Entscheidungsstichwort (Thema)
Deponiegebühren als durchlaufende Posten
Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der Abfälle einzelner Kunden in Containern bei Mülldeponien eines Landkreises anliefert und gemäß dessen Abfallsatzung als Gebührenschuldner der Deponiegebühren herangezogen wird, kann diese Deponiegebühren als durchlaufende Posten behandeln. Voraussetzung ist, daß dem Betreiber der Deponie der jeweilige Auftraggeber (als deponierungsberechtigter Abfallerzeuger) bekannt ist, z.B. aufgrund eines vom Anlieferer abgegebenen Ursprungszeugnisses/Deponieauftrags.
Normenkette
UStG 1991 § 10 Abs. 1 Sätze 2, 4; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ―eine KG― betrieb in den Streitjahren 1991 und 1992 neben dem Großhandel mit Baustoffen einen Containerdienst. Sie stellte gewerblichen und privaten Kunden gegen Entgelt Container für Abfälle zur Verfügung. Die von den Kunden gefüllten Container beförderte die Klägerin zur Kreismülldeponie L und entleerte sie.
Deponiegebühren, die die Klägerin bei Anlieferung an der Deponie entrichtete, berechnete sie wie folgt an ihre Kunden weiter: Bei Unternehmern unterwarf sie die Deponiegebühren als Teil des Entgelts der Umsatzsteuer. Bei Privatkunden bezog sie die Deponiegebühren nicht in das Entgelt ein, sondern behandelte sie als durchlaufende Posten. Die Klägerin erhielt die Aufträge regelmäßig telefonisch. Dabei teilte sie auf Anfrage den Mietpreis für den Container zuzüglich Umsatzsteuer mit und wies darauf hin, daß auch die von ihr verauslagte Deponiegebühr zu erstatten sei.
Die in den Streitjahren geltende Abfallsatzung des Kreises bestimmte das Einsammeln der Abfälle als Aufgabe der Gemeinden (Nr. 2.1) und die Beseitigung der angefallenen Abfälle als Aufgabe des Kreises (Nr. 8). Unter Nr. 9 war Anschluß- und Benutzungszwang vorgesehen.
Als Gegenleistung für das Behandeln, Lagern und Ablagern der angelieferten Abfälle in den Abfallanlagen sah die Satzung kostendeckende Benutzungsgebühren (Nr. 17) vor. Gebührenpflichtig war nach Nr. 17.2 der Anlieferer. Daneben haftete "der seitherige Eigentümer der Abfälle oder der Auftraggeber des Anlieferers als Gesamtschuldner".
Nach einer Außenprüfung bezog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) in den geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 und 1992 auch die von der Klägerin als durchlaufende Posten behandelten Gebühren in die Entgelte für die steuerpflichtigen Leistungen ein. Die Bemessungsgrundlage wurde unter Herausrechnung der Umsatzsteuer ermittelt.
Die mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Deponiegebühren kein Entgelt für Leistungen der Klägerin an ihre Kunden, sondern nur von der Klägerin weitergeleitetes Entgelt für die Deponierungsleistung der Deponie an die Kunden als Leistungsempfänger seien (§ 10 Abs. 1 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes ―UStG 1991―).
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991. Es geht davon aus, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 1967 V 54/64 (BFHE 88, 306, BStBl III 1967, 377) zur Abgrenzung von Entgelt und durchlaufendem Posten auf den Satzungsinhalt abzustellen sei. Gehe die Gebührenschuld zu Lasten des Anlieferers oder seien Abfallerzeuger und Anlieferer Gesamtschuldner der Gebühren, könne von durchlaufenden Posten nicht gesprochen werden (Hinweis auf FG Münster, Urteil vom 16. Januar 1985 V - I 3615/80 U, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1986, 265, und Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlaß vom 30. Juni 1986 S 7200 - 101 - V C 4, UR 1986, 303). Das Interesse der Deponiebetreiber werde regelmäßig darauf gerichtet sein, mit dem Anlieferer in Rechtsbeziehung zu treten, um diesen für ggf. auftretende Schäden haftbar machen zu können. Die von den Anlieferern bei der Deponie abzugebenden "Müllbegleitpapiere", die den Abfallerzeuger benannten, begründeten keine von der Satzung abweichende Schuldnerschaft; sie dienten lediglich der Beurteilung der Gebührenhöhe (wenn kreisfremder Müll angeliefert werde). Entgegen der Auffassung des FG umfasse die Leistung der Klägerin insgesamt die Bereitstellung und den Transport der Container sowie die Entrichtung der Gebühren, der sich die Klägerin satzungsgemäß nicht entziehen könne. Der einheitliche Wirtschaftsvorgang könne nicht zerlegt werden. Zudem stehe der Annahme durchlaufender Posten das Handeln der Klägerin im eigenen Namen gegenüber dem Abfallverursacher entgegen. Die Klägerin habe nicht beide Geldbewegungen (Vereinnahmung und Verausgabung) im fremden Namen und für fremde Rechnung bewirkt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Deponiegebühren nicht in das Entgelt für die Abfalltransporte der Klägerin einzubeziehen sind.
1. Zum Entgelt gehört nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1991 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Leistung der Klägerin, für die ihre Kunden Entgelt aufwandten, bestand in dem Aufstellen des Containers und dem Transport zur Mülldeponie. Die Deponierungsleistung wurde nicht von der Klägerin, sondern vom Deponiebetreiber (Kreis) ausgeführt. Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin auch nicht Empfängerin dieser Leistungen des Deponiebetreibers. Damit scheidet eine Weitergabe ―als Leistungsbündel zusammen mit der eigenen Abfallbeseitigungsleistung― an die Kunden aus. Allein in diesem ―hier nicht vorliegenden― Fall wären die Deponiegebühren Bestandteil des Entgelts für die Leistung der Klägerin.
Das FG hat diese Beurteilung ohne Rechtsverstoß auf die Feststellungen gestützt, daß nur die Kunden (Grundstückseigentümer/ Abfallerzeuger) ein Deponierungsrecht hatten und daß bei Anlieferung des Abfalls durch die Klägerin dem Deponiebetreiber aufgrund des sog. Ursprungszeugnisses der jeweilige Abfallerzeuger (als Empfänger der Deponierungsleistung) bekannt war.
2. Aus § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991 ergibt sich keine andere Rechtsfolge. Nach dieser Vorschrift gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Die Vorschrift hat keine steuerbegründende Wirkung; sie setzt die Durchführung von Leistungsbeziehungen unter Einschaltung von sog. Mittelspersonen voraus und betrifft den Umfang der Bemessungsgrundlage der jeweiligen Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311). Das FG hat bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts zutreffend berücksichtigt, daß sich die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991 nach den festgestellten Leistungsbeziehungen richtet.
a) Die Klägerin hat ihren Kunden die Deponiegebühren als solche gekennzeichnet überwälzt, also als durchlaufende Posten vereinnahmt. Verausgabt hatte sie diese Beträge bei der Deponie allerdings als (durch die Satzung bestimmter) Gebührenschuldner. Demgemäß lauten die im finanzgerichtlichen Verfahren von der Klägerin vorgelegten Rechnungen des Kreises bzw. "Wiegescheine" auf den Namen der Klägerin und nicht auf den des jeweiligen Auftraggebers. Das FG konnte aber aus den Gesamtumständen ohne revisionsrechtlichen Fehler folgern, daß die Klägerin die Deponiegebühren bei Anlieferung der Abfälle im Namen ihrer Kunden ―der Abfallverursacher― entrichtete. Da nach der Abfallsatzung nur die Abfallerzeuger (nach Nr. 8.1 und 9.2 der Abfallsatzung: Eigentümer und Nutzungsberechtigter eines im Kreisgebiet liegenden Grundstücks mit den darauf anfallenden Abfällen) zur Benutzung der Deponie berechtigt waren, konnte das FG auch die durch die Gebührenordnung zur Abfallsatzung aufgestellte Gebührenpflicht der Anlieferer als technische Ausgestaltung der Gebührenerhebung beurteilen, zumal nach der Gebührenordnung die "Eigentümer der Abfälle oder der Auftraggeber des Anlieferers als Gesamtschuldner hafteten". Das Ergebnis wird insbesondere durch die Würdigung getragen, daß für den Deponiebetreiber aus dem sog. Ursprungszeugnis der jeweilige Auftraggeber ―und damit die Stellung des Anlieferers lediglich als Transporteur― ersichtlich war. Ob der Kunde unter den Anschluß- und Benutzungszwang nach der Satzung fiel, kann insoweit als Indiz für die Leistungsbeziehungen herangezogen werden, ist allein aber nicht ausschlaggebend.
b) Diese Auslegung des Merkmals der Verausgabung der Beträge durch den Unternehmer "im Namen eines anderen" gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991 entspricht der Vorgabe durch Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach der Bestimmung sind in die Besteuerungsgrundlage nicht einzubeziehen "die Beträge, die ein Steuerpflichtiger von seinem Abnehmer oder dem Empfänger seiner Dienstleistung als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchhaltung als durchlaufende Posten behandelt sind. Der Steuerpflichtige muß den tatsächlichen Betrag dieser Auslagen nachweisen und kann keinen Vorsteuerabzug für die Steuer vornehmen, die auf diese gegebenenfalls erhoben worden ist."
Die ―in § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991 nicht ausdrücklich aufgenommene― Voraussetzung aus Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, daß der Steuerpflichtige (also der Unternehmer) in seiner Buchführung die Beträge als durchlaufende Posten behandelt, räumt letztlich dem Unternehmer ein Wahlrecht ein, ob er die im Namen und für Rechnung seiner Leistungsempfänger verauslagten Beträge als Teil der Besteuerungsgrundlage erfaßt wissen will oder nicht. Daß die Klägerin die Gebührenzahlungsvorgänge in ihrer Buchführung als durchlaufende Posten berücksichtigt hat, ist im Streitfall nicht fraglich. Unter dieser Voraussetzung ist das Vorgehen der Klägerin nicht zu beanstanden, die Deponiegebühren bei ihren "Privatkunden" als durchlaufende Posten zu behandeln, bei ihren unternehmerisch tätigen (zum Vorsteuerabzug berechtigten) Kunden hingegen nicht.
3. Die rechtliche Einordnung des Vorgangs durch das FG geht nicht über die Ausnahmen vom Erfordernis des eindeutigen Auftretens im eigenen oder fremden (der Kunden) Namen hinaus, die bereits durch die Rechtsprechung zugelassen wurden. So ist z.B. anerkannt, daß Rechtsanwälte Kosten (Gebühren und Auslagen) für ihre Auftraggeber als durchlaufende Posten ―ohne ausdrückliche Benennung des Auftraggebers― auslegen, wenn diese Kosten nach verbindlichen Kosten(Gebühren)ordnungen berechnet werden, die den Auftraggeber als Kostenschuldner bestimmen (vgl. BFH, Beschluß vom 27. Februar 1989 V B 75/88, BFH/NV 1989, 744, m. Nachweisen). Zwar sind im Streitfall nicht die Kunden vorrangige Kostenschuldner (allerdings insoweit Gesamtschuldner), aber nur sie sind nach der Abfallsatzung Nutzungsberechtigte der Deponie.
Fundstellen
Haufe-Index 56597 |
BFH/NV 1999, 1048 |
BStBl II 2000, 100 |
BFHE 188, 156 |
BFHE 1999, 156 |
BB 1999, 887 |
DB 1999, 1247 |
DStR 1999, 757 |
DStRE 1999, 438 |
HFR 1999, 571 |
StE 1999, 245 |
UR 1999, 330 |