Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Fertigt ein Zahnarzt oder ein Dentist für die von ihm zu behandelnden Zahnkranken die Prothesen im eigenen Laboratorium an, so handelt es sich insoweit um eine freiberufliche Tätigkeit.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Dentist, der neben konservierender auch prothetische Zahnbehandlung vornimmt. Zur Herstellung der Zahnprothesen unterhält er ein Laboratorium, in dem im Jahre 1949 vier Techniker mit einem Gesamtjahresgehalt von 13.843 DM beschäftigt waren. Ihre Zahl sank später auf zwei herab. Im Praxisraum ist nur der Stpfl. und seine Ehefrau, die die sonst übliche Sprechstundenhilfe ersetzt, tätig. Die Zahntechniker stellen die Prothesen nach den vom Stpfl. angefertigten Abdrucken her. Das Anpassen und Anbringen der Prothesen erfolgt nur durch den Stpfl. Auftragsarbeiten für andere Zahnärzte und Dentisten finden nicht statt. Im Jahre 1949 trat eine erhebliche Umsatzsteigerung ein, die in besonders gelagerten Verhältnissen begründet und nur vorübergehender Art war.
Strittig ist die Frage, ob der Stpfl. mit Rücksicht auf das Laboratorium in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 gewerbesteuerpflichtig ist. Das Finanzamt bejahte die Gewerbesteuerpflicht. Das zahntechnische Laboratorium sei als besonderer Selbstzweck eingerichtet und daraus ein besonderer Gewinn erstrebt worden. Der Stpfl. habe sich der Hilfe anderer Arbeitskräfte bedient, die seine eigene Arbeitskraft ersetzten oder vervielfältigten.
Der Stpfl. vertrat demgegenüber die Ansicht, das zahntechnische Laboratorium sei lediglich ein notwendiges Hilfsmittel seiner Tätigkeit als Dentist und werde nicht als Selbstzweck geführt. Eine Ersetzung oder Vervielfältigung seiner Arbeitskraft liege nicht vor. Die Zahntechniker führten nur handwerkliche Arbeiten von untergeordneter Bedeutung aus. Das Anpassen und die Behandlung nehme nur er selbst vor.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es habe sich zur Aufklärung des Sachverhalts an den Verband Deutscher Dentisten e. V. gewandt. Dieser habe die Auffassung vertreten, die Zahntechniker seien lediglich Hilfspersonal eines Dentisten. Sie seien zur Behandlung im Munde des Patienten nicht berechtigt. Die Zahl der angestellten Zahntechniker sei unerheblich. Jeder freiberufliche Dentist und Zahnarzt unterhalte ein praxiseigenes Laboratorium, in dem Zahnersatz für die eigene Praxis angefertigt werde. Auf Grund dieser äußerung komme das Finanzgericht zu folgendem Ergebnis:
Die Gewerbesteuerpflicht lasse sich nur daraus herleiten, daß man in dem Laboratorium einen Selbstzweck, also einen eigenen gewerblichen Betrieb sehe, oder daß die Tätigkeit der Zahntechniker eine dem Dentisten gleichartige Tätigkeit darstelle. Nach der berufsständischen Auffassung des Verbandes Deutscher Dentisten stehe ein derartiges Laboratorium und die Zahl der hierbei verwendeten Techniker der freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen. Das Finanzgericht schließe sich dieser Ansicht an. Da das Laboratorium nur für die eigene Praxis des Stpfl. Prothesen herstelle, könne auch in der Regel lediglich vom Umfang der zahnärztlichen Praxis abhängige Zahl der angestellten Zahntechniker nicht allein von sich aus zur Gewerbesteuerpflicht führen. Des weiteren sei die Tätigkeit der Zahntechniker auch nicht der Tätigkeit eines Dentisten gleichartig. Es liege deshalb eine Vervielfältigung der Arbeitskraft nicht vor.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht folgendes geltend:
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Hauptinnungsverband des Zahntechnikerhandwerks hätten sich an den Bundesminister der Finanzen gewandt und dabei geltend gemacht, zwischen den zahnärztlichen Laboratorien und den Laboratorien der Zahntechniker ergäben sich ungleiche Wettbewerbsbedingungen, wenn die zahnärztlichen Laboratorien nicht zur Gewerbesteuer herangezogen würden. Es sei zutreffend, daß ein Zahnarzt oder Dentist, der die Arbeiten in seinem zahntechnischen Laboratorium persönlich ausführe, dadurch nicht gewerbesteuerpflichtig werde. Das Finanzamt sei aber der Ansicht, daß bei Beschäftigung eines oder mehrerer Techniker das Laboratorium in der Regel zum Selbstzweck werde. Der Zahnarzt oder Dentist, der ein eigenes Laboratorium mit angestellten Technikern unterhalte, werde in der Regel einen höheren Gewinn erzielen, als ein Zahnarzt oder Dentist, der seine zahntechnischen Arbeiten in fremden Laboratorien ausführen lasse. Dieses Mehr an Gewinn werde in der Regel durch das eigene Laboratorium auch erstrebt, wodurch das eigene Laboratorium mit fremden Technikern zum Selbstzweck und damit zum gewerblichen Betrieb werde. Aber selbst dann, wenn man das nicht annehme, müsse die Gewerbesteuerpflicht bejaht werden, da dann davon auszugehen sei, daß die Techniker eine der Tätigkeit des Zahnarztes oder Dentisten gleichartige Tätigkeit ausübten. Im übrigen beantrage das Finanzamt hilfsweise auch zu prüfen, ob die beiden Betriebe nicht voneinander getrennt werden könnten, so daß lediglich der schätzungsweise zu ermittelnde Gewinn des Praxislaboratoriums der Gewerbesteuer unterworfen werde.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, ob die Herstellung der Prothesen bei den Dentisten und Zahnärzten ein Teil ihrer ärztlichen freiberuflichen Tätigkeit ist. Für ihre Beantwortung erscheint es beachtlich, ob nach den Lehrordnungen und den Prüfungsbestimmungen für diese Berufe die Anfertigung von Prothesen einen Teil ihrer ärztlichen Ausbildung darstellt. Für die Zukunft ist hierfür das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 221) maßgebend. Die in diesem Gesetz vorgesehene Prüfungsordnung, die der Bundesminister des Innern durch Rechtsverordnung zu erlassen hat, ist noch nicht ergangen. Nach den bisherigen Prüfungsbestimmungen, wie sie in den §§ 11 und 12 der Prüfungsordnung für Zahnärzte vom 15. März 1909 (Zentralblatt für das Deutsche Reich 1909 S. 85) und in § 11 der Prüfungsordnung für Dentisten vom 2. Januar 1942 (Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern 1942 S. 66) enthalten sind, ist die Frage zu bejahen. Nach der Prüfungsordnung für Zahnärzte hat der Studierende bei der Prüfung in der Zahnersatzkunde
drei Phantomarbeiten, unter denen sich mindestens eine Kautschuk- und eine Metallarbeit befinden müssen, auszuführen;
in einer mündlichen Prüfung gründliche Kenntnisse über die Materialien und Herstellungsmethoden des künstlichen Zahnersatzes darzutun.
Hiernach wird davon auszugehen sein, daß es sich bei diesen technischen Arbeiten ebenfalls um Tätigkeiten eines Zahnarztes und damit eines freien Berufes handelt. Es liegt also auch dort, wo bei den Laboratorien eines Zahnarztes und eines Dentisten die Absicht auf Gewinnerzielung gerichtet ist, eine freiberufliche Tätigkeit vor. Der Dentist und der Zahnarzt betreiben in einem derartigen Falle keine gemischte Tätigkeit, die sich aus einer freiberuflichen und einer gewerblichen Tätigkeit zusammensetzt, wie sie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 200/51 vom 12. September 1951, Bundessteuerblatt (BStBl.) III S. 197, behandelt, sondern eine einheitliche zahnärztliche und damit freiberufliche Tätigkeit. Ob die Rechtslage anders liegt, wenn in dem Laboratorium des Dentisten oder Zahnarztes nicht nur Prothesen für die eigenen Zahnkranken, sondern auch für fremde Dentisten und Zahnärzte hergestellt werden, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden.
Es tritt damit die Frage auf, ob eine Vervielfältigung der Arbeitskraft des Berufsträgers im Sinne der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Obersten Finanzhofs und des Bundesfinanzhofs (zuletzt Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 110/51 vom 26. September 1951, BStBl. III S. 204; I 65/51 vom 29. Januar 1952, BStBl. III S. 99, Slg. Bd. 56 S. 252 und IV 474/51 vom 2. Oktober 1952, BStBl. III S. 287, Slg. Bd. 56 S. 749) gegeben ist. Die Frage wird für den vorliegenden Fall verneint. Die Zahntechniker vervielfältigen nicht die Arbeitskraft des Dentisten (Zahnarztes), sondern üben eine lediglich unterstützende Nebentätigkeit aus.
Die Rb. wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 407742 |
BStBl III 1953, 292 |
BFHE 1954, 1 |
BFHE 58, 1 |
StRK, EStG:18 R 19 |