Entscheidungsstichwort (Thema)
Luftrettungsdienst und steuerbegünstigte Verwendung von Mineralöl
Leitsatz (NV)
Die steuerbegünstigte Verwendung von Mineralöl für Zwecke der Luftrettung setzte voraus, daß die Rettungsflüge durchführende Einrichtung nach dem für ihren Sitz maßgeblichen Landesrecht als Luftrettungsdienst anerkannt war.
Normenkette
MinöStG § 8 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b (i.d.F. des Art. 4 Nr. 1 Buchst. b SubvAbG); MinöStDV § 27b Abs. 1, 2 S. 1; RDG (Baden-Württemberg) § 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen mit Hubschraubern. Sie ist im Besitz einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung als Luftfahrtunternehmen und einer Allgemeinerlaubnis für den Einsatz von Hubschraubern. Diese Bewilligungen erfassen auch den Einsatz eines Rettungshubschraubers hinsichtlich der Durchführung von Sekundärtransporten, wozu u.a. der Transport bereits medizinisch erstversorgter Patienten aus einem Krankenhaus in ein für die Endbehandlung besser geeignetes Krankenhaus gehört. Ausdrücklich nicht abgedeckt von diesen Bewilligungen ist die Durchführung von Primärtransporten, d.h. der Transport von Notfallpatienten in das geeignete Krankenhaus unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden sowie schnelle Heranführung von Notarzt und Rettungssanitäter an den Notfallort zur Durchführung lebensrettender Maßnahmen und Herstellung der Transportfähigkeit des Notfallpatienten.
Eine vom Finanzgericht (FG) eingeholte amtliche Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg (Ministerium) hat ergeben, daß mit Ausnahme der Deutschen Rettungsflugwacht kein anderes Unternehmen in den organisierten Luftrettungsdienst des Landes Baden-Württemberg eingebunden ist.
Mit Vergütungsanmeldungen für die Monate März und April 1984 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA -) Vergütung der Mineralölsteuer für die beim Einsatz ihres Rettungshubschraubers verbrauchten Mengen Flugturbinentreibstoff in Höhe von insgesamt . . . DM. Das HZA lehnte die Vergütungen mit der Begründung ab, die Klägerin habe ausschließlich Sekundärtransporte (Ambulanz- und Verlegungsflüge) durchgeführt, die mineralölsteuerrechtlich nicht begünstigt seien.
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das HZA führte dabei zur Begründung ferner an, die Klägerin sei nicht im Besitz der erforderlichen Anerkennung als Einrichtung des Luftrettungsdienstes.
Das FG hob die Verwaltungsentscheidungen auf und verurteilte das HZA, der Klägerin die Mineralölsteuer zu vergüten. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat der Klägerin zu Unrecht Mineralölsteuervergütung zugesprochen. Es mag schon zweifelhaft sein, ob die von der Klägerin mit dem Hubschrauber durchgeführten Sekundärtransporte als ,,für Zwekke der Luftrettung" durchgeführt angesehen werden können, da sie nicht unmittelbar der Rettung von Leib und Leben in akuten Notfällen dienten (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 22.August 1989 VII R 9/87, BFHE 158, 132, BStBl II 1989, 936 - Rettungsdienst im Kraftfahrzeugsteuerrecht -). Auf jeden Fall ist die Klägerin aber kein ,,Luftrettungsdienst" im Sinne des Mineralölsteuerrechts.
1. Nach dem auf den Streitfall anwendbaren § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) i.d.F. des Art. 4 Nr.1 Buchst. b des Subventionsabbaugesetzes (SubvAbG) vom 26. Juni 1981 (BGBl I 1981, 537, 540) darf Mineralöl als Luftfahrtbetriebsstoff ,,in Luftfahrzeugen der Luftrettungsdienste für Zwecke der Luftrettung" unter Steueraufsicht unversteuert verwendet werden. Diese Steuerfreiheit wird nach § 27b Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) i.d.F. des Art. 2 Nr.2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Zollordnung und der MinöStDV vom 8. September 1981 (BGBl I 1981, 938) dadurch gewährt, daß den begünstigten Unternehmen und Einrichtungen die Mineralölsteuer für Luftfahrtbetriebsstoffe, die sie im Erhebungsgebiet versteuert bezogen und für steuerfreie Flüge verwendet haben, auf Antrag erstattet oder vergütet wird. Die Inanspruchnahme der Vergünstigung setzt nach § 27b Abs. 2 Satz 1 MinöStDV voraus, daß dem zuständigen HZA u.a. die verkehrsrechtlichen Genehmigungen und die Anerkennung als Einrichtung des Luftrettungsdienstes vorgelegt werden.
Mit den verkehrsrechtlichen Genehmigungen sind die nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) des Bundes erforderlichen luftverkehrsrechtlichen Genehmigungen gemeint, die im Auftrag des Bundes durch die Länder (in Baden-Württemberg durch das jeweils zuständige Regierungspräsidium) erteilt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1, 25 Abs. 1 und 31 Abs. 2 Nr.11 u. 13 LuftVG, BGBl I 1981, 61). Diese Genehmigungen hat die Klägerin im Streitfall vorgelegt, nicht hingegen die daneben vorgeschriebene Anerkennung als Einrichtung des Luftrettungsdienstes.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß im Streitfall eine ,,Anerkennung" nicht erforderlich sei und Luftrettungsdienst somit jedes Unternehmen sein könne, das in luftverkehrsrechtlich zulässiger Weise Rettungsflüge durchführt. Die separate Anführung der ,,Anerkennung" zeigt, daß ihr eine gegenüber den verkehrsrechtlichen Genehmigungen eigenständige und andersartige Qualität zukommen muß. Schlußfolgerungen aus den verkehrsrechtlichen Genehmigungen auf die Zugehörigkeit eines Unternehmens zum Luftrettungsdienst sind damit nicht vereinbar.
2. Die ,,Anerkennung" ist auch nicht mineralölsteuerrechtlicher Natur. Wäre dies der Fall, so wäre sie entweder dem HZA nicht vorzulegen, sondern von ihm zu erteilen, oder es müßten, falls eine andere Stelle der Bundesfinanzverwaltung hierfür zuständig wäre, mineralölsteuerrechtliche Vorschriften vorhanden sein, die Näheres regelten.
Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes (GG) steht es ausschließlich den Ländern zu, Vorschriften im Bereich des Rettungsdienstwesens zu erlassen (Art. 30, 70, 73, 74 und 75 GG). Der Bund wirkt zwar ggf. über das Luftfahrt-Bundesamt bei der Durchführung des Such- und Rettungsdienstes mit (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über das Luftfahrt-Bundesamt, BGBl I 1954, 354, I 1980, 1733), doch bezieht sich diese Mitwirkung als Ausfluß der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes über den Luftverkehr (Art. 73 Nr.6 GG) lediglich auf Such- und Rettungsmaßnahmen für Luftfahrer und Luftfahrtgerät (vgl. § 32 Abs. 1 Nr.6 LuftVG; Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Bd.2, 3. Aufl. 1966, S. 688 Anm.6).
3. Die Anerkennung als Einrichtung des Luftrettungsdienstes kann infolgedessen nur in den Rettungsdienstgesetzen der Länder, und zwar u.U. durchaus unterschiedlich, geregelt sein.
a) Für das Land Baden-Württemberg, in dem die Klägerin ihren Sitz hat, gilt das Rettungsdienstgesetz (RDG) in der Neufassung vom 1. September 1983 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1983, 573).
Dem Senat ist es nicht verwehrt, im vorliegenden Revisionsverfahren das RDG darauf hin zu überprüfen, ob es Vorschriften für eine ,,Anerkennung" vorsieht und wie diese Vorschriften auszulegen sind. Auch nicht revisibles Landesrecht kann und muß der Senat prüfen, wenn es sich um eine Vorfrage für die Anwendung von Bundessteuerrecht - hier: Mineralölsteuer - handelt (Senatsurteil vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, 179, BStBl II 1985, 636 - Kraftfahrzeugsteuer - m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Vorinstanz mit dem Inhalt des als Vorfrage entscheidungserheblichen Landesrechts nicht oder nicht ausreichend befaßt hat, so daß eine Feststellungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO nicht eingetreten ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 11.Mai 1983 III R 112-113/79, BFHE 139, 88, BStBl II 1983, 657).
Im Streitfall hat sich das FG mit dem RDG lediglich im Hinblick auf eine mögliche Begriffsbestimmung des Luftrettungs- bzw. des Rettungsdienstes allgemein befaßt und ist dabei zu keinem positiven Ergebnis gekommen. Hinsichtlich der ,,Anerkennung" hat sich das FG mit der Aussage begnügt, eine förmliche ,,Anerkennung" sei nach Auskunft des Ministeriums rettungsdienstrechtlich nicht vorgesehen; eine Vorlage der Anerkennung könne daher nicht verlangt werden. Der bloße Hinweis auf die Ansicht des Ministeriums und deren ersichtliche Übernahme ohne jede Begründung kann nicht als Auslegung von Landesrecht gewertet werden.
b) Die hiernach zulässige Prüfung der Vorschriften des RDG durch den Senat ergibt, daß zwar eine ,,Anerkennung" in der Form eines Verwaltungsakts nicht vorgesehen ist. Das ist aber nicht die einzig mögliche Rechtsform der Anerkennung.
,,Anerkennen" bedeutet nach dem Wortsinn ,,für rechtmäßig, gültig erklären, bestätigen" (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, Der Große Duden, Bd.10). Eine solche Bestätigung eines Unternehmens als Einrichtung des Luftrettungsdienstes durch eine Landesbehörde kann auch auf der Grundlage der Gleichordnung durch Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgen. Beide Gestaltungsformen des Verwaltungshandelns gewährleisten in gleicher Weise, daß nur staatlich überprüfte Unternehmen und Einrichtungen zum Wohle der Allgemeinheit am Luftrettungsdienst teilnehmen.
Die ,,Anerkennung" als Einrichtung des Luftrettungsdienstes erfolgt in Baden-Württemberg gemäß § 3 Abs. 1 RDG durch Abschluß einer Vereinbarung des Ministeriums mit dort aufgeführten Einrichtungen bzw. bei Bedarf auch mit anderen Leistungsträgern. Aus der vom FG eingeholten amtlichen Auskunft des Ministeriums ergibt sich, daß das Ministerium im Bereich der Luftrettung lediglich mit der in § 3 Abs. 1 RDG aufgeführten Deutschen Rettungsflugwacht, sonst aber, da kein Bedarf besteht, mit keinem weiteren Unternehmen, also auch nicht mit der Klägerin, eine solche Vereinbarung abgeschlossen hat. Da hiernach die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes sichergestellt ist, kommt auch eine Leistungsträgerschaft der Landkreise und Stadtkreise unter Einschaltung freiwilliger Hilfsorganisationen nach § 3 Abs. 2 RDG nicht in Betracht.
Nur der Abschluß einer solchen Vereinbarung mit dem Ministerium führt zur Leistungsträgerschaft i.S. des § 3 Abs. 1 RDG und zur damit verbundenen Einbindung in den organisierten Rettungsdienst des Landes Baden-Württemberg. Diese ist wiederum Voraussetzung für eine Einbeziehung in den Rettungsdienstplan (§ 4 RDG), eine Anbindung an die Rettungsleitstelle, die die Einsätze lenkt und koordiniert (§§ 5 und 15 Abs. 1 RDG) sowie für die öffentliche finanzielle Förderung (§ 12 RDG).
c) Unstreitig hat die Klägerin eine derartige Vereinbarung mit dem Ministerium nicht abgeschlossen. Entsprechend konnte sie dem HZA auch keine ,,Anerkennung" i.S. des § 27b Abs. 2 Satz 1 MinöStDV vorlegen. Die Vorlage einer solchen ,,Anerkennung" aber ist Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergütung.
Die Klägerin betreibt im übrigen ,,Luftrettung" außerhalb des organisierten Luftrettungsdienstes auf eigene Kosten und Risiken; entsprechend werden die Einsätze des von ihr angemieteten Hubschraubers nicht von der Rettungsleitstelle gelenkt. Sein Standort gehört auch nicht zu den fünf Luftrettungszentren in Baden-Württemberg. Die Klägerin ist demnach nicht der erforderlichen staatlichen Überwachung und Kontrolle untergeordnet. Auch das spricht dagegen, daß sie als Einrichtung des Luftrettungsdienstes anerkannt ist.
4. Die in § 27b Abs. 2 Satz 1 MinöStDV nach Auffassung des Senats enthaltene Regelung ist auch sachgerecht und verstößt nicht gegen übergeordnetes Recht. Durch die Erfordernisse der Vorlage der luftverkehrsrechtlichen Genehmigungen und der landesrechtlichen Anerkennung als Einrichtung des Luftrettungsdienstes soll das HZA bei seiner Entscheidung über die Gewährung der Steuerfreiheit von Prüfungen entlastet werden, für die es nicht die erforderliche Sachkunde hat. Das HZA soll insoweit an die Entscheidungen der hierfür zuständigen und sachkompetenten Behörden gebunden sein.
Fundstellen
Haufe-Index 418671 |
BFH/NV 1993, 272 |