Entscheidungsstichwort (Thema)
(Inanspruchnahme des § 6c EStG bei Überschußrechnung trotz Pflicht zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich)
Leitsatz (amtlich)
Übernimmt das FA für die Gewinnermittlung die vom Steuerpflichtigen erstellte Überschußrechnung, kann die Steuervergünstigung nach § 6c EStG auch in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verpflichtet war.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 6c
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die mit ihrem Ehemann, dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die bis zum 28.Februar 1985 durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) ermittelt wurden. Bei der (nicht mit einer Betriebsaufgabeerklärung verbundenen) Verpachtung des Betriebs zum 1.März 1985 ging die Klägerin zur Überschußrechnung (§ 4 Abs.3 EStG) über. Am 9.Juli 1985 erzielte die Klägerin einen Gewinn in Höhe von 15 868 DM aus der Veräußerung eines Betriebsgrundstücks. Der Gewinn wurde bei der Überschußrechnung für das Wirtschaftsjahr 1985/86 durch einen Abzug nach § 6c EStG neutralisiert. Diesen Abzug lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei der Gewinnermittlung mit der Begründung ab, ein Abzug nach § 6c EStG komme nicht in Betracht, weil die Buchführungspflicht der Klägerin und damit die Verpflichtung zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG trotz des gleichzeitigen Übergangs der Buchführungspflicht auf den Pächter (§ 141 Abs.3 der Abgabenordnung --AO 1977--) fortbestanden habe. Die Einkommensteuer wurde durch Bescheid vom 12.Oktober 1987 entsprechend festgesetzt. Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 4.Januar 1988 als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) war demgegenüber der Auffassung, die Buchführungspflicht der Klägerin sei mit dem Übergang auf den Pächter (§ 141 Abs.3 AO 1977) entfallen, so daß der Abzugsbetrag nach § 6c EStG in Anspruch genommen werden dürfe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA weiter geltend, nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften sei nicht ersichtlich, daß durch die Bestimmung des § 141 Abs.3 AO 1977 in den Fällen der Nutzungsüberlassung auch eine von § 141 Abs.2 AO 1977 abweichende Sonderregelung hinsichtlich der Buchführungspflicht des Nutzungsverpflichteten getroffen werden solle. Der Fortbestand der Buchführungspflicht schließe die Anwendung des § 6c EStG aus. Die Anwendung des § 6b EStG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Bücher geführt habe. Im übrigen habe das FG die Vorschrift des § 4a EStG nicht beachtet. Bei deren zutreffender Anwendung ergebe sich auch bei Gewährung des zeitanteiligen Abzugs nach § 6c EStG keine andere Steuerfestsetzung als bisher.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils mit der Maßgabe, daß die Einkommensteuer anderweitig festgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen wird.
I. Zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, daß die Kläger berechtigt waren, den Gewinnabzug nach § 6c Abs.1 EStG vorzunehmen.
Nach § 6c Abs.1 EStG ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG die Vorschrift des § 6b EStG mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Abzug nach § 6b Abs.1 und 3 EStG zulässig ist, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden, Gebäuden oder Aufwuchs auf oder Anlagen im Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden entstanden ist.
Im Streitfall hat die Klägerin seit der Betriebsverpachtung, die mangels Abgabe einer entsprechenden Erklärung nicht zur Betriebsaufgabe geführt hatte (vgl. Senatsurteil vom 18.März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303), den Gewinn aus der Betriebsverpachtung tatsächlich durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG ermittelt. Das FA hat die Überschußrechnung der Klägerin für das Streitjahr, abgesehen von der Nichtanerkennung des streitigen Abzugs nach § 6c EStG, tatsächlich auch übernommen und der Besteuerung zugrunde gelegt. Im Rahmen ihrer Überschußrechnung war die Klägerin deshalb auch bei unterstelltem Fortbestand ihrer Buchführungspflicht zur Inanspruchnahme des § 6c EStG berechtigt (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung in der Land- und Forstwirtschaft, 2.Aufl. 1990, Rdnr.1241). Denn nach dem Gesetz ist die Anwendung des § 6c EStG davon abhängig, daß der Gewinn tatsächlich nach § 4 Abs.3 EStG ermittelt und als Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben der Besteuerung zugrunde gelegt wird, nicht auch davon, daß keine Pflicht zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich besteht. Allerdings ist bei bestehender Buchführungspflicht der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft an sich auch dann nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs gemäß §4 Abs.1 EStG zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Überschußrechnung ermittelt hat. Kommt es zur Gewinnschätzung nach § 4 Abs.1 EStG, entfällt auch die Anwendung des § 6c EStG (vgl. Urteil des FG Münster vom 7.August 1986 I 4874/81, Die Information 1987, 190; Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6c EStG Anm.15; Lademann/Söffing/ Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6c Anm.9; Engel in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6c Rz.9). Übernimmt das FA jedoch --wie im Streitfall-- die vom Steuerpflichtigen aufgestellte Überschußrechnung, so sind auch die bei dieser Gewinnermittlungsart zulässigen und vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen zu gewähren. Dies muß auch gelten, wenn, wie im Streitfall, das FA dem Steuerbescheid die "Erläuterung" beifügt, der Gewinn sei "in Anlehnung der abgegebenen Einnahme- Überschußrechnung geschätzt" worden.
Diese Gesetzesauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 6b und 6c EStG. Wenn nach § 6c EStG auf Gewinne aus der Veräußerung der dort bezeichneten Wirtschaftsgüter die Vorschrift des § 6b EStG anzuwenden ist, so ergibt sich hieraus, daß in bezug auf die Begünstigung dieser Gewinne die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG und nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs.1 oder § 5 EStG gleichgeachtet werden. Bei allen genannten Gewinnermittlungsarten soll der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, durch Bildung einer steuerfreien Rücklage bzw. einen entsprechenden Abzug die Besteuerung des Veräußerungsgewinns zunächst zu vermeiden und ihn durch Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines begünstigten Reinvestitionsguts zu neutralisieren. Mit dieser Zielsetzung wäre es nicht zu vereinbaren, die Steuervergünstigung nur deshalb zu versagen, weil der Steuerpflichtige den Gewinn statt durch Betriebsvermögensvergleich durch eine ordnungsmäßige und vom Finanzamt übernommene und der Besteuerung zugrunde gelegte Überschußrechnung ermittelt hat. Denn auch in diesem Falle erfüllt der Steuerpflichtige die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Die dafür geforderten Nachweise werden durch Führung der in § 6c Abs.2 EStG geforderten Verzeichnisse in gleicher Weise wie beim Betriebsvermögensvergleich erbracht.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es hiernach nicht darauf an, ob, wie das FA unter Berufung auf § 141 Abs.2 Satz 2 AO 1977 meint, die Buchführungspflicht der Klägerin auch nach der Verpachtung fortbestanden hat oder ob, wie die Klägerin unter Berufung auf § 141 Abs.3 AO 1977 meint, ihre eigene Buchführungspflicht mit dem Übergang der Buchführungspflicht auf den Pächter erloschen ist.
II. Die Revision des FA führt gleichwohl zur Aufhebung des FG- Urteils. Das FG hat nämlich nicht beachtet, daß sich unter Berücksichtigung des § 4a Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Nr.1 EStG für das Streitjahr eine höhere als die im Urteil festgesetzte Einkommensteuer ergibt. Bei Beachtung dieser Aufteilungsregelung wirkt sich der Gewinnabzug nach § 6c EStG nur mit der Hälfte des Veräußerungsgewinns bei der Einkommensteuerveranlagung 1985 aus.
III. Die Sache ist spruchreif. Das FG-Urteil wird mit der Maßgabe aufgehoben, daß der Abzug nach § 6c EStG für das Streitjahr in Höhe von 7 934 DM berücksichtigt und die Klage im übrigen abgewiesen wird. Die Steuerberechnung wird gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit dem FA übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 64209 |
BFH/NV 1993, 26 |
BStBl II 1993, 366 |
BFHE 170, 68 |
BFHE 1993, 68 |
BB 1993, 760 |
BB 1993, 760 (LT) |
DB 1993, 1753 (L) |
DStR 1993, 646 (KT) |
HFR 1993, 437 (LT) |
StE 1993, 198 (K) |