Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof prüft die Auslegung von Verträgen auch unter dem Gesichtspunkt, ob das Finanzgericht die für die Auslegung bedeutsamen, außerhalb des Vertragstextes liegenden Umstände erforscht und berücksichtigt hat.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 118
Verfahrensgang
Gründe
Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Klägerin ihrer ausländischen Gesellschafterin (X) durch die Zahlung der Vergütung für das von den Eheleuten K eingegangene Wettbewerbsverbot keinen Vorteil zugewendet hat, welcher als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 44, § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG), mithin, daß die Klägerin mit dieser Zahlung keine Verpflichtung ihrer Gesellschafterin X, sondern eine ihr selbst obliegende Verpflichtung erfüllt hat. Um eine ihr obliegende Verbindlichkeit handelte es sich, weil die Klägerin Inhaberin der Rechte aus der Wettbewerbsvereinbarung geworden ist. Das FG hat festgestellt, daß diese Rechte der Klägerin und nicht der X zustanden. Diese Feststellung ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Daher ist kein Raum für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung an die X und für eine sich hieraus ergebende Haftung der Klägerin für die streitige Kapitalertragsteuer.
Im Mittelpunkt der vom FG vorzunehmenden Tatsachenwürdigung standen die beiden Verträge von 1972 und von 1973, welche die Eheleute K zuerst mit der X und dann mit der Klägerin geschlossen haben. Das FG hat den ersten Vertrag als Rahmenvereinbarung gewertet und demgemäß den zweiten Vertrag als eine nur noch ergänzende Festlegung angesehen. Diese Würdigung war möglich. Sie läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Der Senat geht dabei davon aus, daß die Würdigung der Verträge durch das FG revisionsrechtlich daraufhin zu prüfen ist, ob das FG die Willenserklärungen der Beteiligten richtig ausgelegt, ob es vor allem die gesetzlichen Auslegungsregeln (§ 133, § 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Denn die Auslegung eines Vertrages ist, wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, Rechtsanwendung (vgl. Urteile vom 16. November 1967 V 118/65, BFHE 91, 336, BStBl II 1968, 348; vom 5. Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717; vom 30. November 1977 I R 27/75, BFHE 124, 56, BStBl II 1978, 149; vom 1. Juni 1979 III R 53/78, BFHE 128, 299, BStBl II 1979, 636; vom 4. Dezember 1979 VII R 29/77, BFHE 130, 226, BStBl II 1980, 488). So hat das Revisionsgericht auch zu prüfen, ob das FG die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 130, 226, BStBl II 1980, 488), besonders die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE l28, 544, BStBl II 1980, 11). Denn nach der angeführten Rechtsprechung müssen bei der Vertragsauslegung auch außerhalb der Verträge liegende Umstände beachtet werden. Das Revisionsgericht nimmt eine Auslegung selbst vor, wenn die Tatsacheninstanz sie unterlassen, aber die dazu notwendigen Feststellungen getroffen hat (BGH-Urteil vom 25. September 1975 VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, HFR, 1976, 182). Für die steuerrechtliche Beurteilung von Verträgen ist an das Ergebnis der Auslegung anzuknüpfen, bei welcher nicht nur das formell Vereinbarte, sondern auch und vor allem das von den Vertragsbeteiligten wirklich Gewollte und tatsächlich Durchgeführte berücksichtigt ist (vgl. § 5 Abs. 1 und 3 StAnpG = § 41 AO 1977). Unter allen diesen Gesichtspunkten bietet die Vorentscheidung keinen Anlaß zur Beanstandung.
Das FA verkennt, daß die Vertragsbeteiligten nach den Feststellungen des FG tatsächlich ihre Beziehungen hinsichtlich des Wettbewerbsverbots eindeutig in dem Sinne geregelt und gestaltet haben, daß im Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung für das Wettbewerbsverbot (31. Januar 1973) die Klägerin als Berechtigte aus dieser Vereinbarung feststand.
Fundstellen
Haufe-Index 413563 |
BStBl II 1981, 475 |
BFHE 1981, 3 |