Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitunternehmerinitiative des Beschenkten bei Schenkung einer Gesellschaftsbeteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt i.V. mit Stimmrechtsvollmacht
Leitsatz (NV)
Bei freigebiger Zuwendung einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erlangt der Beschenkte keine Mitunternehmerinitiative, wenn sich der Schenker einen lebenslänglichen Nießbrauch des Inhalts vorbehält, dass er als Nießbraucher die Gesellschafterrechte des Beschenkten wahrnimmt, und dazu "vorsorglich" mit einer Stimmrechtsvollmacht ausgestattet wird.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 13a; EStG § 15 Abs. 3; BGB § 168 S. 2, § 662
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Zur Regelung ihrer Vermögensnachfolge gründeten der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau zunächst eine Grundstücks-Verwaltungs GmbH (GmbH) und zusammen mit dieser als Komplementärin durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. Dezember 2001 (UR-Nr. 1154/2001) eine GmbH & Co. KG (KG), an deren Gesellschaftsvermögen die Eheleute je zur Hälfte und die GmbH nicht beteiligt sein sollten. Das Gesellschaftskapital sollte 20 000 € betragen und von den Eheleuten durch Einbringung eines ihnen bis dahin zu hälftigem Miteigentum gehörenden bebauten Grundstücks sowie der damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten in Höhe von 511 292 € aufgebracht werden. Soweit der Wert des Grundstücks "die Kommanditeinlage" überstieg, war die Differenz hälftig auf variablen Kapitalkonten auszuweisen. Die festen Kapitalkonten sollten das Maß der Gesellschaftsrechte bestimmen. Die KG wurde am 16. April 2002 ins Handelsregister eingetragen.
Mit weiterem notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tag (UR-Nr. 1156/2001) vereinbarten die Eheleute, ihr festes Kapitalkonto von je 10 000 € in jeweils drei Anteile aufzuspalten, und zwar in einen Anteil von 1 000 € und zwei Anteile von 4 500 €. Sodann übertrugen sie --mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eintragung der KG ins Handelsregister-- die Anteile zu 4 500 € jeweils unentgeltlich auf den Sohn und die Tochter. Dazu hieß es, die Schenkungen würden durch Umbuchung des "vorbezeichneten festen Kapitals" auf Konten der Kinder vollzogen. Es bestehe Einigkeit darüber, "dass die variablen Kapitalkonten der Schenker von der obigen Übertragung unberührt bleiben". In Abänderung des Gesellschaftsvertrages der KG erkannten die Kinder an, nur ein Stimmrecht von je 5 v.H. zu haben. Außerdem billigten sie den Eheleuten das "unbegrenzte Recht zu, Entnahmen zu tätigen, auch wenn hierdurch ein negatives Kapitalkonto beim Schenker und negatives Kapital der Gesellschaft" entstehe oder sich vergrößere.
Die Eheleute behielten sich jeweils einen lebenslänglichen Nießbrauch vor und verpflichteten sich gesamtschuldnerisch, die außerordentlichen Grundstückslasten einschließlich der eingebrachten Verbindlichkeiten zu tragen. Die Nießbraucher sollten die Gesellschaftsrechte in der KG wahrnehmen; die Kinder erteilten ihnen "vorsorglich Stimmrechtsvollmacht". Nach Regelung einiger auflösender Bedingungen bezüglich der Schenkungsabreden übernahmen die Eheleute schließlich die Schenkungsteuer.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte einen Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungsteuer auf den 28. Dezember 2001 für das von den Eheleuten in die KG eingebrachte Grundstück in Höhe von 1 552 282,15 € und setzte mit Bescheid vom 5. Dezember 2002 wegen der Schenkung des Klägers an den Sohn unter Berücksichtigung eines Vorerwerbs von 90 012 € eine Steuer von 11 772 € fest. Als Ausführungszeitpunkt der Schenkung war der Tag der Eintragung der KG ins Handelsregister, nämlich der 16. April 2002, angegeben. Der schenkweise Erwerb war mit 1/4 von 90 v.H. von (abgerundet 1 552 000 € ./. 511 292 €), nämlich mit 234 159 €, angesetzt.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger verlangt hatte, ihm die Steuervergünstigungen des § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. vor Inkrafttreten des Art. 13 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 3076) --ErbStG-- zu gewähren, blieben ohne Erfolg. Das FA stundete lediglich mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2003 die Steuer vollen Umfangs nach § 25 Abs. 1 ErbStG. Auch das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG könnten nicht gewährt werden, weil die Kinder keine Mitunternehmer geworden seien. Es fehle an der Mitunternehmerinitiative, weil die Gesellschafterrechte der Kinder von den Nießbrauchern wahrgenommen würden, und wegen des umfassenden Entnahmerechts der Nießbraucher auch an dem Mitunternehmerrisiko.
Im Klageverfahren hatte der Kläger ein auf Januar 2002 datiertes und von den Eltern sowie den Kindern unterschriebenes Schriftstück vorgelegt, in dem festgestellt wurde, es sei von Anfang an gewollt gewesen, auch die variablen Kapitalkonten in die Zuwendungen einzubeziehen. Dies solle mit dem Schriftstück klargestellt werden.
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sowie Abs. 2 und 4 Nr. 1 ErbStG. Die den Eltern erteilte Stimmrechtsvollmacht stehe einer Mitunternehmerinitiative der Kinder nicht entgegen. Durch die Vollmachten seien deren Stimmrechte nicht erloschen. Die Kinder könnten jederzeit persönlich an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen und ihr Stimmrecht ausüben. Die damit gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten seien von den Kindern auch genutzt worden. Dazu verweist der Kläger auf das oben erwähnte und vom 2. Januar 2002 datierende Schriftstück. Außerdem stehe --so der Kläger-- den Kindern das Widerrufsrecht gemäß § 164 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) zu. Auch die Vollmachten könnten gemäß § 168 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) jederzeit widerrufen werden; diese Möglichkeit habe schon zum Ausführungszeitpunkt der Schenkung bestanden. Im Übrigen ergebe sich aus dem "Vollmachtsverhältnis" die Verpflichtung des Bevollmächtigten, die Vollmacht ausschließlich im Interesse des Vollmachtgebers auszuüben. Die Kinder hätten auch ein Mitunternehmerrisiko getragen. Dem stehe das Entnahmerecht der Eltern nicht entgegen. Ein Verlust des Gesellschaftsvermögens hätte auch sie betroffen. Sollten die Kinder nicht Mitunternehmer geworden sein, stelle sich die Frage, ob dies überhaupt rechtserheblich sei. Entscheidend sei doch lediglich, dass das übertragene Vermögen Betriebsvermögen sei. Dieses Erfordernis sei unabhängig von einer Mitunternehmerstellung der Kinder erfüllt. Schließlich rügt der Kläger das Übergehen eines Beweisantrags.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Schenkungsteuerbescheid vom 5. Dezember 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2003 dahin zu ändern, dass die Steuervergünstigungen gemäß § 13a ErbStG gewährt und die Steuer dadurch auf 0 € herabgesetzt werden.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu einer Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 8 591 €, da die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbare Steuer auf die Vorerwerbe fehlerhaft berechnet worden ist. Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind dagegen zu Recht verweigert worden, da die Kinder nicht Mitunternehmer geworden sind. Es fehlt zumindest an der erforderlichen Mitunternehmerinitiative.
1. Die KG ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft. Zugewendet sind Teile von den Kommanditbeteiligungen der Eltern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- II R 79/94 vom 14. Dezember 1995, BFHE 179, 166, BStBl II 1996, 546). Deren vom FA mit Hilfe des Grundbesitzwerts ermittelten Werte sind nicht zu beanstanden.
a) Durch die schenkweise Übertragung von Teilen der elterlichen Kommanditbeteiligungen sind die Kinder Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens geworden. Die Schenkungen sollten nach dem Vertragswortlaut nur die festen Kapitalkonten der Eltern erfassen. Sie waren durch Umbuchung von den Kapitalkonten der Eltern auf entsprechende Kapitalkonten der Kinder zu vollziehen. Allerdings haben die Eltern die Umbuchungen entgegen dem Wortlaut des Schenkungsvertrages nicht auf die festen Kapitalkonten beschränkt, sondern im selben Verhältnis ihre variablen Kapitalkonten einbezogen. Dies ist schenkungsteuerrechtlich beachtlich. Maßgeblich ist nämlich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht die vereinbarte, sondern die tatsächlich vorgenommene Bereicherung der Kinder auf Kosten der Eltern. Dazu bedurfte es des im Klageverfahren vorgelegten und auf Januar 2002 datierenden Schriftstücks nicht.
b) Da die Umbuchungen zeitnah zu der Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft erfolgten, spiegeln die Gesellschafterkonten nach Vollzug der Umbuchungen auch das Verhältnis wider, in dem die Eltern und die Kinder am Gesellschaftsvermögen bestehend aus dem eingebrachten Grundstück als Aktivposten und den damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten als Passivposten beteiligt waren. Da somit das Verhältnis, in dem sich dieses Vermögen auf die nunmehr vier Kommanditisten verteilte, fest lag --nämlich im Verhältnis 5:5:45:45--, kann auf sich beruhen, mit welchem Wert die Eltern das Grundstück tatsächlich in die Gesellschaft eingebracht haben und ob dieser "Einbringungswert" dem gemeinen Wert entsprach oder nicht. Es ist auch zutreffend, dass das FA bei der Ermittlung des Gesellschaftsvermögens die von den Eltern in die KG eingebrachten Verbindlichkeiten als Passivposten berücksichtigt hat, obwohl die Eltern sich gegenüber den Kindern im Rahmen der Nießbrauchsbestellung verpflichtet hatten, die eingebrachten Verbindlichkeiten zu tragen. Diese Abrede betraf nicht das Gesellschaftsverhältnis, welches für die Bestimmung des Werts der Beteiligungen an der KG maßgeblich ist.
2. Das FG hat auch zutreffend erkannt, dass der Kläger durch die Verweigerung der Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG in seinen Rechten nicht verletzt wurde.
a) Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen die Vergünstigungen in Betracht für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einem Gesellschaftsanteil i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder eines Anteils daran. Im Streitfall war Erwerbsgegenstand nicht jeweils ein Anteil an einem Gesellschaftsanteil im Sinne der genannten Vorschriften des EStG, sondern ein Teil von einem Gesellschaftsanteil. Dies unterscheidet den Sachverhalt von demjenigen, der dem Urteil des FG Münster vom 10. November 2005 3 K 5635/03 Erb (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 422), auf das sich der Kläger beruft, zugrunde lag. Damals ging es um eine typisch stille Unterbeteiligung, die die Frage aufwarf, ob überhaupt etwas zugewendet worden ist. Das Urteil wurde nur im Ergebnis bestätigt, weil es an einer Zuwendung fehlte (BFH-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 10/06, BFHE 220, 513, BStBl II 2008, 631). Geht es um die Abspaltung von einem Gesellschaftsanteil, die mit der Aufnahme eines weiteren Gesellschafters in die Gesellschaft verbunden ist (vgl. dazu R 51 Abs. 3 Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien --ErbStR-- 2003), muss der Empfänger dieses abgespaltenen Teils seinerseits Mitunternehmer werden, um die Vergünstigungen des § 13a ErbStG beanspruchen zu können.
b) Die in § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen greifen nur ein, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen Rechtsträger als auch beim neuen Rechtsträger (Erwerber) den Tatbestand des Abs. 4 Nr. 1 der Vorschrift erfüllt (so BFH-Urteil vom 14. Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443; vgl. auch Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13a Rz 24; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Rz 132; Seer in GmbH-Rundschau 1999, 64, 70; a.A. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 13a Rz 7, allerdings nur für die Seite des Erblassers/Schenkers; Kapp/ Ebeling, § 13a ErbStG Rz 7.1). Dies ergibt sich für die Erwerberseite nicht nur aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5 der Vorschrift, sondern auch aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Bevorzugung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C. I. 2. b bb) entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb "weiterführen", "aufrechterhalten" und "fortführen". Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG einen Erwerber im Blick hatte, bei dem das erworbene Vermögen Betriebsvermögen geblieben ist. Bei einem Erwerb eines Mitunternehmeranteils bzw. eines Teils davon verlangt die Fortführung, dass auch der Erwerber Mitunternehmer geworden ist. Dies hat seinen Niederschlag auch im Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gefunden. Danach gelten die Steuervergünstigungen nicht für inländisches Betriebsvermögen schlechthin, sondern nur für derartiges Vermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an Gesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG. Es reicht daher nicht, dass eine Gesellschaft wie im Streitfall gewerblich geprägte Personengesellschaft geblieben ist, wenn es am Erwerb eines Mitunternehmeranteils deshalb fehlt, weil der übertragene Gesellschaftsanteil ertragsteuerrechtlich als wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen ist.
c) Die verlangte Mitunternehmerstellung haben die Kinder im Streitfall nicht erlangt. Es fehlt bereits an der dafür erforderlichen Mitunternehmerinitiative, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob und in welchem Ausmaß sie ein Mitunternehmerrisiko tragen. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen (so BFH-Urteil vom 11. Juli 1989 VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92). Daran fehlt es im Streitfall.
aa) Es kann auf sich beruhen, ob und inwieweit ein Nießbrauch, mit dem der Anteil an einer Personengesellschaft belastet ist und dessen Ausgestaltung nicht von den inhaltlichen Vorgaben des BGB abweicht, dazu berechtigt, die Mitverwaltungsrechte und das Stimmrecht des Gesellschafters wahrzunehmen (vgl. dazu Ulmer in Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 4. Aufl. 2004, § 705 Rdnr. 99-102; Gummert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, 2004, § 16 Rdnr. 26; Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 3, 2007, Vor § 230 Rdnr. 21; W. Müller in Beck'sches Handbuch der Personengesellschaften, 2. Aufl. 2002, § 4 Rz 21); denn ein nach den Vorgaben des BGB ausgestalteter Nießbrauch lässt jedenfalls die Mitunternehmerinitiative des Nießbrauchsbestellers nicht entfallen (so BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall haben die Vertragspartner jedoch über die Vorgaben des BGB hinaus bestimmt, die Gesellschaftsrechte --gemeint sind die Gesellschafterrechte-- sollten von den Eltern als Nießbraucher wahrgenommen werden. Damit haben sich die Eltern deren Ausübung vorbehalten. Nur für den Fall, dass diese Abrede aus rechtlichen Gründen das angestrebte Ziel verfehlt, die Gesellschaftsrechte wie bisher, aber nunmehr als Nießbraucher weiter ausüben zu können, haben die Kinder den Eltern "vorsorglich" eine Stimmrechtsvollmacht erteilt (vgl. dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1824). Spätestens damit ist die Position der Kinder in der KG so geschwächt, dass von einer Mitunternehmerschaft nicht mehr gesprochen werden kann.
bb) Die Kinder haben sich der Ausübung ihrer Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte begeben und damit den Eltern auch die Möglichkeit eingeräumt, trotz des gesellschaftsvertraglich dafür vorgesehenen Erfordernisses der Einstimmigkeit den Gesellschaftsvertrag ggf. zum Nachteil der Kinder zu ändern. Das schließt eine Mitunternehmerinitiative der Kinder aus (vgl. auch Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz 751, 756). Daran vermag die Regelung des § 168 Satz 2 Halbsatz 1 BGB, wonach eine Vollmacht auch bei Fortbestehen des ihrer Erteilung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses widerruflich ist, nichts zu ändern. Die Regelung steht nämlich unter dem einschränkenden Halbsatz 2 der Vorschrift, wonach die Widerruflichkeit entfällt, wenn sich aus dem ihrer Erteilung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis etwas anderes ergibt. Vorliegend ergibt sich etwas anderes. Das der Vollmachtserteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis erschließt sich nämlich im Streitfall aus der ihrer Erteilung vorangestellten Abrede, wonach die Gesellschaftsrechte von den Nießbrauchern wahrgenommen werden. Denn wegen der Bedenken, ob eine derartig weitgehende Abrede zulässig ist, wurde "vorsorglich" eine Stimmrechtsvollmacht erteilt. Die Abrede über die Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte sieht aber keine Widerrufsrechte vor. Solche Widerrufsrechte lassen sich auch nicht aus dem Auftragsrecht herleiten. Die Eltern sahen sich hinsichtlich der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte der Kinder nicht als deren Beauftragte (§ 662 BGB). Sie wollten diese Gesellschaftsrechte --für die Kinder erkennbar-- mittels der Stellung als Vorbehaltsnießbraucher in Kontinuität (weiter) ausüben. Damit ist auch die der Absicherung dienende Vollmacht unwiderruflich. Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob eine freie Widerruflichkeit der Vollmacht überhaupt erheblich oder deshalb unbeachtlich wäre, weil mit der Ausübung eines solchen Widerrufsrechts im Verhältnis zwischen Schenker und Beschenkten nicht zu rechnen wäre.
cc) Das während des Klageverfahrens vorgelegte und auf den Januar 2002 datierte Schriftstück, das auch von den Kindern unterzeichnet ist, beweist entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die Kinder bei Gesellschaftsbeschlüssen auch persönlich abgestimmt hätten. Das Schriftstück betrifft keine Gesellschaftsangelegenheit im Sinne der Stimmrechtsregelung in der KG, sondern den Vertrag UR-Nr. 1156/2001, der neben der Zuwendung der Gesellschaftsbeteiligungen die Stimmrechtsregelung im Rahmen der Nießbrauchsbestellung überhaupt erst begründet. Eine schriftliche Erklärung aber, die eine einvernehmliche Interpretation dieses Vertrages durch die Vertragsparteien darstellen soll, muss durch die Vertragsparteien persönlich abgegeben werden.
3. Die Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen und dadurch die Sache mangelhaft aufgeklärt, greift nicht durch. Unabhängig davon, ob sich der Beweisantrag aus dem vorbereitenden Schriftsatz an das FG vom 24. September 2003 überhaupt auf entscheidungserhebliche Tatsachen bezog, hat der Kläger ein etwaiges Rügerecht bereits gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verloren (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27. April 2006 ist weder der Antrag wiederholt noch die Nichterhebung der angebotenen Beweise gerügt worden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Juli 2002 X B 40/02, BFH/NV 2003, 56, sowie vom 15. Januar 2004 XI B 203/02, BFH/NV 2004, 657).
Zweifel an der Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen ergeben sich aus Folgendem: Selbst wenn den Kindern trotz der Stimmrechtsregelung das Recht verblieben wäre, an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen --auch dies wäre ein Mitverwaltungsrecht (Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 558)--, wäre aus denselben Gründen, die gemäß den vorstehenden Ausführungen zu II. 2. c gegen eine Widerruflichkeit der Stimmrechtsvollmachten sprechen, auch eine persönliche Stimmrechtsausübung durch die Kinder ausgeschlossen, sofern die Eltern sie nicht im Einzelfall gestatten.
4. Der angefochtene Bescheid ist allerdings insoweit fehlerhaft, als die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anrechenbare Steuer auf die Vorerwerbe nicht wie vom Gesetz vorgesehen auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs berechnet, sondern stattdessen in Höhe der niedrigeren tatsächlichen Steuer berücksichtigt worden ist. Der Steuersatz für die Vorerwerbe hat sich durch § 19 Abs. 1 ErbStG von 4 v.H. auf 11 v.H. erhöht. Die fehlerhafte Berechnung der anrechenbaren Steuer auf die Vorerwerbe führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
5. Die Sache ist spruchreif. Die anrechenbare Steuer auf die Vorerwerbe beträgt nicht 1 758 €, sondern berechnet sich wie folgt:
Vorerwerbe |
176 050 DM |
|
./. Freibetrag |
90 000 DM |
|
|
86 050 DM |
= 43 996 € |
11 v.H. von |
43 900 € |
= 4 829 € |
Demgemäß berechnet sich die festzusetzende und gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vollen Umfangs zu stundende Steuer wie folgt:
Letzterwerb |
234 159 € |
|
Vorerwerbe + |
90 012 € |
|
Freibetrag ./. |
205 000 € |
|
steuerpfl. Erwerb |
119 100 € |
|
Steuer (StKl I, 11 %) |
|
13 101 € |
anzurechnende Steuer |
|
./. 4 829 € |
festzusetzende Steuer |
|
8 272 € |
|
|
|
bei sofortiger Ablösung zu zahlende Steuer (Steuer x 0,402 ./. 61 J.m.) |
|
3 325 € |
Letzterwerb |
|
234 159 € |
Vorerwerbe |
|
+ 90 012 € |
Steuer Freibetrag steuerpfl. Erwerb (abger.) Steuer (StKl I, 11 %) anrechenbare Steuer festzusetzende Steuer zu stundende Steuer |
|
+ 3 325 € 327 496 € ./. 205 000 € 122 000 € 13 420 € ./. 4 829 € 8 591 € 8 591 € |
Fundstellen
Haufe-Index 2142147 |
BFH/NV 2009, 774 |
HFR 2009, 682 |