Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Anzeige der Abtretung von Steuervergütungsansprüchen an das Finanzamt
Leitsatz (NV)
Die formgebundene Anzeige i. S. des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 ist nur in ihrer formgebundenen Verkörperung im Original zugangsfähig. Es genügt also nicht, die Anzeige dem FA nur zu zeigen, aber nicht zu übergeben.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 2-3
Tatbestand
Am 28. März 1977 stellte die Firma W bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) drei Anträge auf Investitionszulage 1976. Sie trat diese Ansprüche zur Kreditsicherung an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine Bank - ab. Auf Wunsch des Inhabers der Firma W versah der Bedienstete des FA, Steueramtmann X, die ihm vorgelegten Originale der Abtretungsanzeigen jeweils mit einem Vermerk über den Eingang der entsprechenden Investitionszulagenanträge, bestätigte die Vermerke mit Dienststempel und Unterschrift und gab die Schriftstücke wieder zurück. Der Inhaber der Firma W reichte die mit diesem Vermerk versehenen Abtretungsanzeigen an die Klägerin weiter. Diese bat das FA mit Schreiben vom 24. Oktober 1977 um Mitteilung, wann mit einer Überweisung der Beträge zu rechnen sei. In seinem Antwortschreiben erklärte das FA, eine Auszahlung komme nicht in Betracht, da die entsprechenden Anträge in voller Höhe mit rückständigen Steuerbeträgen verrechnet worden seien; im übrigen liege ihm keine Abtretungserklärung vor. Am 11. Januar 1978 übersandte die Klägerin dem FA Ablichtungen der mit den finanzamtlichen Bestätigungsvermerken versehenen Abtretungsanzeigen. Am 7. Januar 1980 erteilte das FA der Klägerin über die Ablehnung des Auszahlungsantrags einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, das FA zu verurteilen, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung die Beträge von 3 870,60 DM nebst 4% Zinsen seit dem 4. April 1977 sowie 39 817,50 DM nebst 4% Zinsen seit dem 4. April 1977 an sie auszuzahlen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Die Abtretung des Anspruchs auf Investitionszulage sei dem FA gegenüber nicht wirksam, da sie der Gläubiger des Anspruchs dem FA nicht in der vorgeschriebenen Form angezeigt habe (§ 46 Abs. 2 und 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es genüge nicht, daß der vollständig ausgefüllte und ordnungsgemäß unterschriebene amtliche Vordruck einem zuständigen Beamten mit der Bitte um Kenntnisnahme und sofortige Rückgabe lediglich gezeigt werde. Die schriftliche Anzeige müsse vielmehr zum Verbleib bei der zuständigen Finanzbehörde bestimmt sein. Überdies sei auf Grund des Verhaltens des Inhabers der Firma W bei seiner Vorsprache beim FA nicht erkennbar gewesen, daß sein Wille darauf gerichtet gewesen sei, dem Steueramtmann X die Abtretung anzuzeigen. Dieser habe vielmehr davon ausgehen können, daß die Abtretung noch nicht endgültig erfolgt sei. Unter diesen Umständen habe für das FA auch keine Verpflichtung bestanden, den Inhaber der Firma W darauf hinzuweisen, daß es für die Wirksamkeit der Anzeige erforderlich sei, eine mit (Original-) Unterschriften versehene schriftliche Abtretungsanzeige zu den Akten des FA zu reichen. Die am 11. Januar 1978 erfolgte Zusendung von Fotokopien der am 4. April 1977 vorgelegten Abtretungsanzeigen stellte ebenfalls keine ordnungsgemäß Anzeige i. S. des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 dar, da diese ,,Anzeige" nicht durch den Gläubiger erfolgt und nicht mit den Originalunterschriften des Abtretenden und des Abtretungsempfängers versehen gewesen sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin folgendes geltend:
Die in § 46 AO 1977 vorgesehene Anzeige an die Finanzbehörde sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung i. S. des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie werde mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam. Zugegangen sei eine solche Erklärung, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sei, daß dieser die Möglichkeit habe, von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs auch von ihm erwartet werden könne, daß er tatsächlich Kenntnis nehme. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Der Steueramtmann X als zuständiger Bearbeiter des FA habe durch seine Unterschrift am 4. April 1977 nicht nur bestätigt, daß die Anträge auf Investitionszulage gestellt worden seien, sondern habe naturgemäß auch von dem Abtretungsformular, auf dem er seinen Vermerk angebracht habe, Kenntnis genommen. Dem FA und dem Sachbearbeiter X sei bekannt gewesen, daß bereits vorher die Investitionszulageansprüche der Firma W für das Jahr 1975 an sie, die Klägerin, abgetreten und diese Abtretung dem FA angezeigt worden sei. Bezüglich dieser Investitionszulageansprüche habe das FA keinerlei Einwendungen erhoben und an die Klägerin die abgetretenen Beträge ausbezahlt. Angesichts dieses vom FA geschaffenen Vertrauenstatbestandes hätte das FA Abtretenden und Abtretungsempfänger darauf hinweisen müssen, daß entgegen der bisherigen Übung die Investitionszulageansprüche für 1976 nicht als abgetreten angesehen worden seien. Dies sei jedoch nicht geschehen. Vielmehr habe der Sachbearbeiter X Abtretenden und Abtretungsempfänger in gutem Glauben gelassen, auch die Ansprüche für 1976 seien wirksam abgetreten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und nach ihren Anträgen in erster Instanz zu entscheiden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Dem Einwand der Klägerin, es, das FA, habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin gehe nämlich schon nach ihrem eigenen Vorbringen von einem anderen Sachverhalt aus. Die Abtretungsanzeige bezüglich der Investitionszulage 1975 sei dem damals zuständigen FA A übersandt worden, was hier gerade nicht geschehen sei. Überdies handle es sich hier um neues tatsächliches Vorbringen; dieser Punkt sei im Klageverfahren nicht vorgetragen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Abrechnungsbescheid des FA nach § 218 Abs. 2 AO 1977 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das FG hat zu Recht die Abtretung an die Klägerin als unwirksam beurteilt. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Auszahlung der streitigen Beträge.
Nach § 46 Abs. 1 AO 1977 können Ansprüche auf Steuervergütungen - zu denen die Investitionszulage zählt (vgl. § 5 Abs. 5 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG -) - abgetreten werden. Die Abtretung wird jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt (§ 46 Abs. 2 AO 1977). Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. § 46 Abs. 3 AO 1977 verlangt weiter, daß die Anzeige vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschrieben ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil dem FA eine entsprechende Anzeige nicht zugegangen ist.
§ 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 sieht eine formalisierte Anzeige vor. Solche formgebundenen Anzeigen sind nur in ihrer formgerechten Verkörperung im Original zugangsfähig. Die Anzeige muß daher demjenigen, an den sie gerichtet ist, in eben der vorgeschriebenen Form zugehen (vgl. auch Dilcher in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 130 BGB Anm. 26, und Krüger-Nieland in Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB, § 130 Anm. 18, jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Es genügt daher nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977, wenn die Anzeige dem FG lediglich gezeigt, aber nicht übergeben wird oder eine Ablichtung davon übersandt wird, wie dies nach den Feststellungen des FG im vorliegenden Fall geschehen ist.
Gegen die Annahme, dem FA sei die Anzeige über die Abtretung zugegangen, spricht überdies, daß nach den - von der Revision nicht angegriffenen, daher für den erkennenden Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - Feststellungen des FG für den Bediensteten des FA gar nicht erkennbar war, daß der Wille des Inhabers der Firma W überhaupt darauf gerichtet war, die Abtretung der Investitionszulage anzuzeigen. Unter diesen Voraussetzungen kann von einem Zugang der Anzeige nicht die Rede sein. Denn die Kenntnisnahme der Anzeige setzt naturgemäß voraus, daß das Vorliegen einer solchen Anzeige erkannt worden ist.
Die Klägerin beruft sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben mit dem Hinweis auf die angebliche Abtretung von Investitionszulageansprüchen 1975 an sie durch die Firma W. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Mangel des Zugangs der Anzeige für die Abtretung der Investitionszulage 1976 überhaupt durch eine Berufung auf Treu und Glauben geheilt werden könnte. Jedenfalls kann die Klägerin mit diesem neuen Vorbringen nicht gehört werden. Die Vorinstanz hat Feststellungen dazu nicht getroffen und die Klägerin hat es unterlassen, den Mangel dieser Feststellungen durch Revisionsrügen anzugreifen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen