Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft beim echten Factoring
Leitsatz (NV)
Ein Factoring-Unternehmen, das keine steuerbaren Leistungen an die ursprünglichen Forderungsinhaber erbringt (echtes Factoring), ist nicht Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 und damit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1988, 594; UR 1989, 342) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der X KG (im folgenden KG), die in den Streitjahren 1979 bis 1981 das Factoring-Geschäft betrieb. Daneben tätigte die KG in den Jahren 1979 und 1980 Umsätze aus Vermietung und veräußerte Gegenstände des Anlagevermögens. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre beurteilte die KG ihre Factoring-Tätigkeit als gemäß § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1980 steuerfrei. Als abziehbare Vorsteuerbeträge machte sie für das Jahr 1981 keine, für die Jahre 1979 und 1980 nur die mit der Vermietung und der Anlageveräußerung zusammenhängenden Beträge geltend.
Im Jahre 1982 beantragte die KG Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre. Sie vertrat nunmehr die Auffassung, das Factoring sei zwar nicht steuerbar, die mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge könnten aber abgezogen werden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die beantragte Änderung ab, weil die KG echtes Factoring betrieben habe und damit nicht unternehmerisch tätig gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 695).
Mit der Revision hält die Klägerin an der Rechtsauffassung fest, daß die KG trotz Fehlens steuerbarer Leistungen (echtes Factoring) unternehmerisch tätig gewesen sei. Da der Unternehmerbegriff des Umsatzsteuerrechts weiter gehe als der des Ertragsteuerrechts, müßten Gewerbetreibende umsatzsteuerrechtlich immer als Unternehmer angesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zunächst - in Abschn. 1 und 2 seines Urteils - offengelassen, ob die Factoring-Tätigkeit der KG steuerbar oder nichtsteuerbar war. Nach dem Senatsurteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76 (BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200) erbringt nur der das unechte Factoring betreibende Unternehmen (Factor) Leistungen an den ursprünglichen Forderungsinhaber, den sog. Anschlußkunden. Die mit dem echten Factoring verbundenen Tätigkeiten führt der Factor als neuer Gläubiger für sich selbst im eigenen Interesse aus; sie sind nicht steuerbar. Das echte Factoring unterscheidet sich vom unechten dadurch, daß der Factor auch das Risiko des Forderungsausfalls übernimmt.
Das FG hat nicht ausdrücklich entschieden, ob es im Streitfall echtes oder unechtes Factoring annimmt, wenngleich es in seinen Ausführungen in Abschn. 5 des Urteils vom Vorliegen eines echten Factoring ausgeht. Dabei vertritt das FG die vom Senatsurteil in BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200 abweichende Auffassung, auch beim echten Factoring erbringe der Factor ein Bündel von teils steuerpflichtigen, teils steuerfreien Leistungen an den Anschlußkunden.
2. Im Streitfall ist nicht entscheidungserheblich, ob echtes oder unechtes Factoring vorliegt und ob im Fall der Bejahung eines echten Factoring der Factor steuerbare Leistungen an den Anschlußkunden erbringt. Denn nach jeder hierzu vertretenen Rechtsansicht ist - wie das FG in Abschn. 1 und 2 seines Urteils ausgeführt hat - das Begehren der Klägerin auf Herabsetzung der Steuern ungerechtfertigt.
a) Sofern die Geschäfte der KG als unechtes Factoring zu qualifizieren wären oder sofern - wie das FG in Abschn. 5 seines Urteils meint - auch im echten Factoring (steuerbare) Leistungen an die Anschlußkunden erbracht würden, waren diese Leistungen der KG zum Teil steuerpflichtig, zum Teil gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1967/1980 steuerfrei. Soweit die Vorsteuerbeträge nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1980 (wegen Verwendung der Bezüge für steuerfreie Leistungen) vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, sondern den steuerpflichtigen Umsätzen zuzurechnen waren, übersteigt nach der Feststellung des FG die auf diese Umsätze entfallende und bei der Festsetzung noch nicht berücksichtigte Umsatzsteuer die abziehbaren Vorsteuerbeträge. Eine Herabsetzung der bisher festgesetzten Umsatzsteuer wäre demnach nicht möglich.
b) Sofern die KG keine (steuerbaren) Leistungen an die Anschlußkunden erbracht hat, wie es nach dem Senatsurteil in BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200 beim Vorliegen des echten Factoring der Fall ist, sind die Vorsteuerbeträge, die dem (echten) Factoring-Geschäft wirtschaftlich zuzurechnen sind, insgesamt nicht abziehbar. Zwar ist die KG - zumindest in den Jahren 1979 und 1980 - Unternehmerin infolge ihrer Vermietungstätigkeit gewesen. Das Factoring ist jedoch ihrem nichtunternehmerichen Bereich zuzuordnen, so daß die dem Factoring zuzurechnenden Leistungen nicht für ihr Unternehmen bezogen worden sind.
Ein Unternehmen kann neben seinem unternehmerischen auch einen nichtunternehmerischen Bereich haben (Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176). Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die unternehmerische Betätigung i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 voraus, daß Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbracht werden (Urteile vom 19. Mai 1988 V R 115/83, BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916, und vom 28. September 1988 X R 6/82, BFHE 155, 204, BStBl II 1989, 122; zum UStG 1951 vgl. Urteil vom 1. Februar 1973 V R 2/70, BFHE 107, 494, BStBl 1973, 172). Wer keine entgeltlichen und damit steuerbaren Leistungen ausführt, ist nicht unternehmerisch i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1973/1980 tätig. Entsprechendes gilt, wenn ein Unternehmer in einem abgegrenzten Tätigkeitsbereich keine oder ausschließlich nichtsteuerbare Leistungen ausführt. In diesem Bereich ist er nicht unternehmerisch tätig; die diesem Bereich zuzurechnenden Leistungsbezüge sind nicht für sein Unternehmen bezogen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist derjenige, der nach ertragsteuerlichen Grundsätzen Inhaber eines Gewerbebetriebs ist, nicht allein deshalb Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Die Unternehmereigenschaft richtet sich allein nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG 1973/1980. Die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 spricht - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht gegen diese Ansicht. Denn auch Betriebe gewerblicher Art der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur beim Vorliegen entgeltlicher Leistungstätigkeit umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer zu beurteilen.
Fundstellen