Leitsatz (amtlich)
Eine Synchronsprecherin ist in der Regel selbständig tätig.
Normenkette
EStG 1971 § 34 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit einer Synchronsprecherin eine nichtselbständige Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den Streitjahren 1972 und 1973 als nichtselbständige Schauspielerin tätig und erzielte daneben Einkünfte als Rundfunksprecherin (1972: 3 431 DM; 1973: 2 965 DM) und als Synchronsprecherin (1972: 5 640 DM; 1973: 7 115 DM). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte nur ihre Einkünfte als Rundfunksprecherin als solche aus selbständiger Tätigkeit an und begünstigte sie nach § 34 Abs. 4 EStG, hielt aber ihre Tätigkeit als Synchronsprecherin für nichtselbständig.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 493 (EFG 1976, 493) veröffentlichten Entscheidung an der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, nach der Synchronsprecher in der Regel eine selbständige Tätigkeit ausüben (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1962 I 116/61 U, BFHE 76, 266 BStBl III 1963, 95, und vom 1. März 1973 IV R 231/69, BFHE 109, 39 BStBl II 1973, 458).
Die Revision des FA wurde auf dessen Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil ungeachtet der Tatsache, daß der BFH mehrfach zu der Streitfrage Stellung genommen hat, eine einheitliche Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Verwaltung nicht besteht.
Zur Begründung der Revision wird u. a ausgeführt: Synchronsprecher übten in der Regel eine nichtselbständige Tätigkeit aus (Hinweis auf die Urteile des FG Berlin vom 1. Oktober 1974 IV 92/73, EFG 1975, 308, und vom 16. September 1975 IV 107/73, EFG 1977, 182). Die Klägerin sei zeitlich wie organisatorisch weisungsgebunden, sie sei regelmäßig verpflichtet, zu der vereinbarten Zeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Sie sei dem Grunde nach ebenso wie ein Filmschauspieler in den Betrieb des Produktionsunternehmens eingegliedert. Besonders bei künstlerisch hochwertigen Filmen sei die künstlerische Leistung des Sprechers von den Darstellungen der weiteren Sprecher abhängig. Auf ein Zusammenwirken mit anderen Sprechern, also auf ein Einhalten bestimmter Arbeitszeiten, werde auch bei Sprechern oft nicht verzichtet werden können. Der zeitliche Spielraum werde bei einem Sprecher zwar größer sein als bei einem Schauspieler. Es seien aber doch vergleichbare Bindungen vorhanden. - Die Nichtselbständigkeit der Tätigkeit könne auch nicht deshalb bestritten werden, weil die Entgelte nur für ggf. nach mehreren Wiederholungen für ausreichend erachtete Dialogstücke (Takes) geleistet würden, also ein Arbeitserfolg bezahlt würde. Auch der regelmäßig nichtselbständig tätige Filmschauspieler werde für ein vorher vereinbartes Entgelt, unabhängig von der dafür aufzuwendenden Zeit und Leistung, tätig. - Gegen die Eingliederung der Klägerin spreche auch nicht die Kürze der Beschäftigungsdauer. Diese erkläre aber, daß die Klägerin keine Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall erhalte und auch eine Urlaubsregelung entfalle. Es seien keine sozialen Gründe erkennbar, diese Vergünstigungen, die für Lohnabhängige geschaffen worden seien, auch kurzfristig nebenberuflich nichtselbständig Tätigen zukommen zu lassen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Einspruchsentscheidung zu bestätigen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA kann keinen Erfolg haben.
Das FG hat zu Recht die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Synchronsprecherin als solche aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit angesehen. Das entspricht der Rechtsprechung des BFH.
Bereits in dem Urteil des BFH I 116/61 U wurde die unterschiedliche Einstufung der Filmschauspieler und der Synchronsprecher begründet. Während die Arbeitnehmereigenschaft von Filmschauspielern, jedenfalls soweit sie bei der Aufnahme von Filmen mitwirken, grundsätzlich zu bejahen ist, weil sie bei der Aufnahme ganzer Filme zeitlich in viel stärkerem Maße von dem Unternehmen abhängig sind und der einzelne Schauspieler im Zusammenspiel mit den anderen beteiligten Schauspielern weitgehend in den Organismus der Filmproduktion eingegliedert ist, besteht bei den Synchronsprechern keine so feste Eingliederung in den Organismus des Synchronisationsunternehmens und keine so starke zeitliche Abhängigkeit.
In dem Urteil IV R 231/69 bestätigte der erkennende Senat die Rechtsprechung des BFH, daß die Tätigkeit des Synchronsprechers in der Regel eine selbständige Tätigkeit ist. Er betonte dabei, daß sich bei gehobenen Arbeiten die Weisungsbefugnis des Unternehmers mehr auf äußere und organisatorische Dinge beschränken werde und daß Weisungen künstlerischer oder technischer Art den selbständigen Charakter einer Tätigkeit nicht berührten. Die Klägerin weist mit Recht darauf hin, daß es in der Natur der Sache liegt, wenn ein Synchronsprecher hinsichtlich Ort und Zeit seiner Sprechertägigkeit gegenüber dem Synchronisationsunternehmen weisungsgebunden ist. Da seine Leistung, nämlich das den bereits vorhandenen bildlichen Darstellungen beizugebende lippensynchrone Sprechen, nur im Rahmen des technischen Apparates des Filmsynchronisationsunternehmens erbracht werden kann, läßt sich aus dieser notwendigen technischen Eingliederung noch nicht auf eine Eingliederung in den Organismus des Unternehmens i. S. einer allgemein weisungsgebundenen Arbeitnehmerstellung schließen.
Bei einer zeitlich nur kurzen Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers ist die Eingliederung des Beauftragten besonders sorgfältig zu prüfen (BFH-Urteil vom 10. September 1976 VI R 80/74, BFHE 120, 465, BStBl II 1977, 178). Das führt dazu, daß bei einer Mehrzahl von Synchronisationsunternehmen, für die der Synchronsprecher tätig wird - also im Gegensatz etwa zu den Fällen, bei denen der Synchronsprecher einem Synchronisationsunternehmen auf längere Zeit zur Verfügung steht, Art und Dauer seines Arbeitseinsatzes im wesentlichen allein von dem Unternehmen bestimmt werden und im Vertrauen auf fortdauernde Arbeitsgelegenheit eigene Initiative zu einer selbst bestimmten beruflichen Tätigkeit unterlassen wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1976 V R 137/73, BFHE 120, 301, BStBl II 1977, 50) -, schon wegen der kurzen zeitlichen Berührung von ein bis drei Tagen eine Eingliederung in das Unternehmen abzulehnen und an der Selbständigkeit der Tätigkeit dieser Synchronsprecher festzuhalten ist.
Nach Verlautbarungen der Finanzverwaltung sind Synchronsprecher "in aller Regel eingegliedert und infolgedessen nichtselbständig" (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 27. Juni 1975 IV B 6 - S 2365 - 8/75 an die Finanzminister (Finanzsenatoren) der Länder (BStBl I 1975, 923) und - für Berlin (West) - Erlaß des Senators für Finanzen vom 23. Juli 1975 III C - S 2331 - 2/75 (Steuer- und Zollblatt für Berlin 1975 S. 1674). Eine weitere Begründung dieser Ansicht wird nicht gegeben. Die Rechtsprechung des BFH, insbesondere das Urteil IV R 231/69, wird nicht erwähnt. Der Auffassung der Finanzverwaltung kann aus den oben dargelegten Gründen nicht zugestimmt werden.
Fundstellen
BStBl II 1981, 706 |
BFHE 1981, 357 |