Leitsatz (amtlich)
1. Verpflichtet sich der Eigentümer eines für Verkaufszwecke parzellierten Baugeländes gegenüber der Gemeinde, die Erschließung der Fläche vorzunehmen und die Erschließungskosten im wesentlichen selbst zu tragen, so sind die Landverkäufe auch dann gewerblicher Natur, wenn der Verkäufer die Kosten auf die Käufer überwälzt.
2. Die Erschließung des Baugeländes ist dem Verkäufer auch dann als eigene Tätigkeit zuzurechnen, wenn er sich zu ihrer Durchführung eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art eigengewerblich betreibt.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1; GewStG § 2; GewStDV § 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1963, ob gewerblicher Grundstückshandel eines Landwirts vorliegt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Nr. 1 EStG, § 2 GewStG, § 1 GewStDV).
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) war Eigentümer eines rd. 47 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Ein Grundstück von 1,65 ha hatte er im Jahre 1953 zum Preise von 5 400 DM gekauft. Er veräußerte im Streitjahr von diesem, inzwischen parzellierten Grundstück 10 Einzelparzellen von insgesamt rd. 6 789 qm, die übrigen Parzellen in den Folgejahren. Die Käufer der Grundstücke waren Bauinteressenten.
Den Verkäufen war folgendes vorausgegangen. Die Stadt X. hatte zunächst die von Interessenten beantragte Erteilung von Baugenehmigungen abgelehnt, da das Gelände nicht als Baugebiet ausgewiesen sei. Auf Betreiben des Steuerpflichtigen und des von ihm beauftragten Grundstücksmaklers und Auktionators Y., der zugleich für die Kauf- und Bauinteressenten tätig wurde, hatte die Stadt den Entwurf eines Bebauungsplans, der für das Grundstück des Steuerpflichtigen 22 Bauplätze vorsah, fertigen lassen. Sie machte zur Auflage, daß die gesamten Erschließungskosten, die für das Grundstück des Steuerpflichtigen und für das etwas kleinere Grundstück eines Nachbarn mit zusammen 275 000 DM veranschlagt wurden, von den Eigentümern übernommen würden.
In den Kaufverträgen überwälzte der Steuerpflichtige die gesamten Kosten und Lasten einschließlich der Vermessungs- und Beurkundungskosten sowie der Maklerprovision auf die Käufer.
Das FA nahm gewerbliche Grundstücksveräußerungen an.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG gab der Klage des Steuerpflichtigen statt. Es führte aus, daß die Voraussetzungen eines gewerblichen Parzellierungsunternehmens nicht vorlägen. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG werde für verfassungsmäßig gehalten. Der Steuerpflichtige habe keine über das Verkaufen der einzelnen Parzellen weit hinausgehende Tätigkeit entfaltet. Die entscheidende Initiative sei von der Stadt ausgegangen. Dem stehe nicht entgegen, daß der Grundstücksmakler Y. durch seine Eingaben an die Stadt und durch seine häufigen Vorsprachen Einfluß genommen habe. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen sei nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Trotz des Auftretens im Namen des Steuerpflichtigen habe Y. in seinem eigenen Interesse gehandelt. Es bestehe keine rechtliche Grundlage dafür, die gewerbliche Tätigkeit des Y. als solche des Steuerpflichtigen zu betrachten. Der Steuerpflichtige habe nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 23. Juni 1960 (Bundesgesetzblatt I 1960 S. 341) keine Möglichkeit zu einer wesentlichen eigenen Initiative gehabt. Die Sachlage sei deshalb grundsätzlich anders als im Falle des Urteils des BFH IV 5/59 U vom 28. September 1961 (BFH 74, 80, BStBl III 1962, 32). Demgemäß sei die meiste Arbeit von der Stadt geleistet worden. Daneben komme der Tätigkeit des Maklers Y. die entscheidende, wenngleich weitgehend weisungsfreie Rolle zu. Die Übernahme von 90 v. H. der Erschließungskosten durch den Steuerpflichtigen sei nicht steuerschädlich gewesen.
In seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung sachlichen Rechts. Entscheidend sei, daß sich der Steuerpflichtige der Stadt gegenüber verpflichtet habe, die nach dem behördlichen Bebauungsplan durchzuführenden Arbeiten auf seine Kosten vorzunehmen und daß er damit allein das unternehmerische Risiko zu tragen gehabt habe. Die Tätigkeit des Maklers Y. müsse dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Klage als unbegründet.
Gewerbliche Grundstücksverkäufe liegen vor, wenn ein Landwirt im Zusamenhang mit den Verkäufen wesentlichen Einfluß auf die Erschließung und die künftige Bebauung des Geländes nimmt. Eine solche zusätzliche Tätigkeit kann darin bestehen, daß der Landwirt die Parzellenkäufer vertraglich verpflichtet, die Erschließungskosten über ihre gesetzliche Beitragslast hinaus zu tragen und daß er selbst oder durch Dritte die behördliche Festsetzung des Bebauungsplans betreibt (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV R 164/68 vom 5. Dezember 1968, BFH 94, 457, BStBl II 1969, 236). Schon nach der bisherigen Rechtsprechung waren Grundstücksverkäufe gewerblicher Natur, wenn der Verkäufer auf Grund eines Bebauungsplans das Gelände parzellierte und baureif machte (vgl. BFH-Urteile IV 138/58 vom 26. Januar 1961, HFR 1961, 219; IV 5/59 U; VI 313/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 78, 352, BStBl III 1964, 137; I 417/61 vom 15. Juni 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 238, und die dort angeführten weiteren Entscheidungen).
Die steuerrechtliche Beurteilung kann nicht anders sein, wenn der Verkäufer mit der Durchführung der Erschließungsarbeiten einen geschäftskundigen Dritten beauftragt. Die Tätigkeit des Dritten muß dem Verkäufer (Eigentümer) auch dann zugerechnet werden, wenn der Dritte sie eigengewerblich betreibt. Dem steht nicht entgegen, daß er dabei auch sein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt, wie dies bei entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverträgen der Fall zu sein pflegt. Außerdem kann nicht ins Gewicht fallen, daß der Beauftragte - wie in der vorliegenden Sache - zugleich im Interesse der Käufer und Baulustigen tätig wurde und er diesen seine Vergütungen in Rechnung stellte. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige den Makler selbst bezahlte und entsprechend die Kaufpreise erhöhte oder ob sich der Makler unmittelbar an die Käufer halten konnte.
Im Streitfall ist vor allem von Bedeutung, daß sich der Steuerpflichtige gegenüber der Stadt X. zur Erschließung des Geländes und zur Tragung des größten Teils der Erschließungskosten verpflichtete. Die Erschließung des Geländes wäre Angelegenheit der Stadt gewesen (vgl. § 123 Abs. 1, § 127, § 135 BBauG). Die Regelung, die der Steuerpflichtige mit der Stadt traf und in der ihm die Überwälzung der Erschließungskosten auf die Käufer vorbehalten wurde, läßt das vorwiegende wirtschaftliche Interesse des Steuerpflichtigen an der Baureifmachung erkennen. Das FG selbst verwies, um allerdings andere Folgerungen zu ziehen, darauf, daß die Stadt durch den Erschließungsvertrag, der sie nur wenig belastete, die bestehende Interessenlage ausgenützt habe.
Auf die steuerrechtliche Beurteilung der Grundstücksverkäufe von Landwirten und Privatpersonen ist das Inkrafttreten des BBauG im Jahre 1961 ohne Einfluß. Auch nach dem früheren Rechtszustand, von dem die oben angeführte Rechtsprechung ausging, war die Erschließung von Baugelände grundsätzlich Sache der Gemeinden. Die Festsetzung eines Bebauungsplans war seit jeher ein behördlicher Akt (vgl. Heitzer-Oestreicher, Bundesbaugesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1968, S. 40, 349f.; Zinkahn-Bielenberg, Bundesbaugesetz, Kommentar, Rd.Nrn. 1 ff. zu § 10). Diese Rechtslage schloß indessen ebensowenig wie heute aus, daß verkaufswillige Grundstückseigentümer private Initiative entwickelten und die Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen betrieben oder die Erschließungsarbeiten sogar - im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden - selbst in die Hand nahmen. Die für solche Fälle von der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bleiben daher weiter maßgebend.
Der Umstand, daß sich der Steuerpflichtige aus einer durch die wirtschaftlichen Verhältnisse seines landwirtschaftlichen Betriebes bedingten Zwangslage zum Verkauf einer Teilfläche und zur Entfaltung der erwähnten zusätzlichen Tätigkeit entschlossen hatte, kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht berücksichtigt werden. In der Entscheidung IV R 164/68 wurde bereits hervorgehoben, daß es der Annahme eines gewerblichen Charakters der Grundstücksverkäufe nicht entgegensteht, wenn die Verkaufserlöse in den landwirtschaftlichen Betrieb investiert werden. Es ist deshalb für die steuerrechtliche Beurteilung grundsätzlich unerheblich, ob der Steuerpflichtige aus betrieblichen oder persönlichen (privaten) Gründen zu bestimmten Investitionen gezwungen war.
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG (vgl. Vorlagebeschluß des erkennenden Senats IV 47/65 vom 3. August 1967, BFH 89, 264, BStBl III 1967, 601) braucht nicht abgewartet zu werden. Sie hätte nur Bedeutung für die Frage, ob und in welcher Höhe bei der Überführung landwirtschaftlicher Grundstücke in den Gewerbebetrieb ein Entnahmegewinn (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) verwirklicht wurde. Dieser Vorgang berührte jedoch das Streitjahr (1963) nicht. Er fand spätestens im Veranlagungszeitraum 1962 statt.
Fundstellen
Haufe-Index 68566 |
BStBl II 1969, 483 |
BFHE 1969, 488 |