Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur evtl. Absichtsänderung beim gewerblichen Grundstückshandel
Leitsatz (NV)
Die für die Abgrenzung private Vermögensverwaltung/gewerblicher Grundstückshandel erforderliche Absicht, substantielle Vermögenswerte vorrangig durch Umschichtung zu nutzen, muß nicht stets schon beim Ankauf des ersten in diesem Zusammenhang bedeutsamen Objektes bestanden haben. Es kann genügen, wenn sie für den ersten der in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Veräußerungsvorgänge nachweisbar ist.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Maurermeister. Er betrieb bis 1976 ein Baugeschäft in A und war von 1976 bis zum Frühjahr 1980 als selbständiger Bauunternehmer in Saudi-Arabien tätig. Anschließend eröffnete er wieder ein Baugeschäft in A.
Mit Hilfe der in Saudi-Arabien erzielten Gewinne erwarb der Kläger 1977 fünf bebaute Grundstücke in A, vier von ihnen veräußerte er in den Jahren 1979 bis 1982 wie folgt:
Grundstück Anschlußkosten Jahr der Veräußerung Erlös in DM
Nr.1 93704 1979 130 000
Nr.2 301767 1980 650 000
Nr.3 441640 1980 520 000
Nr.4 318196 1982 500 000.
Das Grundstück Nr.5, das der Kläger als erstes im Februar 1977 erworben hatte, teilte er im Juni 1982 in fünf Eigentumswohnungen auf und veräußerte eine von ihnen (anteilige Anschaffungskosten: 56580 DM) im Jahre 1983 für 158000 DM.
Bei einer 1984 für die Jahre 1979 bis 1981 durchgeführten Außenprüfung stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, der Kläger habe mit dem An- und Verkauf der vorgenannten Objekte einen gewerblichen Grundstückshandel mit folgenden Ergebnissen betrieben:
1979 1980 1981
DM DM DM
78578 388974 ./.3576
Hieraus errechnete der Prüfer, unter Berücksichtigung der in Saudi-Arabien angefallenen Verluste, für die Jahre 1979 und 1981 jeweils einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte und für 1980 einen Verlustvortrag aus dem Veranlagungszeitraum 1979 in Höhe von 65122 DM sowie einen Verlustrücktrag aus dem Veranlagungszeitraum 1981 von 46052 DM.
Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) und setzte, ausgehend von den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 346837 DM (einschließlich derjenigen aus dem Baugeschäft in Höhe von 7919 DM) und einem zu versteuernden Einkommen von 230034 DM, in dem auf § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Bescheid vom 15. Oktober 1985 die Einkommensteuerschuld des Klägers (und seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau) für 1980 auf 101494 DM fest.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) zunächst durch Vorbescheid vom 20. April 1989 mangels Bestimmung des Klageziels als unzulässig ab. - Nachdem der Kläger (rechtzeitig) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, den Streitgegenstand bezeichnet und die Klage begründet hatte, entschied das FG am 3. August 1990, wiederum durch Vorbescheid, zur Sache: Es wies die Klage im wesentlichen ab. Es teilte die Ansicht des FA, daß der Kläger mit dem An- und Verkauf der in Frage stehenden Objekte gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe, datierte jedoch den Beginn dieser Betätigung nicht, wie das FA, erst auf den 1. Januar 1979, sondern schon auf das Jahr 1977, weil schon zum Erwerbszeitpunkt, zumindest bedingt, Veräußerungsabsicht vorgelegen habe. Diese abweichende rechtliche Beurteilung führte zu einem Teilerfolg der Klage (keine Kürzung der Anschaffungskosten vom Zeitpunkt des Erwerbes der Grundstücke, entsprechende Verminderung des Veräußerungsgewinns sowie der Gewerbesteuerrückstellung 1980 um 23070 DM und, wegen entsprechender Veränderungen des Verlustvortrags aus dem Veranlagungszeitraum 1979, Verringerung des im Streitjahr zu versteuernden Einkommens um 25063 DM auf 204971 DM, was eine Herabsetzung der Steuerschuld auf 87636 DM ergab).
Mit der vom FG ausschließlich aus formellen Gründen, im Hinblick auf den neuerlichen Erlaß eines Vorbescheids (wegen angenommener Abweichung vom Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.Juni 1984 VI R 246/80, BFHE 141, 227, BStBl II 1984, 720), zugelassenen Revision greift der Kläger das vorinstanzliche Urteil allein mit materiell-rechtlichen Einwänden an: Er ist weiterhin der Meinung, die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels seien nicht gegeben. Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, er, der Kläger, habe die Grundstücke seinerzeit schon in der Absicht erworben, sie später wieder gewinnbringend zu veräußern; tatsächlich hätten sie der Vermögensbildung und Alterssicherung dienen sollen. Erst als er, in die Bundesrepublik
Deutschland zurückgekehrt, die Hochzinsphase nicht habe bewältigen können, habe er beschlossen, sich von einem Teil der Liegenschaften zu trennen, um sein Grundvermögen insgesamt nicht zu gefährden. Die Veräußerungen seien als reine ,,Vermögenskonzentrations- und Erhaltungsmaßnahmen" zu werten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Senat ist an einer Sachentscheidung nicht dadurch gehindert, daß das FG über die Klage ein zweites Mal durch Vorbescheid (§ 90 Abs. 3 FGO) entschieden hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das FG einen zweiten Vorbescheid erlassen durfte (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 141, 227, BStBl II 1984, 720, und vom 9. Juni 1988 VII K 14/84, BFHE 153, 507, BStBl II 1988, 840), denn diese Verfahrensweise wurde nicht gerügt (§ 120 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 III R 105/87, BFH/NV 1991, 248; Gräber/Ruban, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 120 Rz.37 ff.).
2. Zu Recht haben FA und FG die in Frage stehende Betätigung des Klägers als gewerblichen Grundstückshandel angesehen und die hieraus im Streitjahr erzielten Gewinne den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet. Ob das FG den Beginn dieser gewerblichen Tätigkeit zutreffend schon 1977 angesetzt hat, kann aus verfahrensrechtlichen Gründen unentschieden bleiben.
a) Nach den §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr.2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 2 EStG) ist unter Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist; außerdem darf es sich nicht um private Vermögensverwaltung handeln (u.a. BFH-Urteile vom 18. Januar 1989 X R 108/88, BFHE 156, 115, BStBl II 1990, 1051; vom 5. September 1990 X R 107-108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060; vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844, und vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). Alle diese positiven und negativen Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der in Frage stehenden Grundstücksobjekte nach den vom FG getroffenen, mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen zum Geschehensablauf erfüllt.
b) Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung kommt es in Fällen der streitigen Art nach der ständigen Rechtsprechung des BFH darauf an, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung, die Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten oder aber die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung im Vordergrund steht (z.B. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244 sowie in BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060, und in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). - Soweit dabei die Willensrichtung des Steuerschuldners von Bedeutung ist, vor allem die Absicht, durch Veräußerung von Immobilien Gewinne zu erzielen, muß dies als innere Tatsache - wie stets im Rechtsleben - anhand äußerer Ereignisse (Beweisanzeichen) beurteilt werden (dazu grundsätzlich BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 435f., BStBl II 1984, 751, 767).
c) In Übereinstimmung mit diesen Kriterien hat das FG zutreffend auch die Nachhaltigkeit und die Beteiligung des Klägers am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht.
aa) Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie auf Wiederholung gerichtet ist (BFH in BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844). Diese Zielrichtung des Handelns des Klägers in bezug auf die in Frage stehenden Objekte ergibt sich allein schon aus der Zahl der Veräußerungen und aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen ihnen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; vom 6. April 1990 III R 28/87, BFHE 160, 494, BStBl II 1990, 1057; in BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060, und vom 20. November 1990 VIII R 15/87, BFHE 163, 66, BStBl II 1991, 345). - Auf die finanziellen Motive und Begleitumstände kommt es dabei nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1989 VIII R 96/84, BFH/NV 1989, 784; vom 22.März 1990 IV R 23/88, BFHE 160, 249, BStBl II 1990, 637, und in BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844).
bb) Der Kläger hat sich durch die Veräußerung der verschiedenen Objekte auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, indem er sich an einen nicht abgeschlossenen Kreis von Personen wandte (vgl. BFH in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143).
d) Verstärkt wird der Gesamteindruck des gewerblichen Grundstückshandels ferner durch den Umstand, daß der Kläger vor, während und nach dem An- und Verkauf der Objekte in Branchennähe, als Bauunternehmer, tätig war (vgl. dazu BFH-Urteile vom 10. Februar 1987 VIII R 167/85, BFH/NV 1987, 440, und vom 28. September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65).
e) Ob dem FG auch darin gefolgt werden kann, daß der Kläger schon beim Ankauf der Grundstücke im Jahre 1977 die Absicht hatte, auf dem Gebiet des Grundstückshandels gewerblich tätig zu werden, kann auf sich beruhen. Für die Gesamtbeurteilung kommt es darauf letztlich nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1968 IV R 17/67, BFHE 92, 566, BStBl II 1968, 655). Entscheidend ist, daß eine solche Absicht jedenfalls beim ersten der fünf Veräußerungsvorgänge gegeben war. Das aber ergibt sich aus dem Geschehensablauf. Der Kläger hat die hieraus abzuleitenden Schlußfolgerungen nicht erschüttern können. Er hat mit dem Hinweis auf seine finanzielle Situation nur eine einleuchtende Erklärung für die (im übrigen - s.o. - nicht entscheidungserhebliche) Motivation seines Handelns gegeben.
Ob der Kläger schon zum Erwerbszeitpunkt Verkaufsabsichten hatte, ist unter den gegebenen Umständen - wie die Vorentscheidung zeigt - nur für die Höhe des im Streitjahr anzusetzenden Gewinns bedeutsam und bedarf im Hinblick auf das Verbot der Schlechterstellung (vgl. dazu Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz.5) hier keiner weiteren Erörterung.
Fundstellen
Haufe-Index 418946 |
BFH/NV 1993, 474 |