Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer/Sonstiges/Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Finanzamt darf die einer wegen Gemeinnützigkeit steuerbefreiten Körperschaft gegebene Bestätigung, daß die von ihr verfolgten Zwecke als besonders förderungswürdig anerkannt sind, zurücknehmen, ohne eine sachliche Begründung zu geben.
Normenkette
KStG § 11 Ziff. 5; KStDV § 26 Abs. 2, § 26/3/b; AO § 91 Abs. 1, § 201 Abs. 1; KStG § 4/1/6; EStG § 10b
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.), ein eingetragener Verein, verfolgt nach § 2 seiner Satzung die Förderung und Erhaltung deutschen Geistes und Kulturlebens im Zusammenleben der europäischen Völker. Das für die Veranlagung des Bg. zuständige Finanzamt erkannte in den Bescheiden vom 27. November 1951 und 27. Dezember 1951 an, daß der Bg. wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit sei (§ 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) und daß die von ihm verfolgten Zwecke als allgemein förderungswürdig anerkannt seien.
Auf Anweisung des Finanzministeriums widerrief das Finanzamt im Schreiben vom 18. August 1952 seine Anerkennung der von dem Bg. verfolgten Zwecke als allgemein förderungswürdig und verbot dem Bg., Bescheinigungen über die Steuerbegünstigung von Spenden auszustellen und einen Hinweis auf die besondere Förderungswürdigkeit seiner Zwecke in seine Schriften und Werbezettel aufzunehmen. Als Begründung gab das Finanzamt an, daß die Zwecke des Bg. nicht in erster Linie der Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens, sondern der Förderung der Erhaltung deutschen Geistes diene.
Die gegen den Bescheid vom 18. August 1952 von dem Bg. eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion am 21. November 1953 unter Aufrechterhaltung der Begründung des Finanzamts zurück.
Das Finanzgericht gab der Berufung des Bg. statt. Es sah in dem Schreiben des Finanzamts vom 18. August 1952 eine auf § 201 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützte Verfügung im Sinn des § 91 AO, die nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens im Berufungsverfahren daraufhin nachzuprüfen sei, ob ein Fehlgebrauch des Ermessens vorliege (Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - GG - und Gutachten des Bundesfinanzhofs Gr. S. D 1/51 S vom 17. April 1951, Slg. Bd. 55 S. 277, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 107). Einen Fehlgebrauch des Ermessens sah das Finanzgericht darin, daß die Verwaltung eine Maßnahme getroffen habe, die in ihrer Wirkung erheblich über das hinausgehe, was zur Erreichung des Zwecks notwendig und angemessen sei. Sei die Verwaltung der Meinung, daß der Bg. keine allgemein als förderungswürdig anerkannten Zwecke verfolge, so hätte es genügt, wenn sie die Finanzämter der Spender angewiesen hätte, den Spendenabzug im Veranlagungsverfahren nicht anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Oberfinanzdirektion führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Ausführungen des Finanzgerichts über die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 21. November 1953 sind zutreffend. Die Rb. ist zulässig.
Die Abzugsfähigkeit von Spenden für gemeinnützige Zwecke bei der Veranlagung der Spender zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer hängt unter anderem davon ab, daß diese Zwecke als besonders förderungswürdig anerkannt sind (§ 10b des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der Fassung vom 17. Januar 1952, Bundesgesetzblatt - BGBl - 1952 I S. 33, § 11 Ziff. 5 KStG in der Fassung vom 23. Mai 1952, BGBl 1952 I S. 305). Die Anerkennung erfolgt durch eine Anordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Soweit gemeinnützige Zwecke vor dem 1. Juli 1951 als besonders förderungswürdig anerkannt worden sind, bleiben diese Anerkennungen aufrechterhalten (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - in der Fassung vom 17. Januar 1952, BGBl 1952 I S. 54). Danach ist die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Oktober 1949 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1949 S. 377) weiter anzuwenden, wonach unter anderem die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens besonders förderungswürdig ist (vgl. auch Anlage 17 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1951). Der Spender muß dem Finanzamt bei seiner Veranlagung nachweisen, daß die erforderlichen Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Spende erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß die gemeinnützige Körperschaft, die die Spende empfängt, allgemein als besonders förderungswürdig anerkannte Zwecke verfolgt. Weder das Einkommensteuerrecht noch die AO sehen ein besonderes Verfahren vor, in dem die Frage, ob die von einer gemeinnützigen Körperschaft verfolgten Zwecke sich tatsächlich mit den allgemein als förderungswürdig erklärten Zwecken decken, mit steuerlicher Wirkung für alle Spender entschieden werden könnte. Eine Entscheidung kann, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, nur im Veranlagungsverfahren des einzelnen Spenders ergehen. Um in diesen Verfahren abweichende Entscheidungen zu vermeiden, hat es sich in der Praxis als zweckmäßig erwiesen, daß das für die Besteuerung der gemeinnützigen Körperschaft zuständige Finanzamt der Körperschaft auf Verlangen die Frage beantwortet, ob die von ihr satzungsmäßig und tatsächlich verfolgten Zwecke allgemein als förderungswürdig anerkannt sind. Diese Erklärung des Finanzamts, zu deren Abgabe es rechtlich nicht verpflichtet ist, hat den Charakter einer bloßen Auskunft, die keinen Einfluß auf die Rechtslage hat und die die für die Veranlagung der Spender zuständigen Finanzämter nicht bindet. Daß sie tatsächlich für die gemeinnützige Körperschaft eine erhebliche praktische Bedeutung hat, weil sich die Finanzämter der Spender in der Regel nach dieser Auskunft richten, kann der Auskunft nicht den Charakter einer Verfügung im Sinne des § 91 AO geben. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß das Finanzamt die erteilte Auskunft jederzeit auch ohne Angabe von Gründen widerruft. Denn wenn es nicht verpflichtet ist, eine solche Auskunft zu erteilen, so kann es auch nicht verpflichtet sein, die Rücknahme zu begründen. Die Statuierung einer solchen Pflicht würde zu dem Ergebnis führen, daß die Finanzämter in Zukunft keine Auskünfte gäben, was weder im Interesse der Verwaltung noch im Interesse der Spender und der gemeinnützigen Körperschaften läge. Die EStR 1951 sehen zwar in Abschnitt 117c Abs. 3 vor, daß der Empfänger der Spenden dem Spender eine Bescheinigung ausstellt, für die das Muster in der Anlage 18 verwendet werden kann. Danach soll der Empfänger der Spenden bestätigen, daß die von ihm verfolgten gemeinnützigen Zwecke in der Mitteilung, die im Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen (MinBlFin.) 1949/50 S. 5 veröffentlicht wurde, als besonders förderungswürdig aufgeführt sind. Für die Richtigkeit dieser Erklärung trägt der Empfänger der Spende dem Spender gegenüber die Verantwortung. Die Tatsache, daß der Empfänger eine solche Erklärung abgeben soll, wozu er übrigens weder nach dem EStG noch nach der EStDV verpflichtet ist, kann nicht den Schluß rechtfertigen, daß ihm das Finanzamt eine Auskunft erteilen muß, die ihm die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Erklärung weitgehend abnimmt.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß das angefochtene Schreiben des Finanzamts vom 18. August 1952 insoweit zu Bedenken keinen Anlaß gibt, als es den Widerruf der Verfügung vom 27. Dezember 1951 enthält. Das Finanzamt hat sich aber nicht darauf beschränkt, seine Verfügung vom 27. Dezember 1951 zu widerrufen. Es hat erklärt, der Bg. sei ab sofort nicht mehr berechtigt, Bescheinigungen über die Steuerbegünstigung von Spenden auszustellen und habe jeden Hinweis auf eine besondere Förderungswürdigkeit der von ihm verfolgten Zwecke in seinen Schriften und Werbezetteln zu unterlassen. Dieses Verbot enthält, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, eine Verfügung im Sinne des § 91 AO, die mit der Beschwerde nach § 237 AO anfechtbar ist und im Berufungsverfahren daraufhin nachgeprüft wird, ob die Verwaltung die ihr im Rahmen des § 201 Abs. 1 AO gezogenen Grenzen pflichtgemäßen Ermessens eingehalten hat. Das Finanzgericht sieht in dem Verbot einen Fehlgebrauch des Ermessens, weil die Verwaltung die Finanzämter der Spender hätte anweisen können, den Spendenabzug im Veranlagungsverfahren der Spender abzulehnen. Eine Nachprüfung der materiellen Frage, ob die von dem Bg. tatsächlich und satzungsmäßig verfolgten Zwecke als allgemein förderungswürdig anerkannt seien, bedürfe es in diesem Verfahren nicht. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Kommt das Finanzamt bei Prüfung der von einer gemeinnützigen Körperschaft verfolgten Zwecke zu dem Ergebnis, daß die von der Körperschaft dem Spender erteilte Bescheinigung insoweit unrichtig ist, als sie die von der Körperschaft verfolgten Zwecke als allgemein förderungswürdig bezeichnet, so kann es grundsätzlich im Rahmen der Steueraufsicht der Körperschaft verbieten, eine solche Erklärung abzugeben (§ 201 Abs. 1 AO). Eine solche Maßnahme liegt nicht nur im berechtigten Interesse der Verwaltung, bei jedem einzelnen Spender ein Rechtsmittelverfahren zu vermeiden, sondern auch im Interesse der Spender, die glauben, sich auf eine solche Erklärung der Körperschaft verlassen zu können und nicht damit rechnen, daß die Abzugsfähigkeit ihrer Spenden im Veranlagungsverfahren abgelehnt wird. Der Senat stimmt aber dem Finanzgericht darin zu, daß die Verwaltung die weitgehend die Interessen der Körperschaft beeinträchtigende Maßnahme des Verbots nur dann treffen darf, wenn es bei pflichtgemäßer sachlicher Prüfung zu der überzeugung gelangt, daß die von der Körperschaft ausgestellte Bescheinigung sachlich unrichtig ist. Zur fehlerfreien Ausübung des Ermessens gehört es, daß sich die Verwaltung mit den sachlichen Einwendungen der Körperschaft in diesem Verfahren auseinandersetzt und zu ihnen Stellung nimmt. Unterläßt sie das, so ist die Ausübung ihres Ermessens fehlerhaft und das Verbot muß im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden. Die Verwaltung vertritt den Standpunkt, daß es sich bei der sachlichen Nachprüfung auf die Feststellungen des Landesamtes für Verfassungsschutz beziehen dürfe und daß sie diese Feststellungen nicht nachprüfen könne. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Wenn sich die Verwaltung die Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz in einem steuerlichen Verfahren zu eigen machen und daraus Folgerungen für die Besteuerung ziehen will, dann muß sie diese Tatsache dem Bg. im einzelnen bekanntmachen und ihm die Möglichkeit geben, dazu Stellung zu nehmen. Sie muß sich mit den Einwendungen des Bg. sachlich auseinandersetzen und kann sich für die Beurteilung des Sachverhalts nicht auf das Landesamt für Verfassungsschutz berufen. Dieser Pflicht ist die Verwaltung nicht ausreichend nachgekommen. Das Verbot in der Verfügung vom 18. August 1952 ist deshalb wegen fehlerhaften Gebrauchs des Ermessens aufzuheben. Der Bg. ist befugt, Spendenbescheinigungen auszustellen. Er darf sich dabei allerdings nicht auf eine Auskunft des für ihn zuständigen Finanzamts berufen; denn diese Auskunft ist widerrufen. Ob er die Spender darauf hinweist, daß das für sie zuständige Finanzamt die von ihm verfolgten Zwecke nicht als besonders förderungswürdig ansieht, muß seiner eigenen Verantwortung überlassen bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 408557 |
BStBl III 1956, 309 |
BFHE 1957, 292 |
BFHE 63, 692 |
BB 1956, 915 |