Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 15 Buchst. b UStG umfaßt, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, auch die im Rahmen der Krankenanstalt bewirkten ärztlichen Leistungen des Anstaltsinhabers; das gilt auch dann, wenn die Krankenanstalt mehreren ärzten gehört.
Normenkette
UStG § 4/15/b; UStG § 4/16/b; UStDB § 42 Abs. 2
Tatbestand
Der Bf. ist zusammen mit einem anderen Facharzt für Frauenkrankheiten im Beteiligungsverhältnis von 50 : 50 Inhaber einer als Krankenanstalt im Sinne des § 4 Ziff. 15 UStG anerkannten, gemäß § 30 der Gewerbeordnung (GewO) konzessionierten Frauenklinik, die in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dient. Beide ärzte unterhalten außerdem, von der Klinik räumlich getrennt, für die ambulante Behandlung je eine persönliche Praxis (im folgenden: Privatpraxis). Die ärztliche Versorgung in der Klinik erfolgt ausschließlich durch die Klinikinhaber und durch einen angestellten Assistenzarzt, der die täglichen Visiten vornimmt und vertretungsweise auch selbständig operiert. Wird bei einer bisher in der Privatpraxis des Bg. bzw. seines Kollegen behandelten Patienten ein Klinikaufenthalt erforderlich, so findet eine förmliche Einweisung in die Klinik statt. Die Patientin scheidet damit aus der Privatpraxis des betreffenden Arztes aus. Die Behandlung in der Klinik wird allerdings regelmäßig von dem einweisenden Arzt vorgenommen, dem auch das ärztliche Honorar hierfür zufließt. Die Rechnungen für Unterbringung und Verpflegung werden von der Klinik, die Rechnungen für die ärztlichen Leistungen wurden anfangs von dem jeweils behandelnden selbständigen Arzt, später ebenfalls von der Klinik ausgestellt. Nach der Entlassung aus der Klinik wird erforderlichenfalls die Behandlung der Patientinnen in der Privatpraxis des vorher tätig gewesenen Arztes ambulant fortgesetzt.
Streitig ist, ob dem Bg. für seine im Rahmen der Klinik bewirkten ärztlichen Leistungen Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 15 UStG zusteht. Die Frage wurde vom Finanzamt verneint, vom Finanzgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats V 148/56 U vom 5. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 41, Slg. Bd. 64 S. 109) bejaht.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts (ß 288 Ziff. 1 AO). Die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 15 b UStG stehe nur demjenigen Unternehmer zu, der die Krankenanstalt betreibe. Das sei im Streitfalle die aus dem Bg. und dem anderen Frauenarzt bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden GbR). Die beiden Gesellschafter seien mit ihrer Privatpraxis und mit ihren ärztlichen Leistungen in der Klinik umsatzsteuerrechtlich gesondert zu beurteilende Unternehmer, auf die die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 15 b UStG nicht zutreffe. Der Streitfall unterscheide sich dadurch wesentlich von dem Fall des vom Finanzgericht angezogenen Urteils des Bundesfinanzhofs, als nicht - wie dort - der Bg., sondern die GbR Unternehmer der Krankenanstalt sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hatte keinen Erfolg.
Zunächst ist aus den Akten und aus dem Vorbringen der Parteien nicht klar zu erkennen, ob die streitigen Umsätze von den Klinikinhabern persönlich oder von der GbR getätigt worden sind. Letzterenfalls wären sie der GbR und nicht deren Gesellschaftern zuzurechnen. Nicht entscheidend ist hierbei, wer die Rechnungen für die ärztlichen Leistungen ausgestellt hat. Für die Annahme, daß es sich um Umsätze der ärzte handelte, spricht, daß die Honorare nicht der GbR, sondern den Gesellschaftern zustanden, von denen auch ihre Höhe bestimmt wurde, und daß im allgemeinen die Patientinnen mit dem sie behandelnden Arzt unmittelbar in Rechtsbeziehungen treten bzw. bleiben wollen. Für das Vorliegen von Umsätzen der GbR spricht, daß vor der Aufnahme einer Patientin aus der Privatpraxis eines der beiden ärzte in die Klinik eine förmliche Einweisung stattfand und daß der offensichtlich von der GbR angestellte - Assistenzarzt alle in die Klinik aufgenommenen Patienten behandelte, insbesondere die täglichen Visiten vornahm und im Bedarfsfalle auch Operationen durchführte. Um in dieser Zweifelsfrage eine Entscheidung treffen zu können, hätte es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bedurft.
Auf diese kann aber verzichtet werden, weil der Senat auch dann zu einer Freistellung des Bg. bezüglich der in der Klinik von ihm bewirkten ärztlichen Leistungen kommt, wenn diese Leistungen - wie die Vorinstanzen angenommen haben - ihm persönlich und nicht der GbR zuzurechnen sind. Im Urteil V 148/56 U vom 5. Dezember 1956 (a. a. O.) hat der Senat den folgenden Rechtssatz aufgestellt: "ß 4 Ziff. 15 b UStG erstreckt sich nicht nur auf Umsätze von Krankenanstalten, die als solche zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind, sondern auch auf Umsätze von ärzten in den zu ihrem Privatvermögen gehörenden Krankenanstalten aus Tätigkeiten der in § 42 Abs. 2 UStDB genannten Art." Der Streitfall unterscheidet sich von dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt nur dadurch, daß die Krankenanstalt nicht einem Arzt, sondern zwei ärzten (je zur Hälfte) gehört. Es trifft zwar zu, daß die Umsätze einer Personenvereinigung und die Umsätze ihrer Mitglieder umsatzsteuerrechtlich scharf voneinander zu trennen sind und daß § 4 Ziff. 15 b UStG grundsätzlich nicht ärzte, sondern Krankenanstalten von der Umsatzsteuer befreit. Andererseits ist aber zu beachten, daß durch diese Vorschrift nicht etwa eine eng abgegrenzte Unternehmerart "Krankenanstalt" begünstigt werden soll. Befreit sind nicht die Umsätze der Krankenanstalten, sondern "die Umsätze aus der Tätigkeit von Krankenanstalten". Die Befreiung ist also nicht subjektiv, sondern objektiv umschrieben. In übereinstimmung hiermit hat der Senat in dem oben angeführten Urteil klargestellt, daß die Vergünstigung nicht bloß für Krankenanstalten gilt, die als selbständige Rechtssubjekte zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind, sondern auch für ärzte hinsichtlich der Einnahmen, die sie aus Tätigkeiten der in § 42 Abs. 2 UStDB genannten Art (also insbesondere aus ärztlichen Hilfeleistungen) in den ihnen gehörenden Krankenanstalten erzielen. Die Tätigkeit der Krankenanstalt auf dem Teilgebiete der ärztlichen Hilfeleistung und die Tätigkeit der Mitinhaber der Krankenanstalt auf diesem Gebiete sind sachlich ein und dasselbe. Hierauf aber kommt es nach der Wortfassung und nach dem Sinn und Zweck des § 4 Ziff. 15 b UStG allein an. Die abweichende Auffassung des Finanzamts beruht auf einer überspitzten formalrechtlichen Betrachtungsweise. Das zeigt sich besonders darin, daß das Finanzamt den Bg., der Mitinhaber der Krankenanstalt ist, umsatzsteuerrechtlich ebenso behandeln will wie die auf Grund besonderer Verträge von der Krankenanstalt als Erfüllungsgehilfen herangezogenen selbständigen ärzte - sogenannte Vertragsärzte. Im Gegensatz zu den Vertragsärzten stellen die Inhaber und Mitinhaber einer Krankenanstalt, soweit sie sich in ihr als ärzte betätigen, auf diesem Teilgebiete die Krankenanstalt selbst dar. Ob das auch dann gilt, wenn zu den Mitinhabern Nichtärzte gehören oder wenn die Krankenanstalt die Form einer juristischen Person hat, braucht im vorliegenden Falle nicht untersucht zu werden.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410948 |
BStBl III 1963, 587 |
BFHE 1964, 729 |
BFHE 77, 729 |