Leitsatz (amtlich)
Kosten des Studiums an einer Ingenieur-Fachschule mit dem Ziel, die Stellung eines graduierten Ingenieurs zu erlangen, sind Ausbildungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist im Jahre 1968 als Chemielaborant bei der Fa. A tätig gewesen und hat Abendkurse der Chemieschule in B besucht, um Chemie-Ingenieur zu werden. Das FA lehnte beim Lohnsteuer-Jahresausgleich die Berücksichtigung der hiermit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrtkosten, Tagesspesen, Unterrichtsmittel als Werbungskosten mit der Begründung ab, es handle sich nicht um Aufwendungen für die berufliche Fortbildung, sondern für die Ausbildung zu einem anderen Berut, die nach § 12 Nr. 1 EStG zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung gehörten.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte u. a. aus: Das FA stelle für die hier vorzunehmende Abgrenzung zutreffend darauf ab, ob der Steuerpflichtige mit dem Besuch der Chemieschule einen Berufswechsel erstrebe und bejahe diese Frage ebenso zutreffend. Der Beruf eines Chemie-Ingenieurs sei, verglichen mit dem des Chemielaboranten, ein anderer Beruf. Das werde augenfällig bei einem Vergleich der diesbezüglichen Ausbildung. Der Beruf des Chemie-Laboranten sei ein im wesentlichen praktischer Beruf aufgrund einer dreijährigen mit einer Art Gesellenprüfung abschließenden Lehre. Die Qualifikation als Chemie-Ingenieur setze dagegen als zusätzliche Ausbildung ein mehrsemestriges Fachschulstudium voraus. Es liege auf der Hand, daß der Steuerpflichtige ohne diese umfassende Fachschulausbildung nicht Ingenieur werden könne und andererseits die mit ihr zu erlangenden Kenntnisse niemals als Chemielaborant, also in einer Art Gehilfenposition benötige und verwerten werde. Vielmehr erstrebe er mit ihnen und der amtlichen Qualifikation als graduierter Ingenieur eine wesentlich höhere, verantwortlichere und sicher auch erheblich besser honorierte Position im Produktionsprozeß der chemischen Industrie.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor:
Der BFH habe mehrfach betont, daß der Begriff der Fortbildungskosten nicht allzu eng gefaßt werden dürfe, weil es im öffentlichen Interesse liege, das Streben nach beruflicher Leistung durch Gewährung von Steuervorteilen zu honorieren. Gerade unter diesem Gesichtspunkt habe der BFH den Grundsatz entwickelt, daß Ausgaben eines Steuerpflichtigen zur Fortbildung im ausgeübten Beruf Werbungskosten auch dann seien, wenn der Steuerpflichtige dadurch gleichzeitig einen Berufswechsel vorbereite (vgl. BFH-Urteile VI 45/63 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 313, BStBl III 1963, 435; VI 175/65 vom 25. November 1966, BFH 87, 473, BStBl III 1967, 200; VI R 75/66 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 521, BStBl III 1967, 230, und IV R 119/66 vom 20. Februar 1969, BFH 95, 433, BStBl II 1969, 433). Er erwerbe Wissen, das auch dazu diene, die beruflichen Leistungen im jetzt ausgeübten Beruf des Chemielaboranten zu verbessern. Er sei in der Zwischenzeit aufgrund seiner Studien an der Chemieschule bereits als chemisch-technischer Assistent bei der C.-AG auch in einer höheren Tarifgruppe eingestellt. Bereits darin liege eine tarifliche Fortentwicklung, wobei ein grundsätzlicher Wechsel in der Berufsart nicht vorliege. Selbst der Übergang von der Tätigkeit eines Chemielaboranten zum graduierten Chemie-Ingenieur stelle eine berufliche Fortentwicklung, jedoch keinen grundsätzlichen Wechsel in der Berufs- oder Erwerbsart dar. Er bleibe in einem verwandten Beruf tätig, für den die Ausbildung als Chemielaborant den Weg geebnet hatte (so BFH-Entscheidung IV R 119/66 vom 20. Februar 1969, a. a. O.). Die Chemieschule sei auch keine allgemein bildende Schule, wie z. B. höhere Schulen, so daß die Aufwendungen aus diesem Grunde unter das Abzugsverbot fallen könnten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen ist nicht begründet.
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß nur Fortbildungskosten als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht kommen, daß aber Ausbildungskosten zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG gehören (z. B. Urteile VI R 262/66 vom 4. August 1967, BFH 90, 21, BStBl III 1967, 774, und IV R 119/66 vom 20. Februar 1969, a. a. O.). Hieran ist festzuhalten, zumal auch der Gesetzgeber durch Einführung eines begrenzten Sonderausgabenabzuges für Ausbildungsaufwendungen in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 an die Ergebnisse dieser Rechtsprechung angeknüpft hat.
Zu den Ausbildungskosten gehören auch solche Kosten, die ein im Berufsleben stehender Steuerpflichtiger macht, um seine Lebensstellung durch den Übergang in einen anderen Beruf, also durch einen Berufswechsel, zu verbessern (Urteil des Senats VI R 262/66, a. a. O.). Mit den Fragen, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen Ausbildungskosten mit dem Ziel eines Berufswechsels anzunehmen sind, hat sich der BFH ebenfalls wiederholt beschäftigt. Er hat dabei als Ausbildung z. B. die Teilnahme an solchen Veranstaltungen beurteilt, die lediglich der Erweiterung der Allgemeinbildung dienen (zuletzt Urteil VI R 63/69 vom 26. Mai 1971, BFH 103, 50, BStBl II 1971, 762). Außerdem hat er unter Änderung der zum Teil abweichenden früheren Rechtsprechung die Kosten eines Hochschulstudiums stets als nichtabzugsfähige Kosten der Berufsausbildung beurteilt (Urteile IV R 266/66 vom 16. März 1967, BFH 89, 511, BStBl III 1967, 723; VI R 88/66 vom 7. August 1967, BFH 90, 26, BStBl III 1967, 777; VI R 63/67 vom 7. August 1967, BFH 90, 34, BStBl III 1967, 779; VI R 297/66 vom 7. August 1967, BFH 90, 29, BStBl III 1967, 789). Auch hieran hält der Senat - und zwar gerade aus Gründen der Gleichbehandlung - fest.
Die Gründe, die Veranlassung gegeben haben, Aufwendungen für ein Hochschulstudium stets als Ausbildungsaufwendungen zu beurteilen, gelten auch für Aufwendungen zum Besuch einer Ingenieurschule, wenn der Absolvent nach abgelegtem Examen die Stellung eines graduierten Ingenieurs erlangt. Dem graduierten Ingenieur kommt im beruflichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben eine Stellung zu, die zwar nicht derjenigen des Absolventen einer Technischen Hochschule gleichgestellt werden kann, die sich aber in ähnlicher Weise wie bei diesem von anderen Berufstätigkeiten unterscheidet und eine herausgehobene berufliche Stellung vermittelt. Diese Überlegungen erfordern es, auch den Besuch von Ingenieurschulen stets als Ausbildung zu beurteilen. Von ähnlichen Überlegungen ist der Senat auch bereits bei seiner Entscheidung VI R 262/66 (a. a. O.) ausgegangen, indem er den Besuch einer Berufsaufbauschule, durch den ein berufstätiger Steuerpflichtiger die Voraussetzungen für den geplanten Besuch einer Ingenieurschule schaffen wollte, als Ausbildung beurteilt hat.
Gegenüber diesen Überlegungen vermag der Senat dem Vorbringen des Steuerpflichtigen, daß er sein durch die Studien an der Chemiefachschule erworbenes Wissen auch in seiner derzeitigen Tätigkeit als Chemielaborant verwerten könne, kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Es ist dem Steuerpflichtigen zuzugeben, daß bei einem Steuerpflichtigen, der bereits im Berufsleben steht, der Besuch einer Hochschule oder wie im Streitfall einer Fachschule, die zur Stellung eines graduierten Ingenieurs führt, in aller Regel auch der ausgeübten Berufstätigkeit förderlich sein wird. Dieser Gesichtspunkt muß indessen dann zurücktreten, wenn mit dem Hochschulstudium oder dem Fachschulbesuch zugleich ein so wesentlicher Schritt angestrebt wird, wie ihn der Übergang zur Stellung eines Akademikers oder des graduierten Ingenieurs nun einmal tatsächlich darstellt. Hier kann dann nicht mehr von einer Fortentwicklung in dem ausgeübten Beruf gesprochen werden; vielmehr stellt die Bildungsmaßnahme ihrem wesentlichen Inhalt nach Ausbildung zu einem anderen, vom bisherigen unterschiedenen Beruf dar. Die vom Steuerpflichtigen angeführten Urteile VI 45/63 U, VI R 75/66 und IV R 119/66 (a. a. O.) betrafen kein Hochschul- oder Fachschulstudium; der Steuerpflichtige kann sich deshalb in diesem Zusammenhang nicht auf sie berufen. Das Urteil VI 175/65 (a. a. O.) betraf, wie der Senat bereits zu der Entscheidung IV R 266/66 vom 16. März 1967 (a. a. O.) mitgeteilt hat, einen Sonderfall, der nicht verallgemeinert werden darf; in den Urteilen VI R 88/66, VI R 63/67 und VI R 297/66 (a. a. O.) ist der Senat von dieser Rechtsprechung ganz abgegangen.
Fundstellen
Haufe-Index 413082 |
BStBl II 1972, 254 |
BFHE 1972, 223 |