einem Verkaufspreis von 40 000 DM veräußert.
Für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin zunächst einen Veräußerungsgewinn von 36 754 DM sowie einen laufenden Gewinn von 76 597 DM, in dem u.a. als Betriebseinnahmen "Erträge Auflösung Sopo Ansparabschreibung" in Höhe von 28 000 DM (= 25 000 DM Auflösung der Ansparrücklage und 3 000 DM Zuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG für zwei Jahre) enthalten waren. Den ohne Begründung eingelegten Einspruch wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Minderung des laufenden Gewinns um 25 000 DM. Eine gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage habe erst zum 31. Dezember 2000 erfolgen müssen, nicht schon zum 30. September 2000. Die Auflösung sei der Veräußerung und der Ertrag aus der Auflösung dem Veräußerungsgewinn zuzurechnen und nicht dem laufenden Gewinn. Nach Abzug des noch nicht in Anspruch genommenen Freibetrags gemäß § 16 Abs. 4 EStG verbleibe kein zu versteuernder Veräußerungsgewinn.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Rücklage in der nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zu erstellenden Schlussbilanz aufzulösen; die daraus sich ergebende (Buch-)Werterhöhung könne mithin nicht mehr in die Differenz fallen, die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG den Veräußerungsgewinn bilde.
Die Klägerin begründet ihre Revision im Wesentlichen mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12. Dezember 1996 IV B 2 -S 2138- 37/96 (BStBl I 1996, 1441), wonach der aus der Auflösung entstehende Gewinn zum Veräußerungsgewinn rechne, soweit die Rücklage im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe nicht nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG aufzulösen gewesen wäre. Nach der Auslegung des FG habe diese Regelung nur Bedeutung, wenn der Verkauf im ersten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahr erfolge; gerade bei einer so kurzen Laufzeit der Rücklage sei aber ein bloßer Mitnahmeeffekt zu vermuten, nicht dagegen in Situationen wie im Streitfall. Die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres sei ein unzulässiger Kunstgriff, um den noch nicht abgelaufenen Zwei-Jahres-Zeitraum zu verkürzen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Steuerbescheid für das Jahr 2000 vom 22. März 2002 abzuändern und die Einkommensteuer unter Verminderung des laufenden Gewinns um 25 000 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG entschieden, dass der Ertrag aus der Auflösung einer Ansparrücklage, der im Laufe des zweiten des auf die Bildung der Rücklage folgenden Jahres entsteht, auch dann zum laufenden Gewinn gehört, wenn Anlass der Auflösung die nachfolgende Betriebsveräußerung ist.
Die Rücklage ist zwar mit Ablauf des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres zum 30. September 2000 aufzulösen; die Bildung des (Rumpf-) Wirtschaftsjahres beruht aber auf der Veräußerung zum 30. September 2000. Die Auflösung der Rücklage ist somit wirtschaftlich betrachtet Folge der Veräußerung und nicht des Ablaufs des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres.
1. Nach § 16 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs. Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Wert des Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dies gilt auch für Steuerpflichtige, die bisher ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Hat der Steuerpflichtige eine den Gewinn mindernde Rücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG gebildet, so ist diese, wenn sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 Satz 2 EStG). Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ist die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln (§ 7g Abs. 6 EStG).
2. Die am 30. September 2000 noch vorhandene Rücklage war bei der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung aufzulösen. Der Ertrag aus der Auflösung ist nicht dem laufenden Gewinn des am 30. September 2000 endenden (Rumpf-)Wirtschaftsjahres, sondern dem begünstigten Veräußerungsgewinn zuzurechnen, weil die Rücklage ohne die Veräußerung erst zum 31. Dezember 2000 hätte aufgelöst werden müssen.
a) Die noch vorhandene Rücklage war gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG am 30. September 2000 aufzulösen; zu diesem Zeitpunkt lief das zweite auf die Bildung der Ansparrücklage folgende Wirtschaftsjahr ab.
Die Rücklage war zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 25 000 DM gebildet worden. Das erste auf die Bildung folgende Wirtschaftsjahr hatte zum 31. Dezember 1999 geendet. Das zweite auf die Bildung folgende Wirtschaftsjahr endete aufgrund des Verkaufs und der damit verbundenen Beendigung der entsprechenden betrieblichen Tätigkeit der Klägerin zum 30. September 2000. Dass das Wirtschaftsjahr 2000 nur neun Monate umfasste, steht seiner Berücksichtigung als Wirtschaftsjahr i.S. des § 7g EStG nicht entgegen. Gemäß § 8b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung darf u.a. im Falle einer Veräußerung "das Wirtschaftsjahr … einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen …". Das zum 30. September 2000 endende Rumpfwirtschaftsjahr ist ein vollgültiges Wirtschaftsjahr (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. August 1979 IV R 95/75, BFHE 128, 533, BStBl II 1980, 8).
b) Die zum 31. Dezember 1998 gebildete Rücklage hätte erst zum 31. Dezember 2000 aufgelöst werden müssen, wenn die Klägerin nicht ihr Einzelunternehmen zum 30. September 2000 verkauft hätte. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auflösung und der Veräußerung. Die Auflösung der Rücklage während des laufenden Kalenderjahres war ausschließlich durch die Veräußerung veranlasst, nicht aber aus Gründen des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG. Ohne die Veräußerung hätte die Klägerin die Rücklage noch weitere drei Monate fortführen und gegebenenfalls die Investition vornehmen können. Bei dieser Sachlage würde es dem Zweck der mit § 16 EStG verfolgten Begünstigung eines Veräußerungsgewinns nicht gerecht, den Auflösungsgewinn dem laufenden Gewinn zuzurechnen.
Einen Grundsatz des Inhalts, dass die zu Lasten des laufenden Gewinns gebildeten steuerfreien Rücklagen stets zu Gunsten des laufenden Gewinns wieder aufgelöst werden müssten, gibt es nicht (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1975 I R 201/73, BFHE 116, 532, BStBl II 1975, 848).
3. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO; die Einschränkung des Klagebegehrens vor dem FG war zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1332193 |
BFH/NV 2005, 845 |
HFR 2005, 746 |