Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bringen Eltern ein gesundes Kind, für das sie einen Kinderfreibetrag erhalten, wegen der Verkehrsgefahren mit einem Zweitwagen zur Schule, so sind die Aufwendungen für den Zweitwagen nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig. Kosten dieser Art sind durch den Kinderfreibetrag abgegolten.
Normenkette
EStG § 32/2, §§ 33, 33a/2
Tatbestand
Die Vorinstanzen haben es abgelehnt, Aufwendungen für einen Zweitwagen, mit dem die Ehefrau des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ihre Kinder zur Schule und zum Kindergarten fährt, beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963 als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG nicht berücksichtigen.
Der Stpfl. verdiente im Streitjahr 1963 23.573 DM. Den Erstwagen, einen VW, benutzt der Stpfl. selbst, um von seiner Wohnung zu seiner 11 km entfernten Arbeitsstätte zu fahren. Mit dem Zweitwagen, einem gebrauchten Fiat 500, bringt die Ehefrau ein 7jähriges Kind zur 3 km von der Wohnung entfernten Schule und ein 5jähriges Kind in den Kindergarten.
Der Kammervorsitzende des Finanzgerichts (FG) hat zusammen mit Vertretern des Finanzamts (FA) und mit der Ehefrau des Stpfl. eine Ortsbesichtigung vorgenommen und darüber in einem Aktenvermerk festgehalten: "Wer an dieser Stelle von der A-Straße her (Wohnstraße des Stpfl.) die B-Straße überqueren will, muß auf den Fahrverkehr aus drei Richtungen achten, auf die beiden Fahrbahnen der B-Straße mit immer sehr starkem Verkehr und auf den aus der C- Straße kommenden Verkehr. Das kann nach einhelliger überzeugung aller beim Ortstermin anwesenden Personen von Kindern nicht erwartet werden". Der Vertreter des FA machte bei der Ortsbesichtigung geltend, es sei der Ehefrau des Stpfl. zuzumuten, die Kinder bis auf die andere Straßenseite zu begleiten und von da zu Fuß zur Straßenbahn gehen zu lassen. Im übrigen stehe der Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG die Tatsache entgegen, daß der Stpfl. für beide Kinder Kinderermäßigung nach § 32 EStG erhalte.
Das FG rechnete die Aufwendungen für den Zweitwagen zu den Aufwendungen für Unterhalt und Erziehung der Kinder. Solche Aufwendungen seien, gleichgültig, wie hoch sie im Einzelfall seien, durch die gesetzlichen Kinderfreibeträge abgegolten. Wenn die entstandenen Kosten auch erheblich seien, so sei andererseits zu berücksichtigen, daß sich die Kosten auf zwei Kinder verteilen, für die der Stpfl. zusammen 2.880 DM Kinderfreibetrag erhalte. Es sei auch zu berücksichtigen, daß die Ehefrau selbst Vorteile aus dem Zweitwagen ziehe, z. B. bei Einkaufsfahrten. Die Aufwendungen fielen nicht erheblich aus dem Rahmen. Auch andere Eltern hätten für den Schulweg ihrer Kinder erhebliche Kosten, z. B. Eltern auf dem flachen Lande, die mehrere Kinder zur Oberschule in die Stadt schicken müßten. Das FG ließ die Rechtsbeschwerde zu, um das Verhältnis zwischen der gesetzlichen Kinderermäßigung und § 33 EStG bei der Art und Höhe der hier vorliegenden atypischen Aufwendungen zu klären. Auf Grund der Augenscheinseinnahme stellte die Kammer fest, daß die Aufwendungen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG seien. Die ungünstig zur Schule gelegene Wohnung habe der Stpfl. nehmen müssen, weil er keine andere Wohnung gefunden habe. Weiter trete die Kammer dem Stpfl. auch darin bei, daß es von dieser Wohnung aus wegen der besonderen Verkehrsgefahren, der Witterungsverhältnisse usw. keine andere zumutbare Möglichkeit gebe, zur Schule zu kommen, als die Fahrt mit dem Kraftwagen der Eltern. Das könne sich ändern, wenn die Kinder größer würden. Es werde auch dem Stpfl. zugemutet werden müssen, sich um eine günstiger gelegene Wohnung zu bemühen. Im Streitjahr sei jedoch die Zwangsläufigkeit zu bejahen.
Der Stpfl. beantragt in der Revision, gestützt auf die Ausführungen des FG, 1.363 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Das FA hält die Revision für nicht begründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Stpfl. kann keinen Erfolg haben. Der Besuch der Volksschule zählt zur Berufsausbildung eines Kindes im Sinne von § 33 A Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1955 (Urteil des Senats VI 182/60 U vom 10. Februar 1961, Sammlung der Entscheidungen des BFH Bd. 72 S. 436 - BFH 72, 436 -, BStBl III 1961, 160). Der Senat hat in dieser Entscheidung den Eltern eines gesunden Kindes für die auswärtige Unterbringung in einem Schulheim lediglich noch den Pauschsatz des § 33 a Abs. 2 Satz 3 EStG 1955 zugesprochen. Alle übrigen Unterhalts- und auch Ausbildungskosten sind durch die Kinderermäßigung abgegolten (Urteil des Senats VI 168/63 U vom 28. Februar 1964, BFH 79, 193, BStBl III 1964, 302). § 33 a EStG 1955 gilt zusammen mit der Kinderermäßigung des § 32 EStG alle Ausbildungskosten eines gesunden Kindes ab, wie aus dem Wortlaut des § 33 a EStG zu entnehmen ist. § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1955 gewährt für die Kosten einer Berufsausbildung den Pauschsatz nur für Personen, für die der Stpfl. Kinderermäßigung nicht erhält. Nach § 33 a Abs. 2 Satz 3 EStG 1955 f. wird nur für die Kosten einer auswärtigen Unterbringung eines Kindes, für das der Stpfl. Kinderermäßigung erhält, nicht aber für die sonstigen Unterhalts- und Ausbildungskosten noch ein Pauschbetrag gegeben. Die Anwendung des § 33 EStG bei Berufsausbildungskosten wird in § 33 a Abs. 5 ausdrücklich ausgeschlossen.
Zu den abgegoltenen Kosten zählen auch die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Schule. Alle Eltern müssen dafür sorgen, daß ihre Kinder am Volksschulunterricht teilnehmen können. Wie die Kinder zur Schule kommen, müssen die Eltern bestimmen. In der großen Zahl der Fälle gehen die Kinder zu Fuß oder benützen ein Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel. Bei der Wahl zwischen diesen verschiedenen Möglichkeiten spielen nicht zuletzt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und erzieherischen Gesichtspunkte eine Rolle. Jedenfalls ist es mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren, daß Steuerpflichtige, die sich einen Zweitwagen in der Familie leisten können, die dadurch entstehenden Kosten teilweise auf den Steuerfiskus abwälzen und sich gegenüber den vielen Eltern, die sich so etwas nicht leisten können, eine weitere Steuerermäßigung für Ausbildungskosten ihrer Kinder verschaffen.
§ 33 EStG ist nur auf Aufwendungen anwendbar, die außerhalb des Rahmens der nach § 33 a Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähigen Kosten liegen. Nach § 33 EStG besonders zu erfassende Kosten sind z. B. Krankheitsaufwendungen, Aufwendungen für orthopädisches Schuhwerk oder Heilgymnastik und ähnliche Aufwendungen (Urteile des Senats VI 182/60 U a. a. O.; VI 215/63 U vom 4. Dezember 1964, BFH 81, 467, BStBl III 1965, 169).
Die Unterbringung von Kindern in einem Kinderhort steht im freien Belieben der Eltern. Die Kosten hierfür erwachsen ihnen also nicht zwangsläufig und sind daher schon aus diesem Grunde nicht nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig.
Die Ausführungen des FG über die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für einen Zweitwagen sind nicht entscheidungserheblich, da, wie gesagt, das Gesetz die Ausbildungskosten für ein gesundes Kind abschließend in §§ 32 und 33 a EStG geregelt hat. Einzelne Kosten für die Ausbildung der Kinder, auch wenn sie zwangsläufig gemacht werden müssen, können neben dem Kinderfreibetrag nicht besonders durch eine Steuerermäßigung berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412119 |
BStBl III 1966, 506 |
BFHE 1966, 361 |
BFHE 86, 361 |