Leitsatz (amtlich)
Ist eine Personenhandelsgesellschaft an einer anderen Personenhandelsgesellschaft beteiligt, so steht es der Bejahung der Unternehmeridentität i. S. des § 10a GewStG 1974 nicht entgegen, wenn bei der anderen Personenhandelsgesellschaft ein Gesellschafterwechsel eintritt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; GewStG 1974 § 10a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ist eine 1968 gegründete Partenreederei. An ihr waren in der Zeit von der Gründung bis zum Streitjahr u. a. die. S-KG mit 52.6750/100 Schiffsparten und die F-KG mit 16.4609/100 Schiffsparten beteiligt.
Im Zeitpunkt der Gründung der Klägerin waren an der S-KG beteiligt: B. S. mit 88 v. H. und dessen Sohn H. S. mit 12 v. H. Mit Wirkung vom 1. Januar 1972 übertrug B. S. 8 v. H. Anteile an der S-KG auf H. S. Mit Wirkung vom 21. Januar 1974 übertrug B. S. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt von seiner restlichen Beteiligung von 80 v. H. 8 v. H. auf H. S., 24 v. H. auf seinen Sohn T. S. und je 16 v. H. auf seine Töchter E. H. und E. M. E. H. und E. M. übertrugen anschließend ihre Anteile auf H. S. und T. S., so daß ab 21. Januar 1974 an der S-KG beteiligt waren: B. S. mit 16 v. H., H. S. mit 44 v. H. und T. S. mit 40 v. H.
An der F-KG waren im Zeitpunkt der Gründung der Klägerin beteiligt: P.F. mit 50 v. H., dessen Sohn H. F. mit 45 v. H. und A. Z., die Tochter von P. F., mit 5 v. H. Zum 1. Januar 1972 übertrug P. F. 10 v. H. seines Anteils an der F-KG auf H. F. Am 12. Februar 1973 starb P. F. Sein Anteil ging über in Höhe von 20 v. H. auf H. F. und in Höhe von je 10 v. H. auf A. Z. und He. F., die Ehefrau von P. F.
Die Klägerin erlitt in den Jahren 1968 und 1969 einen Gewerbeverlust von 2 282 684 DM. Dieser Verlust wurde 1970 in Höhe von 342 718 DM mit einem Gewerbeertrag verrechnet. 1971 ergab sich ein Gewerbeverlust von 8 080 DM. Der im Wege des Verlustabzugs nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes 1974 (GewStG) noch nicht verbrauchte Gewerbeverlust betrug Ende 1971 mithin 1 948 046 DM. Hiervon wurden durch Verlustabzug verbraucht 1972 270 132 DM und 1973 211 784 DM. Es ergab sich Ende 1973 mithin ein noch nicht verbrauchter Gewerbeverlust der Klägerin von 1 466 130 DM. 1974 erzielte die Klägerin einen Gewerbeertrag von 1 433 478 DM. Hiervon ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) einen Verlustabzug in Höhe von 859 778 DM zu, weil er der Auffassung war, daß von dem Ende 1973 noch nicht verbrauchten Gewerbeverlust von 1 466 130 DM nach § 10a GewStG nur 859 778 DM abzugsfähig seien. Das FA kam zu diesem Ergebnis, weil nach seiner Meinung der vortragsfähige Gewerbeverlust wegen des Gesellschafterwechsels
- bei der S-KG zum 31. Dezember 1971 um 77 880 DM,
- bei der F-KG zum 31. Dezember 1971 um 32 818 DM,
- bei der F-KG zum 31. Dezember 1972 um 101 447 DM und
- bei der S-KG zum 31. Dezember 1973 um 394 207 DM
zu kürzen sei.
Die gegen diese Kürzungen gerichtete Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 480 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 10a GewStG) und unzureichende Sachaufklärung. Zur Begründung wird vorgetragen:
Nach der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 10a GewStG seien als Unternehmer des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft zwar deren Gesellschafter und nicht die Gesellschaft anzusehen. Im Streitfall seien jedoch die S-KG und die F-KG und nicht deren Gesellschafter Unternehmer der Klägerin gewesen. Das Finanzgericht (FG) habe die Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaft verkannt. Es gehe unzutreffenderweise davon aus, daß eine Personenhandelsgesellschaft weiter nichts sei als ein gesamthänderischer Zusammenschluß einzelner Personen zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zu einem anderen Zweck. Eine Personenhandelsgesellschaft sei mehr als ein solcher bloßer Zusammenschluß. Sie sei zwar keine juristische Person, werde aber vielfach wie eine solche behandelt. Eine Personenhandelsgesellschaft könne daher selbst Unternehmer sein. Der vom FG angeführten Mißbrauchsproblematik könne wirksam durch entsprechende Anwendung der für Kapitalgesellschaften entwickelten Grundsätze über den Mantelkauf begegnet werden.
Hinsichtlich der Bedeutung des Nießbrauchsvorbehalts durch B. S. habe das FA das materielle Recht nicht zutreffend angewendet und keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FA hat den abzuziehenden Gewerbeverlust zu Unrecht gekürzt.
1. Nach § 10a Satz 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, um die (in den Vorjahren noch nicht berücksichtigten) Gewerbeverluste der fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume gekürzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist dieses Recht zum Abzug eines Gewerbeverlustes sowohl von der Unternehmensidentität als auch von der Unternehmeridentität abhängig (Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348 , mit weiteren Rechtsprechungshinweisen, und Beschluß vom 24. Juni 1981 I S 3/81, BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748 ). Die Bindung des Gewerbeverlustes an die Person des Unternehmers (Unternehmeridentität) ergibt sich daraus, daß das Gesetz (§ 10a Satz 1 GewStG) die Abzugsfähigkeit nur den "Gewerbetreibenden" zugesteht, die den Gewerbeverlust erlitten haben (Urteil in BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348 ). Wird ein Gewerbebetrieb von einer Personengesellschaft betrieben, so ist Gewerbetreibender i. S. des § 10a GewStG nicht die Personengesellschaft, sondern es sind ihre Gesellschafter, soweit sie Mitunternehmer sind (Urteil in BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348 und Beschluß in BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748 ).
2. Im Streitfall steht die Unternehmensidentität nicht in Frage. Auch die Unternehmeridentität ist unter Beachtung der vorstehend dargestellten Grundsätze gewahrt; denn in den Erhebungszeiträumen, in denen die Gewerbeverluste entstanden sind, deren Abzug im Streitjahr begehrt wird, hatte die Klägerin dieselben Mitunternehmer wie im Streitjahr. Der Umstand, daß die Gesellschafter der S-KG und der F-KG zum Teil im Streitjahr andere waren als in den Verlustentstehungsjahren, ändert an diesem Ergebnis nichts; denn Gewerbetreibender i. S. des § 10a GewStG sind in bezug auf die Klägerin nicht die Gesellschafter der S-KG und der F-KG, sondern es sind diese Kommanditgesellschaften selbst. Nach dem Beschluß des I. Senats in BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748 ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (KG X), die ihrerseits Kommanditistin einer anderen Personenhandelsgesellschaft (KG Y) ist, nicht als Mitunternehmer der anderen Personenhandelsgesellschaft (KG Y) anzusehen ist. Der erkennende Senat schließt sich aus den folgenden Gründen dieser Rechtsauffassung an:
a) Eine Personenhandelsgesellschaft - OHG, KG - kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Daraus wird nach der h. L. im Zivilrecht (vgl. u. a. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 25. Aufl., § 105 Anm. 1 C und § 161 Anm. 2 A und C; Fischer, Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 105 Anm. 27; Beschluß des Landgerichts Lüneburg vom 1. Juli 1971 7 T 2/71, Betriebs-Berater - BB - 1971, 1076; Beschluß des Landgerichts Bremen vom 3. August 1971 14-T-Nr. 10/1971, BB 1971, 1121) der Schluß gezogen, daß eine Personenhandelsgesellschaft Gesellschafterin einer anderen Personengesellschaft sein kann. Entsprechend dieser zivilrechtlichen Bewertung kann eine Personenhandelsgesellschaft auch Mitunternehmerin einer anderen Personengesellschaft sein, d. h. die Personenhandelsgesellschaft selbst und nicht ihre Mitglieder sind Gesellschafter und Mitunternehmerin der anderen Personengesellschaft (BFH-Urteil vom 23. Februar 1972 I R 159/68, BFHE 105, 257, BStBl II 1972, 530 ; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 Anm. 31 b; Woerner, Steuerkongreßreport, 1982, 193, 204; a. A. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 15 Anm. 48, 94).
b) Die Auffassung, daß eine Personenhandelsgesellschaft Mitunternehmerin einer anderen Personengesellschaft sein kann, entspricht auch der neueren, nach Aufgabe der Bilanzbündeltheorie ergangenen Rechtsprechung des BFH, wonach eine Personenhandelsgesellschaft eine gewisse rechtliche Selbständigkeit hat. Am deutlichsten kommt diese Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaften durch die Rechtsprechung zum Ausdruck, nach der Veräußerungsgeschäfte zwischen einer Personenhandelsgesellschaft und ihren Gesellschaftern wie Veräußerungsgeschäfte unter fremden Dritten zulässig sind (BFH-Urteile vom 28. Januar 1976 I R 84/74, BFHE 119, 234, BStBl II 1976, 744 ; vom 15. Juli 1976 I R 17/74, BFHE 119, 285, BStBl II 1976, 748 ; vom 21. Oktober 1976 IV R 210/72, BFHE 120, 239, BStBl II 1977, 145 , vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84 ).
c) Diese Grundsätze, die zu der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG entwickelt sind, gelten auch für § 10a GewStG; denn der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff Unternehmer (Mitunternehmer) und die in § 10a GewStG verwendeten Begriffe Gewerbetreibender und Unternehmer bedeuten das gleiche. Daß die in § 10a GewStG verwendeten Begriffe Gewerbetreibender und Unternehmer übereinstimmen, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Dort heißt es: "Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird." Derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird, ist der Gewerbetreibende (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, 408f., BStBl II 1980, 465 ).
d) Entgegen der Auffassung des FA ist es folgerichtig, als Gewerbetreibende (Unternehmer) i. S. des § 10a Satz 1 GewStG nicht die Personengesellschaft als solche, sondern ihre Mitunternehmer anzusehen, als ihre Mitunternehmerin aber die Personenhandelsgesellschaft zu betrachten, die ihre Gesellschafterin ist. Denn der Anwendungsbereich des § 10a GewStG erstreckt sich nur auf die Frage, wer Gewerbetreibender (Unternehmer) des Gewerbebetriebs ist, der als Steuerobjekt der Gewerbesteuer unterliegt. Demzufolge ist die Frage, wer Mitunternehmer eines solchen Gewerbetreibenden ist, nicht nach § 10a GewStG, sondern nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen.
e) Der Streitfall gibt keinen Anlaß, zu der vom FG und vom FA aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob und in welchen Fällen die Einschaltung einer Personenhandelsgesellschaft rechtsmißbräuchlich sein könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 426131 |
BStBl II 1985, 334 |
BFHE 1985, 135 |